Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirklichung des Erwerbsvorgangs bei genehmigungsbedürftigen Verträgen
Leitsatz (NV)
- Die Frage der Auswirkung zivilrechtlich erforderlicher Genehmigungen auf den Zeitpunkt der (grunderwerbsteuerrechtlichen) Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs ist durch BFH-Rechtsprechung geklärt.
- Durch die notarielle Beurkundung eines zivilrechtlich genehmigungsbedürftigen Grundstückskaufvertrags wird so lange kein Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 GrEStG 1983 verwirklicht, so lange während des Schwebezustands zumindest eine der Parteien sich vom Vertrag wieder frei lösen kann.
- Bei einem Vertrag, der von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen wird, wird der Erwerbsvorgang erst mit der Erteilung der Genehmigung durch den Vertretenen verwirklicht.
Normenkette
GrEStG 1983 § 23; BGB § 177 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss mit der A-AG am 30. Dezember 1996 einen notariell beurkundeten Vertrag ab. In dem Vertrag verpflichtete sich die A-AG zur Übereignung von Teilflächen aus ihr gehörenden Grundstücken. Der Kaufpreis betrug … DM. Für die A-AG trat bei der notariellen Beurkundung deren Handlungsbevollmächtigter B auf. Dieser jedoch ausdrücklich "als zunächst vollmachtloser Vertreter". Die Beteiligten wurden von dem beurkundenden Notar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vertrag noch der Genehmigung des Verkäufers bedürfe.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1997 teilte der beurkundende Notar dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) mit, dass an diesem Tag die Genehmigung der Vertretenen bei ihm eingegangen sei. Daraufhin setzte das beklagte FA für den Erwerbsvorgang die Grunderwerbsteuer fest. Hierbei ging es von einem Steuersatz von 3,5 v.H. aus. Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass der Steuersatz in Höhe von 2 v.H. anzuwenden sei. Der Erwerbsvorgang sei bereits mit Vertragsabschluss im Jahre 1996 verwirklicht worden. Der Steuersatz von 3,5 v.H. sei erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht worden seien. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Ein Erwerbsvorgang sei i.S. des § 23 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG 1983) dann verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden sei, wenn also die Vertragspartner im Verhältnis zueinander gebunden seien, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöse oder nicht. Der Grundstückserwerb der Klägerin sei erst in 1997 verwirklicht worden. Eine Bindung der Vertragsparteien sei erst mit der Genehmigung eingetreten. Bis zur Genehmigung hätte die Veräußerin es in der Hand gehabt, ob der Vertrag wirksam werde oder ob er unwirksam bleibe. Die Revision hat das FG nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der diese grundsätzliche Bedeutung als Grund zur Zulassung der Revision geltend macht.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Frage der Auswirkung zivilrechtlich erforderlicher Genehmigungen auf den Zeitpunkt der Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. von § 23 Abs. 1 GrEStG 1983 geklärt.
Durch das Urteil vom 18. Mai 1999 II R 16/98 (BFHE 188, 453, BStBl II 1999, 606) hat der Senat entschieden, dass ein Grundstückskaufvertrag mit einem Nachlasspfleger über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück erst dann zu einer Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs führt, wenn die nachlassgerichtliche Genehmigung erteilt ist und der Nachlasspfleger dem anderen Vertragsteil hiervon Mitteilung gemacht hat. Durch Urteil vom 8. Februar 2000 II R 51/98 (BStBl II 2000, 318) hat der Senat darüber hinaus entschieden, dass ein Kaufvertrag, der der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, erst mit der wirksamen Erteilung der Genehmigung zur Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i.S. von § 23 GrEStG 1983 führt. Beiden Entscheidungen liegt die Rechtsauffassung zugrunde, dass durch die notarielle Beurkundung eines zivilrechtlich genehmigungsbedürftigen Grundstückskaufvertrags so lange kein Erwerbsvorgang i.S. von § 23 GrEStG 1983 verwirklicht wird, so lange während des Schwebezustands zumindest eine der vertragsschließenden Parteien sich von dem Vertrag wieder frei lösen kann. Diese Konstellation liegt im Streitfall vor. Bis zur Erteilung der Genehmigung war der notariell beurkundete Grundstückskaufvertrag für und gegen die von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht vertretene Veräußerin schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Bis dahin war die zur Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen notwendige endgültige Bindung der Grundstücksveräußerin an den bereits beurkundeten Vertrag nicht gegeben. Der wirksam erteilten Genehmigung kommt grunderwerbsteuerrechtlich keine Rückwirkung zu (vgl. § 14 Nr. 2 GrEStG 1983).
Fundstellen
Haufe-Index 508931 |
BFH/NV 2000, 1499 |