Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe; Einsatz eines unbebauten Grundstücks zur Deckung der Prozesskosten
Leitsatz (NV)
Zu dem zur Deckung der Prozesskosten einzusetzenden Vermögen gehört auch ein Anteil an einem unbebauten Grundstück, wenn der Antragsteller keine Tatsachen glaubhaft gemacht hat, die den Schluss rechtfertigen, er könne das Grundstück nicht für die Kosten der Prozessführung verwerten oder die Verwertung sei ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114-115, 117 Abs. 2 S. 1; BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7
Tatbestand
I. 1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zusammen mit seinen Brüdern Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Nach den Feststellungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) erfasste die A-GmbH in den Jahren 1976 bis 1983 nicht alle ihre Umsätze ordnungsgemäß in der Buchführung. Die betreffenden Beträge flossen als ―dem FA nicht erklärte― verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) dem Kläger und seinen Brüdern zu. Das FA beurteilte dies als Steuerhinterziehung und erließ gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO 1977) gegen den Kläger einen Haftungsbescheid über insgesamt rund 430 000 DM. Außerdem setzte es in einem an den Kläger als Geschäftsführer der A-GmbH gerichteten Zinsbescheid Hinterziehungszinsen fest. Die Klage wegen des Haftungsbescheids führte zur Herabsetzung des Haftungsbetrags auf rund 250 000 DM (rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts ―FG― vom 8. Dezember 1992). Der Zinsbescheid wurde vom FG aufgehoben, da der Kläger nicht Zinsschuldner (§ 235 Abs. 1 AO 1977) war (rechtskräftiges FG-Urteil vom 19. Oktober 1993).
Daraufhin erließ das FA am 4. Februar 1994 gegen den Kläger als Haftungsschuldner gemäß § 71 AO 1977 einen Haftungsbescheid über 57 734 DM Hinterziehungszinsen. Einspruch und Klage, die der Kläger mit der Verjährung des Haftungsanspruchs begründete, waren erfolglos. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 1209 veröffentlicht.
2. Der Kläger hat form- und fristgerecht Revision eingelegt und innerhalb der ―bisher noch nicht abgelaufenen― Revisionsbegründungsfrist beantragt, ihm für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu bewilligen und den Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. B beizuordnen.
Der Kläger verfügt nach seiner Erklärung vom 11. Oktober 1999 über keine Einnahmen und ―außer einem Anteil an einem unbebauten Grundstück, dessen Wert nach Angabe des Klägers 15 000 DM beträgt― über kein Vermögen.
Das FA hat sich zu dem Antrag auf Bewilligung von PKH geäußert und eine hinreichende Erfolgsaussicht der Revision verneint.
Am 8. Mai 2000 hat der Berichterstatter den Prozessbevollmächtigten des Klägers gebeten, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der Kläger seinen Anteil an dem unbebauten Grundstück durch Veräußerung oder Beleihung zur Deckung der Prozesskosten einsetzen könne. Am 25. Mai 2000 wurde dem Kläger die von ihm begehrte Frist zur Beantwortung der Frage und ggf. Glaubhaftmachung bis zum 2. Juni 2000 gewährt. Am 8. Juni 2000 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, der Kläger habe bisher die Frage nicht beantwortet und angekündigt, er wolle sich direkt mit dem Bundesfinanzhof (BFH) in Verbindung setzen. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2000 ―eingegangen beim BFH am 28. Juni 2000― hat der Kläger vortragen lassen: Die andere Hälfte des Grundstücks gehöre seiner Lebensgefährtin, mit der er in eheähnlicher Gemeinschaft lebe. Seine Lebensgefährtin komme zur Zeit für seinen gesamten Lebensunterhalt auf, da er ―auf Grund der Höhe des Vermögens seiner Lebensgefährtin― vom Arbeitsamt keine Arbeitslosenhilfe erhalte. Mit der Lebensgefährtin habe er jedoch vereinbart, dass er deren Unterhaltsleistungen nur darlehensweise erhalte. Da dieses Darlehen inzwischen über 15 000 DM betrage und somit den Wert seines Anteils an dem Grundstück übersteige, könne er seinen Grundstücksanteil nicht verwerten.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag wird abgelehnt. Dem Kläger ist zuzumuten, sein noch vorhandenes Vermögen für die Kosten der Prozessführung einzusetzen.
1. Für die Bewilligung von PKH gelten gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) sinngemäß. Demnach erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen i.S. des § 114 ZPO gehört das Vermögen der betreffenden Partei (s. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dieses hat die Partei zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen, soweit ihr dies zuzumuten ist (§ 115 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gehört zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen der Partei. Nicht einzusetzen hat die Partei nach § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG allerdings ein angemessenes Hausgrundstück.
2. Der Kläger ist nach eigenen Angaben Miteigentümer eines unbebauten Grundstücks, dessen Wert 15 000 DM beträgt. Trotz entsprechender Aufforderung hat er keine Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die den Schluss rechtfertigen, er könne diesen Vermögensgegenstand nicht für die Kosten der Prozessführung verwerten oder die Verwertung für diesen Zweck sei ihm aus besonderen Gründen nicht zuzumuten. Er hat weder behauptet, der Grundstücksanteil sei zur Zeit unverkäuflich, noch hat er vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass er einen etwaigen künftigen Verkaufserlös rechtswirksam an seine Lebensgefährtin abgetreten habe oder auf Grund einer Vereinbarung mit seiner Lebensgefährtin den Grundstücksanteil nicht zu Gunsten Dritter belasten dürfe. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Lebensgefährtin ihre Unterhaltsleistungen an den Kläger davon abhängig gemacht hat, dass der Kläger den Grundstücksanteil nicht veräußert und auch nicht zu Gunsten Dritter belastet.
Fundstellen