Leitsatz (amtlich)
Zur rechtlichen Bedeutung von Beschlüssen, mit denen mehrere Verfahren zu "gemeinsamer Verhandlung" verbunden werden.
Normenkette
FGO § 73 Abs. 1 S. 1; ZPO § 147
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 28. September 1978 (Az. III 259/77) die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), mit der er den Erlaß bzw. die Erstattung von Eingangsabgaben im Betrage von 5 773,70 DM geltend gemacht hatte, als unbegründet ab. In der mündlichen Verhandlung vom 28. September 1978 hatte das FG die Streitsache III 259/77 mit den andere Beteiligte betreffenden Streitsachen III 260/77 (Klägerin G) und III 258/77 (Kläger RB) durch Beschluß zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden. Nachdem die mündliche Verhandlung geschlossen war, verkündete der Vorsitzende in allen drei Streitsachen getrennte, klagabweisende Urteile.
Gegen das am 2. November 1978 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. November 1978 Revision eingelegt. Nachdem die Geschäftsstelle des Senats dem Kläger anheim gestellt hatte, darzutun, daß die Streitwertgrenze von 10 000 DM überschritten sei, hat er beantragt, das vorliegende Revisionsverfahren mit den Revisionsverfahren VII R 90/78 (Kläger RB) und VII R 91/78 (Kläger G) zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. (Im Revisionsverfahren VII R 90/78 beträgt der Streitwert mehr als 10 000 DM.) Der Kläger hat ferner darauf hingewiesen, daß das FG die in der mündlichen Verhandlung verbundenen Verfahren nicht ausdrücklich wieder getrennt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 1 FGO als unzulässig zu verwerfen. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) findet die Revision ohne Zulassung abweichend von § 115 Abs. 1 FGO nur statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt. Ein Ausnahmefall des Satzes 2 dieser Vorschrift liegt nicht vor. Im Streitfalle beträgt der Wert des Streitgegenstandes 5 773,70 DM. Die vom Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluß VII B 8/79 vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.
Die Zulässigkeit der Revision ergibt sich auch nicht daraus, daß das FG die später von den Beteiligten mit der Revision angefochtenen Streitsachen III 258/77, III 259/77 und III 260/77 zu gemeinsamer Verhandlung verbunden hat und daß der Streitwert aller Sachen 10 000 DM übersteigt. Das FG hat die drei Streitsachen nicht zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO), sondern nur zu gemeinsamer Verhandlung. Das wirft die Frage nach der Bedeutung eines solchen Verbindungsbeschlusses auf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu dieser Frage mit Urteil vom 30. Oktober 1956 I ZR 82/55, Neue Juristische Wochenschrift 1957 S. 183 (NJW 1957, 183) folgende Entscheidung getroffen:
" Ob ein Beschluß, durch den mehrere Sachen zum Zwecke der 'gemeinsamen Verhandlung' miteinander verbunden werden, zu einer echten Prozeßverbindung i. S. des § 147 ZPO führen soll mit der Wirkung, daß auch eine gemeinschaftliche Entscheidung zu erlassen ist, oder ob es sich nur um eine 'zur tatsächlichen Vereinfachung dienliche vorübergehende Maßnahme' handeln soll, ist eine vom Revisionsgericht nachprüfbare Auslegungsfrage." In den Gründen hat der BGH ausgeführt, mit der Anordnung der Verbindung verschiedener Prozesse zur gemeinschaftlichen Verhandlung werde in der Regel eine echte Prozeßverbindung mit der Wirkung gemeinschaftlicher Beweisaufnahme und gemeinschaftlicher Entscheidung gemeint sein, die Verbindung könne aber auch die Bedeutung einer nur zur tatsächlichen Vereinfachung dienenden vorübergehenden Maßnahme haben. Es seien zumindest auch Fälle denkbar, in denen nach dem für die Parteien erkennbaren Willen des Gerichts kein Zweifel darüber bestehen könne, daß eine Verbindung nur zu gleichzeitiger Verhandlung nicht die weitergehenden Wirkungen einer echten Prozeßverbindung haben solle. Es entspreche einer als zweckmäßig erkannten rechtlichen Übung, Prozesse, sofern es sich um gleiche oder ähnliche Sachverhalte und Rechtsfragen handle, nach Möglichkeit auf die gleiche Zeit zu terminieren. Ausführungen, die vor Gericht zunächst in einer Sache gemacht werden, brauchten dann in der anderen Sache nicht mehr besonders mündlich wiederholt zu werden. Einem solchen "vereinfachten" Verfahren in der mündlichen Verhandlung verschiedener Sachen entspreche bei der schriftlichen Vorbereitung die Übung, auf Schriftsätze Bezug zu nehmen, die im anderen, gleichliegenden Fall eingereicht worden seien. Werde in solchen Streitfällen gleichzeitig und in einheitlichem Zusammenhang verhandelt, so stelle das keine "eigentliche" prozeßmäßige Verbindung i. S. des § 147 der Zivilprozeßordnung (ZPO) dar, sondern vereinfache nur rein tatsächlich die Durchführung der Verhandlung.
Der Senat hält diese Ausführung des BGH, auf die Bezug genommen wird und die in gleicher Weise auch bei der Anwendung und Auslegung des § 73 Abs. 1 FGO Geltung beanspruchen, für überzeugend und schließt sich ihnen an. Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß der vom FG erlassene Beschluß, die Streitsachen zu gemeinsamer Verhandlung zu verbinden, nicht zu einer echten Verbindung i. S. des § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO geführt hat. In allen drei Streitsachen des FG ging es, abgesehen von den unterschiedlichen Steuerbeträgen, um den gleichen Sachverhalt. Alle drei Beteiligten hatten denselben Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten bestellt. Dieser hat in allen drei Streitsachen die gleichen Anträge gestellt und im Wortlaut völlig übereinstimmende Schriftsätze eingereicht. In allen drei Streitsachen hatte das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf Donnerstag, den 28. September 1978, 9.00 Uhr bestimmt. In der mündlichen Verhandlung waren die Beteiligten in allen drei Streitsachen durch denselben Bevollmächtigten vertreten. Der in der mündlichen Verhandlung verkündete Beschluß, die zur gleichen Zeit angesetzten Streitsachen zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung zu verbinden, stellte danach nur eine vorübergehende Maßnahme zur tatsächlichen Vereinfachung der Durchführung der mündlichen Verhandlungen dar. Den Beteiligten sollte dadurch erspart werden, in allen drei Streitsachen dieselben Ausführungen zu machen.
Dem weiter vom Kläger gestellten Antrag, die Streitsache mit dem Revisionsverfahren VII R 90/78 und VII R 91/78 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden, kann nicht entsprochen werden. Die Verbindung mehrerer Verfahren in der Revisionsinstanz setzt voraus, daß in jedem dieser Verfahren die Revision zulässig ist (vgl. BGH-Urteil vom 18. Januar 1977 VI ZR 82/76, NJW 1977, 1152, und Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977 S. 514 - HFR 1977, 514 -). An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfalle.
Fundstellen
Haufe-Index 73284 |
BStBl II 1980, 105 |
BFHE 1980, 111 |