Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Divergenz bei anders gelagertem Sachverhalt; unzutreffende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung als materieller Fehler; Vermietungsabsicht in Restitutionsfällen
Leitsatz (NV)
1. Bei abweichend vom Streitfall lediglich anders gelagerten Sachverhalten (zur Frage der Nichtigkeit von Bescheiden) liegt eine Divergenz nicht vor.
2. Mit der (vermeintlich) unzutreffenden Umsetzung der BFH-Rechtsprechung auf die Besonderheiten des Streitfalls wie auch dem Einwand einer unzureichenden Tatsachen- und Beweiswürdigung wird lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung gerügt, also materiell-rechtliche Fehler, die aber die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.
3. In Restitutionsfällen hat bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids allein der Verfügungsberechtigte - und nicht (auch) der (Restitutions-)Berechtigte - das Eigentum am (Restitutions-)Objekt sowie die Rechtsstellung als Vermieter inne und entsprechenden Einfluss auf das Mietverhältnis; nur er erzielt demnach Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Normenkette
AO § 125 Abs. 1, 5; EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 165, 295
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 19.12.2007; Aktenzeichen 2 K 396/07) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.
1. Es bleibt dahingestellt, ob die an die Grundstückgemeinschaft adressierten Feststellungsbescheide gemäß § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nichtig sind, weil sie sich --so das Finanzgericht (FG)-- an eine nicht existierende Bruchteilsgemeinschaft richten. Entgegen der Ansicht der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) liegt mit Blick auf die vom FG angenommene Nichtigkeit der Bescheide die gerügte Divergenz zu den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. November 1987 VIII B 3/87 (BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183) und vom 7. August 1985 I R 309/82 (BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) nicht vor. Denn abweichend vom Streitfall wird in den BFH-Entscheidungen aufgrund anders gelagerter Sachverhalte die Frage der Nichtigkeit von Bescheiden anhand des Verwaltungshandelns einer unzuständigen Behörde (in BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183) und der Unbestimmtheit wegen einer ihrer Art nach nicht festgesetzten Steuer (in BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) erörtert. Ein Fall des § 125 Abs. 5 AO ist zudem ersichtlich nicht gegeben; denn weder hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine Nichtigkeitsfeststellung nach Ermessen ("kann") getroffen noch haben die Kläger sie beantragt. Mit der ihrer Ansicht nach unzutreffenden Umsetzung des BFH-Urteils vom 24. Mai 1977 IV R 47/76 (BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737) auf die Besonderheiten des Streitfalls rügen die Kläger lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung, also einen materiell-rechtlichen Fehler, womit aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 IX B 34/06, BFH/NV 2007, 715, m.w.N.). Im Übrigen wird das angegriffene FG-Urteil von einer --auch von den Klägern erkannten-- Alternativ-Begründung getragen (dazu folgend unter 2. und 3.).
2. a) Die hinsichtlich des Treuhandverhältnisses und der Vermietungsabsicht als grundsätzliche Bedeutung geltend gemachten Divergenzen erfordern keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO. Denn insoweit gehen die Kläger von einem aus ihrer Sicht nachgewiesenen und damit anderen Sachverhalt aus, während das FG einerseits mit der Restitution des streitbefangenen Grundstücks Frau H als Alleineigentümerin ansah und ein Treuhandverhältnis mit ihr als Treuhänderin nicht anerkannte und andererseits aufgrund der Einzelfall-Umstände, insbesondere der beabsichtigten und später erfolgten Veräußerung, eine auf Dauer angelegte Vermietungsabsicht ab der Restitution des Grundstücks verneinte. Insoweit rügen die Kläger im Kern die unzutreffende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung sowie eine unzureichende Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, rügen also eine fehlerhafte Rechtsanwendung, mithin materiell-rechtliche Fehler, die aber die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2007 IX B 104/07, BFH/ NV 2007, 2144; vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; denn die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem maßgebenden Zeitpunkt für die Vermietungsabsicht in Restitutionsfällen ist durch die BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 66/03, BFHE 209, 87, BStBl II 2005, 480, unter II. c; s.a. Urteile vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II. 2. a, und IX R 50/03, BFHE 209, 83, BStBl II 2005, 456, unter II. 1. a; Beschluss vom 16. Dezember 2005 IX B 157/04, BFH/NV 2006, 727) hinreichend geklärt. Danach hat bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids allein der Verfügungsberechtigte --und nicht (auch) der (Restitutions-)Berechtigte-- das Eigentum am (Restitutions-)Objekt sowie die Rechtsstellung als Vermieter inne und entsprechenden Einfluss auf das Mietverhältnis, nur er erzielt demnach Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Auf dieser Basis war der Streitfall auch mit Blick auf die Vermietungsabsicht des Berechtigten so zu entscheiden, wie es das FG getan hat.
3. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) als (verzichtbarem) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) durch Übergehen von Beweisanträgen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 1998 X B 115/97, BFH/NV 1999, 630; vom 15. September 2006 IX B 209/05, BFH/NV 2007, 80, m.w.N.) oder durch Unterlassen einer Amtsermittlung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43; vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74) ist nicht gegeben. Zwar haben die Kläger die Beweise und Beweisangebote hinreichend bezeichnet; jedoch haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich des Sitzungsprotokolls (zu dessen Beweiskraft s. § 94 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) entsprechende Anträge nicht gestellt, also rügelos zur Sache verhandelt und damit durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge ihr Rügerecht verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO; vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2002 IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326; in BFH/NV 2007, 80, unter 3. b). Zudem ist nicht dargetan, warum dies nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem FG geltend gemacht wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 2007 IX B 234/06, BFH/NV 2007, 1179). Im Übrigen musste sich dem FG angesichts dessen maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkts (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 13/04, BFH/NV 2005, 1065) eine weitere Sachaufklärung durch Beweiserhebung oder Aktenbeiziehung auch nicht aufdrängen.
Gleiches gilt für die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat; insbesondere ist das FG nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen oder gar der Ansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. März 2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2023444 |
BFH/NV 2008, 1490 |