Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Bevollmächtigten
Leitsatz (NV)
- Ein Steuerberater, dessen Bestellung bestandskräftig widerrufen worden ist, ist nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt und ist daher als Prozessbevollmächtigter zurückzuweisen.
- Ein Belastingadviseur bzw. Belastingconsulent, der in den Niederlanden bzw. Belgien ein Büro hat, aber in Deutschland dauerhaft ansässig ist, ist in Deutschland nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt und darf deshalb nicht im finanzgerichtlichen Verfahren als Prozessbevollmächtigter tätig werden.
Normenkette
EG Art. 43, 49-50; FGO § 62 Abs. 2 S. 2, §§ 62a, 134; ZPO § 580 Nr. 5; StBerG § 3 Nrn. 1, 4, § 46 Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer zu 1. (Kläger) haben den Beschwerdeführer zu 2. (Beschwerdeführer) mit ihrer Vertretung vor dem Finanzgericht (FG) bevollmächtigt. Das FG hat den Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Beschluss als Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen, weil ihm mit dem wirksamen Widerruf seiner Bestellung als Steuerberater die Zulassung zur Steuerberatung entzogen worden und er daher nicht mehr befugt sei, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten.
Gegen diesen Beschluss wenden sich die Kläger und der Beschwerdeführer mit ihren Beschwerden. Auf deren Schriftsatz vom 6. Juni 2003 zur Begründung der Beschwerden wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden gegen den Beschluss des FG sind unbegründet. Das FG hat den Beschwerdeführer mit Recht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Bevollmächtigten zurückgewiesen, weil er nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) nicht zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt war (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. September 1999 XI R 31/98, BFH/NV 2000, 326, 327).
In der Sache schließt sich der erkennende Senat den rechtlichen Ausführungen des VII. Senats des BFH im Beschluss vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02 (BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422), der ebenfalls den Beschwerdeführer betrifft, an.
1. a) Der Beschwerdeführer war nicht nach § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, weil seine Bestellung als Steuerberater zum maßgebenden Zeitpunkt durch Bescheid des Finanzministeriums bestandskräftig widerrufen worden war. Der Widerrufbescheid ist durch rechtskräftiges Urteil des FG bestätigt worden. Die gegen das Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH durch Beschluss vom 1. August 2002 VII B 35/02 (BFH/NV 2002, 1499) zurückgewiesen.
b) Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ändert das vom Beschwerdeführer angestrengte Wiederaufnahmeverfahren gegen den Beschluss in BFH/NV 2002, 1499 (§ 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) nichts an der Rechtskraft dieses Beschlusses und damit an der Bestandskraft des Widerrufbescheides. Auch wenn einer Wiederaufnahmeklage ein rechtsmittelähnlicher Charakter zukommt, ist sie doch kein ordentliches Rechtsmittel, das den Eintritt der Rechtskraft des BFH-Beschlusses suspendiert (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 134 FGO Rz. 5, m.w.N.). Solange das Wiederaufnahmeverfahren keinen Erfolg hat, bleibt es bei der Rechtskraft des BFH-Beschlusses in BFH/NV 2002, 1499 und somit auch der Bestandskraft des Widerrufbescheides (vgl. BFH-Urteil vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119).
c) Der gegen den Beschluss des BFH in BFH/NV 2002, 1499 eingelegten Verfassungsbeschwerde kommt als außerordentlichem Rechtsbehelf ebenfalls keine rechtskrafthemmende Wirkung zu (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 18. Januar 1996 1 BvR 2116/94, BVerfGE 93, 381, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1996, 1736). Zudem ist die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden (Beschluss des BVerfG vom 4. Dezember 2002 1 BvR 2046/02).
2. Der Beschwerdeführer ist auch nicht nach § 3 Nr. 4 StBerG befugt, den Klägern in ihrem Steuerverfahren Hilfe zu leisten. Nach den Sätzen 1 und 2 dieser Vorschrift sind Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Deutschland beruflich niedergelassen sind und dort befugt geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaates leisten, zur Hilfeleistung in Steuersachen auch im Inland befugt, soweit sie damit eine Dienstleistung nach Art. 50 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza (EG) vom 26. Februar 2001 (konsolidierte Fassung: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― 2002 Nr. C 325/1) erbringen. Sie dürfen dabei nur unter der Berufsbezeichnung in den Amtssprachen des Niederlassungsstaates tätig werden, unter der sie ihre Dienste im Niederlassungsstaat anbieten. Die Voraussetzungen erfüllt der Beschwerdeführer im Streitfall nicht.
Selbst wenn der Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit § 3 Nr. 4 Satz 2 StBerG als Belastingadviseur oder Belastingconsulent ―was allerdings nach Aktenlage nicht zweifelsfrei ist― aufgetreten wäre, dürfte er den Klägern keine Hilfe in ihrem Steuerverfahren leisten, weil es sich hierbei nicht um eine grenzüberschreitende, vorübergehende Dienstleistung handelt.
Nach § 3 Nr. 4 StBerG ist nur die grenzüberschreitende Hilfeleistung in Steuersachen, d.h. die Hilfeleistung durch einen in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Empfängers ansässigen Dienstleister gestattet. Diese Auslegung ergibt sich aus der Bezugnahme in dieser Vorschrift auf Art. 50 EG und aus Art. 49 EG (vgl. ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―, Urteil vom 16. Januar 1997 Rs. C-134/95, EuGHE 1997, I-195, 210 Rz. 19, m.w.N.). Denn nach Art. 49 EG sind nur solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige von Mitgliedstaaten verboten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Dienstleistungen i.S. des Art. 50 EG sind zeitlich beschränkte Leistungen, die ohne dauerhafte Niederlassung (nach Art. 50 Abs. 3 EG: "vorübergehend") in dem betreffenden Mitgliedstaat erbracht werden (vgl. Urteil des EuGH vom 4. Dezember 1986 Rs. 205/84, EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 21; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 80 AO 1977 Rz. 75 b). Sind Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger in demselben Mitgliedstaat ansässig, liegt keine grenzüberschreitende Dienstleistung i.S. der Art. 49, 50 EG vor (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 80 AO 1977 Rz. 314). Der Dienstleister ist als Angehöriger eines anderen Mitgliedstaats in diesem Fall nicht durch die Dienstleistungsfreiheit, sondern nach den Regeln der Niederlassungsfreiheit geschützt und muss die Anforderungen an die Bestellung als Steuerberater im Mitgliedstaat seiner Niederlassung erfüllen (vgl. EuGH in EuGHE 1986, 3755, 3801 Rdnr. 22; Metzner, Anmerkung zu Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 5. Oktober 2000 6 U 97/98, Die Steuerberatung 2001, 177; Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 3 StBerG, B 61.2); Erleichterungen bestehen insoweit nur nach § 37a Abs. 2 StBerG.
Im Streitfall bestehen keine Zweifel, dass sowohl die Kläger als auch der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum in Deutschland ansässig waren und die Dienstleistung (Prozessführung) ebenfalls hier erbracht worden ist. Sofern der Beschwerdeführer außerdem möglicherweise in den Niederlanden und Belgien ein Büro unterhält, ist dies in diesem Zusammenhang schon deswegen unbeachtlich, weil sich daraus keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer statt in Deutschland in den Niederlanden oder Belgien niedergelassen sein könnte und in Deutschland nur vorübergehend i.S. des Art. 50 Abs. 3 EG geschäftsmäßig Dienstleistungen erbringt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).
3. Der Senat sieht in der unterschiedlichen Behandlung von "niedergelassenen europäischen Rechtsanwälten" und "europäischen niedergelassenen Steuerberatern" durch § 3 Nr. 1 StBerG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine dem EG-Vertrag widersprechende diskriminierende Behandlung der europäischen Steuerberater gegenüber den europäischen Rechtsanwälten. Dem EG-Vertrag ist keine Vorschrift zu entnehmen, die insoweit eine Gleichbehandlung vorschreibt (vgl. dazu die Begründung im BFH-Beschluss in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422). Davon abgesehen verlangt die durch EG-Vertrag geschützte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG) nur, dass die ―diese regelnden― Bestimmungen des einzelnen Mitgliedstaats in nicht diskriminierender Weise angewendet werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Jürgen Bröhmer in Calliess/Ruffert, Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., Art. 43 EG-Vertrag Rz. 27, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH). Diese Grundsätze werden durch die Vorschriften des StBerG eingehalten. Die Bestimmungen des StBerG gelten, von den in § 37a Abs. 2 StBerG für Personen mit Auslandsdiplomen vorgesehenen Erleichterungen abgesehen, einheitlich für alle Personen, die im Inland ständig steuerberatend tätig werden wollen. Das BVerfG hat in seinen Beschlüssen vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62 (BVerfGE 21, 173, 179) und vom 27. Januar 1982 1 BvR 807/80 (BStBl II 1982, 281, 286) ausgeführt, dass die Regelungen des StBerG über die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen im Allgemeininteresse geboten seien. An dieser Einschätzung dürfte sich im Hinblick auf das zunehmend komplizierter gewordene deutsche Steuerrecht nichts geändert haben (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VII R 107/93, BFHE 175, 192, BStBl II 1994, 875).
In Anbetracht vorstehender Überlegungen hält der Senat die in Art. 43 ff. EG gewährleistete Niederlassungsfreiheit und die durch Art. 49 ff. EG gewährleistete Dienstleistungsfreiheit nicht für unzulässig beeinträchtigt. Insoweit bestehen auch nach dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 17. September 2003 keine Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Vorschriften des EG-Vertrages (Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG), so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 Abs. 3 EG entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht geboten ist.
Der weiteren Behauptung des Beschwerdeführers, § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG verstoße gegen die europarechtlichen Grundsätze des Gleichbehandlungsgebotes bzw. des Diskriminierungsverbotes, weil seine Berufsfreiheit anders als in den anderen Mitgliedstaaten von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig gemacht werde, kommt im vorliegenden Beschwerdeverfahren keine Bedeutung bei. Über den Widerruf der Bestellung des Beschwerdeführers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls ist in einem eigenständigen Verfahren ―wie ausgeführt― rechtskräftig entschieden worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das finanzgerichtliche Urteil, durch das der Widerruf bestätigt wurde, hatte keinen Erfolg. Der VII. Senat des BFH hat in dem Beschluss in BFH/NV 2002, 1499 u.a. unter Bezugnahme auf die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH ausgeführt, dass Fragen sog. Inländerdiskriminierung keine Angelegenheit des Gemeinschaftsrechts, sondern allein des nationalen Rechts sind.
Fundstellen
Haufe-Index 1053844 |
AO-StB 2003, 400 |