Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung der mündlichen Verhandlung bei Verspätung des Bevollmächtigten
Leitsatz (NV)
Hat ein Beteiligter die Möglichkeit einer Verspätung nicht angekündigt, übt der Vorsitzende das ihm zustehende Ermessen nicht dadurch fehlerhaft aus, daß er mit dem Beginn der mündlichen Verhandlung nur zehn Minuten zuwartet.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 92 Abs. 1
Tatbestand
Die Kläger hatten auch im finanzgerichtlichen Verfahren die Steuererklärungen für die Streitjahre nicht abgegeben. Dies wollte der Prozeßbevollmächtigte im Termin zur mündlichen Verhandlung nachholen. Zu dieser war auf 12.40 Uhr geladen worden. Ausweislich des Sitzungsprotokolls begann die Sitzung um 12.50 Uhr; die Sitzung war nach Urteilsverkündung um 12.53 Uhr geschlossen. Der Prozeßbevollmächtigte legt dar, er habe um 12.30 Uhr eine absehbare geringfügige Verspätung dem Gericht telefonisch mitteilen wollen; aber weder die Zentrale noch die Geschäftsstelle des Gerichts hätten den Anruf entgegengenommen. Daraufhin sei er mit dem Fahrrad zum Gericht gefahren. Wegen Gegenwinds sei er erst um 12.52 Uhr im Gerichtssaal eingetroffen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Dem Recht der Parteien auf Anhörung wird dadurch genügt, daß eine mündliche Verhandlung stattfindet, zu der die Beteiligten ordnungsgemäß geladen werden, die mündliche Verhandlung zu dem anberaumten Termin eröffnet wird und den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung gegeben wird. Erscheint ein Beteiligter nicht pünktlich, so liegt es grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden, ob er die mündliche Verhandlung eröffnet oder gleichwohl noch eine gewisse Zeit wartet. Hat ein Beteiligter sein Erscheinen oder die Möglichkeit einer geringfügigen Verspätung ausdrücklich angekündigt, so wird er im allgemeinen damit rechnen können, daß eine gewisse Zeit gewartet wird und die Verhandlung z.B. nicht bereits nach zehn Minuten nach dem anberaumten Termin eröffnet wird; geschieht dies dennoch, kann darin eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegen (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 25. September 1990 IX R 207/87, BFH/NV 1991, 397, m.w.N., und vom 30. Januar 1986 IV R 22/84, BFH/NV 1987, 649).
Es ist nicht erkennbar, daß der Vorsitzende das ihm zustehende Ermessen rechtsfehlerhaft dadurch ausübte, daß er mit dem Beginn der Verhandlung (nur) zehn Minuten zuwartete. Der Umstand, daß der Prozeßbevollmächtigte kurzfristig - zehn Minuten vor dem Termin - die Telefonzentrale oder die Geschäftsstelle nicht telefonisch erreichen konnte, ist ihm selbst anzulasten. Wenn er mit der Ankündigung einer Verspätung bis zum allerletzten Moment wartete, mußte er das hieraus resultierende Übermittlungsrisiko selbst tragen.
Die Gesamtdauer von mündlicher Verhandlung, Beratung und Urteilsverkündung (drei Minuten) ist bei Ausgangsverfahren der vorliegenden Art verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 423156 |
BFH/NV 1993, 46 |