Entscheidungsstichwort (Thema)
Instanzielle Zuständigkeit für einstweilige Anordnungen
Leitsatz (NV)
Für auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerichtete Vollstreckungsschutzanträge beim BFH gilt zwar der Vertretungszwang nicht; für solche Anträge ist der BFH aber stets instanziell unzuständig. Er verweist den Antrag an das zuständige FG als das Gericht der Hauptsache. Dieses legt im Rahmen seiner Kostenentscheidung die durch die Anrufung des BFH entstandenen Mehrkosten dem Antragsteller auf.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 70 S. 1, § 114 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; GVG § 17a Abs. 2 S. 1, § 17b Abs. 2; ZPO § 920 Abs. 3
Tatbestand
Der Antragsteller ist mit seiner Klage gegen den Steuerbescheid des Antragsgegners (Finanzamt) wegen Einkommensteuer vor dem Finanzgericht (FG) unterlegen. Hiergegen ist ein Revisionsverfahren des durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Antragstellers beim Bundesfinanzhof (BFH) mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe anhängig. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids ist vom BFH abgelehnt worden (Beschluß vom 4. März 1998 XI S 1/98).
Mit Schriftsatz vom 29. September 1998 hat der Antragsteller -- jetzt nicht vertreten -- u. a. beantragt, ihm vorläufigen Vollziehungs- und Vollstreckungsschutz zu gewähren. Hinsichtlich des Vollziehungsschutzes und weiterer vom Antragsteller gestellter Anträge ist die Sache beim zuständigen XI. Senat des BFH in Bearbeitung. Für die Entscheidung über den Vollstreckungsschutzantrag hat der XI. Senat die Sache an den für Vollstreckungssachen zuständigen VII. Senat abgegeben.
Entscheidungsgründe
Der BFH ist für den Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz durch Erlaß einer einstweiligen Anordnung instanziell unzuständig. Der Rechtsstreit wird daher insoweit von Amts wegen an das FG als das Gericht der Hauptsache verwiesen.
1. Der Senat geht davon aus, daß der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs geregelte Vertretungszwang vor dem BFH nicht für einen Vollstreckungsschutzantrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach §114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gilt, weil ein solcher Antrag gemäß §114 Abs. 3 FGO i. V. m. §920 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung auch bei der Geschäftsstelle des Gerichts zu Protokoll erklärt werden könnte (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §62 Rz. 87; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., §62 FGO Rz. 2). Aus diesem Grund ist der Antrag des Antragstellers als wirksam gestellt anzusehen.
2. Der BFH darf über einen Vollstreckungsschutzantrag, mit dem der Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, jedoch nicht entscheiden, weil hierfür nach §114 Abs. 2 Satz 1 FGO das Gericht der Hauptsache zuständig ist. Dies ist nach Satz 2 dieser Vorschrift stets das Gericht des ersten Rechtszuges, also das FG. Die Möglichkeit wirksamer Antragstellung beim BFH durch einen nicht vertretenen Beteiligten (1.) hat damit nicht zur Folge, daß sich der BFH sachlich mit dem Antrag befassen müßte. Einzige Folge ist, daß der BFH in entsprechender Anwendung des §70 Satz 1 FGO i. V. m. §17 a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufgerufen ist, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht der Hauptsache zu verweisen, damit die instanzielle Zuständigkeit eingehalten wird (BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1994 VIII K 1/94, BFH/NV 1995, 800, m. w. N.). Im Streitfall geht der Rechtsstreit daher an das FG. Dieses wird entsprechend §17 b Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. §70 FGO auch über die durch Anrufung des BFH entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1994 VIII S 4/94, BFH/NV 1995, 800, 801, a. E.).
Fundstellen
Haufe-Index 154167 |
BFH/NV 1999, 654 |