Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Zulassung der Revision im FG-Urteil
Leitsatz (NV)
Hat das FG die Revision weder im mündlich verkündeten Urteilstenor noch in dem den Beteiligten zugestellten schriftlich abgefassten Urteil zugelassen, so hat es die Zulassung der Revision versagt. Diesem Ergebnis steht nicht der Umstand entgegen, dass dem Kläger ‐ offensichtlich versehentlich ‐ vom FG eine Abschrift des Protokolls über die mündliche Verhandlung übersandt wurde, dessen Seite 2 mit dem Original des Sitzungsprotokolls nicht übereinstimmt und in welcher der ‐ irrige ‐ Eindruck erweckt wird, dass das FG im verkündeten Urteilstenor die Revision zugelassen habe.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 18.05.2004; Aktenzeichen 11 K 887/03) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 als unbegründet abgewiesen. In dem in den FG-Akten enthaltenen und vom Vorsitzenden des zuständigen FG-Senats unterzeichneten zweiseitigen Original der Sitzungsniederschrift vom 18. Mai 2004 ist auf Seite 1 u.a. festgehalten, dass für beide Beteiligten trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen sei. Sodann heißt es auf Seite 2 des Protokolls wörtlich:
"Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit wurde nicht gestellt.
Der Berichterstatter trug den wesentlichen Inhalt der Akten vor.
Die Sitzung wurde um 12.00 Uhr geschlossen.
Nach geheimer Beratung wurde die Sache um 12.05 Uhr erneut aufgerufen und die Öffentlichkeit wiederhergestellt.
Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten wurde auf Anordnung des Vorsitzenden abgesehen.
Seitens der Verfahrensbeteiligten waren anwesend: niemand.
In Anwesenheit der eingangs (auf Seite 1) aufgeführten Richter verkündete der Vorsitzende das folgende
Urteil:
Im Namen des Volkes
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
…".
Das schriftlich abgefasste und begründete FG-Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger nach dem von ihm unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 30. Juni 2004 zugestellt worden. Der dort wiedergegebene Tenor stimmt mit demjenigen des o.a. Originalprotokolls über die mündliche Verhandlung überein. Auch aus den Gründen des schriftlich abgesetzten Urteils ergibt sich nicht, dass das FG die Revision zugelassen hat.
Gegen das FG-Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 28. Juli 2004 Revision eingelegt und gleichzeitig begründet. U.a. hat der Prozessbevollmächtigte dort ausgeführt, dass das FG die Revision zugelassen habe. Zum Beleg hat er eine Fotokopie des Sitzungsprotokolls vom 18. Mai 2004 vorgelegt, dessen Seite 1, nicht aber dessen Seite 2 mit dem o.g. Originalprotokoll übereinstimmt.
Seite 2 der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger vorgelegten Kopie der Sitzungsniederschrift lautet wie folgt:
"Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit wurde nicht gestellt.
Der Berichterstatter trug den wesentlichen Inhalt der Akten vor.
Der Kläger beantragte,
den Steuerbescheid vom 08.04.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.01.2004 aufzuheben und die Einkommensteuer auf 0 € festzusetzen.
Vorgelesen und genehmigt.
Nach Erörterung der Streitsache mit dem Steuerberater teilte der Vorsitzende mit, dass eine Entscheidung im Verlaufe des Sitzungstages ergeht und erklärte sodann um 12.15 Uhr die mündliche Verhandlung für geschlossen.
Nach geheimer Beratung wurde die Sache erneut aufgerufen und die Öffentlichkeit wiederhergestellt.
Von der Zuziehung eines Urkundsbeamten wurde auf Anordnung des Vorsitzenden abgesehen.
Seitens der Verfahrensbeteiligten waren noch anwesend: niemand.
In Anwesenheit der eingangs aufgeführten Richter verkündete der Vorsitzende das folgende
Urteil:
Im Namen des Volkes
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
…".
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) aufzuheben sowie den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1999 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 0 € festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schreiben der Geschäftsstelle des angerufenen Senats vom 17. August 2004 wurde der Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hingewiesen, dass die Revision im angefochtenen FG-Urteil nicht zugelassen worden sei. Blatt 2 des Sitzungsprotokolls vom 18. Mai 2004 sei offensichtlich vertauscht worden und betreffe einen anderen Streitfall. Eine als solche eingelegte Revision könne auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat hierauf geantwortet, dass er die Revision aufrecht erhalte.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Gemäß § 115 Abs. 1 FGO ist die Revision gegen ein Urteil des FG nur dann zulässig, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Beides trifft im vorliegenden Streitfall nicht zu.
a) Das FG hat die Revision im angefochtenen Urteil nicht zugelassen.
aa) Das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 30. Juni 2004 zugestellte, schriftlich abgefasste Urteil enthält weder im Tenor noch in den Gründen einen Hinweis darauf, dass das FG die Revision gegen seine klageabweisende Entscheidung zulassen wollte.
Entsprechendes gilt ausweislich des maßgeblichen Originalprotokolls über die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 für den Urteilstenor, den das FG im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündet hat.
Sonach steht fest, dass die angefochtene Entscheidung des FG keinen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthält. Das FG hat die Zulassung der Revision damit versagt (vgl. die Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 106).
bb) Diesem Ergebnis steht nicht der Umstand entgegen, dass dem Prozessbevollmächtigten der Kläger --offensichtlich versehentlich-- vom FG eine Ausfertigung bzw. Abschrift der Sitzungsniederschrift vom 18. Mai 2004 übersandt wurde, deren Seite 2 mit dem Original des nämlichen Sitzungsprotokolls nicht übereinstimmt und in welcher der --irrige-- Eindruck erweckt wird, dass das FG im verkündeten Urteilstenor die Revision zugelassen habe.
Ebenso wenig wie eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung (vgl. hierzu z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 55 Rz. 27, mit zahlreichen Nachweisen aus der BFH-Rechtsprechung) oder eine in der Urschrift des FG-Urteils nicht enthaltene, nur versehentlich in die Urteilsausfertigung aufgenommene Revisionszulassung (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26. April 1961 II 58/59 U, BFHE 73, 73, BStBl III 1961, 294; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 278) vermag auch die versehentliche Bekanntgabe eines nicht den Streitfall betreffenden Protokolls über die mündliche Verhandlung dazu zu führen, dass ein im Gesetz oder in der angefochtenen Entscheidung nicht zugelassenes Rechtsmittel zulässig wird.
Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mussten sich im Übrigen aus einer Reihe von Umständen Zweifel darüber aufdrängen, dass die Seite 2 des ihm zugesandten Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 der Urschrift der Sitzungsniederschrift entsprach. So ist auf Seite 2 des ihm zugesandten Protokolls u.a. davon die Rede, dass der Kläger einen bestimmten Klageantrag gestellt habe und die Streitsache "mit dem Steuerberater erörtert" worden sei, obwohl sich aus Seite 1 des Protokolls ergab, dass für die Kläger niemand erschienen war. Auch wusste der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst, dass er den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2004 für seinen Mandanten nicht wahr genommen hatte und er folglich die Streitsache nicht mit dem Gericht in der mündlichen Verhandlung erörtert haben konnte. Es kommt hinzu, dass der im Termin zur mündlichen Verhandlung angeblich gestellte Klageantrag, "den Steuerbescheid vom 08.04.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 19.01.2004 aufzuheben und die Einkommensteuer auf 0 € festzusetzen", augenscheinlich nicht den vorliegenden Streitfall betreffen konnte, in welchem der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1999 und die Einspruchsentscheidung jeweils vom 3. Februar 2003 datierten und sich --jedenfalls unter Berücksichtigung des im Schriftsatz an das FG vom 17. Juli 2003 erhobenen Klagebegehrens-- selbst bei vollständigem Obsiegen der Kläger die Einkommensteuer auch nicht auf 0 € reduzieren konnte.
b) Die Revision der Kläger ist schließlich auch nicht deshalb statthaft, weil sie der BFH zugelassen hat. Die Kläger haben keine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Das von ihnen --durch einen fachkundigen Prozessbevollmächtigten-- ausdrücklich als Revision eingelegte Rechtsmittel kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 12).
Fundstellen
Haufe-Index 1461754 |
BFH/NV 2006, 357 |