Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzungsrüge - Begründungsmangel
Leitsatz (NV)
1. Zur Zulässigkeit der Besetzungsrüge (hier: wegen Nichtmitwirkung der ehrenamtlichen Richter bei der Urteilsfindung).
2. Ein Begründungsmangel liegt nicht vor, wenn das Urteil zwar mehr als zwei Wochen, jedoch weniger als fünf Monate verspätet der Geschäftsstelle übergeben wird.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nrn. 1, 5, §§ 103, 104 Abs. 2, § 105 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies nach mündlicher Verhandlung am 10. Juni ... die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) ab. Bei Beendigung der mündlichen Verhandlung wurde der Beschluß verkündet, daß eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt werde. Das Urteil wurde - vollständig abgefaßt und von den drei Berufsrichtern unterschrieben - der Geschäftsstelle am 26. August... übergeben.
Die Revision des Klägers rügt, daß das FG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen und das Urteil nicht von den Richtern gesprochen worden sei, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten. Hierzu trägt der Kläger vor, nach Aktenlage sei davon auszugehen, daß am 10. Juni ... noch keine Entscheidung vorgelegen habe, jedenfalls eine solche Entscheidung nicht verkündet und auch nicht aktenkundig gemacht worden sei. Aufgrund des Akteninhalts stehe fest, daß erst nach mehr als elf Wochen das Urteil durch Übergabe an die Geschäftsstelle verkündet worden sei. Nach Aktenlage stehe auch fest, daß an der Entscheidung allenfalls die Richter mitgewirkt hätten, die das Urteil unterzeichnet hätten, nicht dagegen die ehrenamtlichen Richter. Daß diese bei der Abstimmung der Entscheidung, d.h. bei der Urteilsfällung, anwesend gewesen seien, sei weder dem vom Vorsitzenden erst am 11. Juni ... gezeichneten Protokoll noch der Akte zu entnehmen. Jedenfalls am 10. Juni... sei der Urteilstenor offensichtlich nicht schriftlich fixiert gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, weil sie weder zugelassen ist - der Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Beschluß vom heutigen Tage verworfen - noch zulassungsfrei gemäß § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft ist.
Mit der Rüge, die ehrenamtlichen Richter hätten bei der Urteilsfindung nicht mitgewirkt, macht der Kläger geltend, daß das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 116 Abs. 1 Nr. 1, § 103 FGO; vgl. Gräber/von Groll, FGO, 2. Aufl. 1987, § 103 Anm. 6; Senatsbeschluß vom 26. März 1991 VII R 72/90, BFH/NV 1992, 115). Diese Rüge ist nicht schlüssig erhoben. Das Revisionsvorbringen (unter Berücksichtigung des Akteninhalts) enthält keine Behauptung, die die Besetzungsrüge belegen könnte. Daß die ehrenamtlichen Richter bei der (vom Erlaß des Urteils zu unterscheidenden) Urteilsfindung nicht beteiligt gewesen seien, läßt sich weder aus der erst am 26. August ... erfolgten Übergabe des Urteils noch daraus schließen, daß dieses nur von den Berufsrichtern unterzeichnet worden ist (vgl. insoweit § 105 Abs. 1 Satz 4 FGO). Die Urteilsfindung als solche und die Mitwirkung der an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter an der Urteilsfindung war weder in das Protokoll (§ 94 FGO, § 160 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) noch sonst schriftlich aufzunehmen. Die bei Beendigung der mündlichen Verhandlung getroffene Entscheidung - Zustellung an Verkündungs Statt (§ 104 Abs. 2 FGO) - ist protokolliert worden (§ 160 Abs. 3 Nr. 6, 7 ZPO).
Soweit die Revision im Hinblick auf die späte Übergabe des Urteils beanstanden sollte, dieses sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), wäre auch diese Rüge nicht schlüssig erhoben. Das gilt unbeschadet des hier feststehenden Verstoßes gegen § 104 Abs. 2 FGO (2-Wochen-Frist). In ihm liegt jedenfalls kein Verfahrensmangel, der als solcher die zulassungsfreie Revision eröffnet (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. März 1990 X R 52/88, BFH/NV 1991, 49). Die hier gegebene Verspätung führt noch nicht dazu, die Vorentscheidung als nicht mit Gründen versehen zu werten. Das wäre - erst - bei einer Verspätung um fünf Monate anzunehmen (vgl. für die Fälle der Verkündung im Verwaltungsstreitverfahren den Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92, NJW 1993, 2603). Eine solche liegt hier aber noch nicht vor, wobei es gleichgültig bleibt, ob hinsichtlich des Zeitraums an den Tag der Beratung oder an den Tag angeknüpft wird, an dem das Urteil der Geschäftsstelle spätestens zu übergeben war (hierzu Senatsurteil vom 10. November 1987 VII R 47/87, BFHE 151, 328, 330, BStBl II 1988, 283).
Fundstellen
Haufe-Index 419414 |
BFH/NV 1994, 252 |