Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine zulässige Sachaufklärungsrüge
Leitsatz (NV)
Zur schlüssigen Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen Übergehens von Beweisanträgen (§ 76 FGO) muss der Beschwerdeführer die ermittlungsbedürftigen Tatsachen genau bezeichnen und überdies substantiiert darlegen, inwiefern das angefochtene Urteil ‐ ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG ‐ auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 76
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―im Folgenden: FGO n.F.― entspricht.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben ihre Rüge, das Finanzgericht (FG) habe die von ihnen gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen Oberregierungsrat X sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Y übergangen und damit gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 FGO verstoßen, nicht schlüssig erhoben. Hierzu hätten eine genaue Bezeichnung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen (präzise Angabe der Beweisthemen) sowie die substantiierte Darlegung gehört, inwiefern das Urteil des FG ―ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts― auf der unterlassenen Beweisaufnahme beruhen könne und was das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme gewesen wäre (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69, m.w.N., i.V.m. § 116 Rz. 50).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Kläger, das FG habe Beweis darüber erheben müssen, ob auf den Kläger unzulässiger, auf das Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung gerichteter Druck ausgeübt worden sei, und die Zeugen hätten dies bestätigt, nicht gerecht. Zur schlüssigen Sachaufklärungsrüge wäre es geboten gewesen, konkrete Tatsachen anzuführen, bei deren (tatsächlichem) Vorliegen das FG (unter Berücksichtigung seiner materiell-rechtlichen Auffassung) zu der Schlussfolgerung hätte gelangen können, dass der Kläger beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung einem unzulässigen, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―) den Wegfall der Bindung des Klägers an diese Verständigung bewirkenden Druck ausgesetzt war. Die von den Klägern in diesem Zusammenhang angeführten (Einzel-)Tatsachen (späte und plötzliche Eröffnung des Strafverfahrens; mitgeteilte Mehrergebnisse von bis zu 700 000 DM; Anwesenheit des Vertreters der Bußgeld- und Strafsachenstelle, Steueramtsrat A, in der Schlussbesprechung und Verhandlung über die tatsächliche Verständigung; Mitunterzeichnung der tatsächlichen Verständigung durch Steueramtsrat A; Einräumung der ihm vorgeworfenen strafrechtlich relevanten Verfehlungen durch den Kläger "mit der Maßgabe eines strafrechtlichen Sicherheitsabschlages von 40 %"), die im Übrigen allesamt unstreitig waren und deshalb keines Beweises bedurften sowie vom FG bei seiner Entscheidung berücksichtigt wurden, rechtfertigen einen solchen Schluss nicht.
Die Kläger vermochten folglich keine konkreten Tatumstände zu behaupten und unter Beweis zu stellen, bei deren Vorliegen die Bindung des Klägers an die tatsächliche Verständigung wegen Einsatzes unzulässiger Mittel durch die Finanz- und Strafermittlungsbehörden ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entfallen sein könnte (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 28. Oktober 1998 X R 93/95, BFH/NV 1999, 937; ferner BFH-Urteil vom 23. Oktober 1996 I R 63/95, BFH/NV 1997, 765).
Fundstellen
Haufe-Index 798136 |
BFH/NV 2002, 1486 |