Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Badezimmers als außergewöhnliche Belastung; Darlegensanforderungen bei der Rüge eines Verfassungsverstoßes
Leitsatz (NV)
1. Da ein behindertengerecht umgebautes Badezimmer nicht nur vom Behinderten selbst, sondern auch von Familienangehörigen oder anderen Personen genutzt werden kann, sind die Aufwendungen für den Umbau wegen des dafür erlangten Gegenwertes nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Nur soweit bei dem Umbau neue oder neuwertige Gegenstände ersetzt werden müssen, können die Kosten hierfür als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein.
2. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt, das FG-Urteil verstoße gegen Grundrechte, ist die rechtliche Fragestellung anhand der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG im Einzelnen darzustellen. Nur allgemein gehaltene Ausführungen genügen nicht, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun.
Normenkette
EStG § 33; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 23.05.2006; Aktenzeichen 8 K 10457/04) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben zwei in den Jahren 1990 und 1994 geborene Kinder, die beide einen Grad der Behinderung von 100 % aufweisen.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2003 machten die Kläger Aufwendungen in Höhe von insgesamt 9 972,05 € für den behindertengerechten Umbau des Badezimmers ihres im Jahr 1989 ausgebauten Einfamilienhauses als außergewöhnliche Belastung geltend. Infolge der Umbaumaßnahmen vergrößerte sich das komplett neugestaltete Badezimmer von 7,15 m² auf 10,98 m². Die Kläger ließen in ihr Badezimmer eine mit Rollstuhl befahrbare Waschanlage, eine rollstuhlgerechte Wandtiefspülklosettanlage, eine mit dem Rollstuhl befahrbare Duschkabine, eine Brausenwannenanlage sowie neue Badausstattungen --u.a. eine Eckbadewanne-- einbauen. Die Pflegekasse der AOK erstattete den Klägern im Jahr 2004 für die behindertengerechten Badeinbauten 2 345,52 €.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ die Aufwendungen nicht zum Abzug zu. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger weiterhin die Anerkennung von Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Badezimmers in Höhe von 7 626,53 € (9 972,05 € abzüglich 2 345,54 € Erstattung) als außergewöhnliche Belastung begehrten, ab.
In den Entscheidungsgründen seines Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung komme nicht in Betracht, weil die Kläger durch die Umbaumaßnahmen einen auch für andere Bewohner nutzbaren Gegenwert erhalten hätten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich das FG anschließe, seien derartige Mehraufwendungen auch nicht zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil nicht eindeutig und anhand objektiver Merkmale zwischen den steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Motiven für die Gestaltung der Räumlichkeiten und den als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden ausschließlich behinderungsbedingten Aufwendungen unterschieden werden könne. Eine Ausnahme hiervon solle nur dann gelten, wenn der Steuerpflichtige infolge einer Erkrankung gezwungen sei, "noch neue Gegenstände" auszuwechseln (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 7/04, BFH/NV 2006, 36, m.w.N.). Letzteres sei aber angesichts des Umstandes, dass das Badezimmer der Kläger im Jahr 2003 bereits 14 Jahre alt gewesen sei, nicht gegeben.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger in erster Linie auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das FG-Urteil weiche von der Entscheidung des BFH vom 4. März 1983 VI R 189/79 (BFHE 138, 73, BStBl II 1983, 378) ab. In diesem Urteil habe der BFH hervorgehoben, dass die Gegenwertlehre grundsätzlich nur dann von Bedeutung sei, wenn der betreffende Gegenstand nicht nur für den Steuerpflichtigen, sondern auch für andere Personen von Wert sein könne und damit eine gewisse Marktfähigkeit besitze, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck komme. Aufgrund der konkreten behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen, die ausschließlich den Bedürfnissen der schwerstbehinderten Kinder der Kläger dienten, hätte das FG erkennen müssen, dass die eingebauten Gegenstände nur für die schwerstbehinderten Kinder der Kläger "von Wert" seien und darüber hinaus keine "gewisse Marktfähigkeit" besäßen, die "in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck" gekommen sei.
Das FG hätte insbesondere auch unter Berücksichtigung des in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gleichheitssatzes sowie des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG der Klage stattgeben müssen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Die von den Klägern behauptete Divergenz nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO liegt nicht vor.
Das Urteil des FG weicht nicht von der Entscheidung des BFH in BFHE 138, 73, BStBl II 1983, 378 ab, sondern steht vielmehr im Einklang mit den darin vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätzen.
Wie auch die Kläger selbst bereits in ihrer Beschwerdeschrift zitieren, ist die Gegenwertlehre hiernach grundsätzlich nur dann von Bedeutung, wenn der betreffende Gegenstand oder die bestellte Leistung nach dem Erhalt durch den Steuerpflichtigen nicht nur für diesen, sondern auch für andere Personen von Wert sein kann und damit eine gewisse Marktfähigkeit besitzt, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt. Danach habe etwa die für die besonderen Bedürfnisse eines Schwerbeschädigten gefertigte Prothese in der Regel nur für diesen einen Wert. Im Streitfall handelt es sich unter Anwendung dieser Entscheidung bei den in das Badezimmer eingebauten Wasch- und Toilettenvorrichtungen aber nicht um Gegenstände, die mit einer nur für den einzelnen Kranken nutzbringenden Prothese vergleichbar sind. Vielmehr kann das Badezimmer nach der Umgestaltung nicht nur von den behinderten Kindern des Klägers, sondern von der gesamten Familie wie auch von dritten Personen dauerhaft mitbenutzt werden. Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich fortentwickelten Rechtsprechung des BFH zur Anwendung der Gegenwertlehre bei behinderungsbedingten Einbauten hat das FG die Annahme eines Gegenwerts zutreffend bejaht (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2006, 36, m.w.N.).
2. Soweit die Kläger vortragen, das FG-Urteil sei wegen Verstoßes gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot und das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG enthaltene Benachteilungsverbot von Behinderten verfassungswidrig, ist die Revision auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Vielmehr ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht.
Wird die Beschwerde auf einen Verstoß gegen das Grundgesetz gestützt, ist die rechtliche Fragestellung anhand der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Einzelnen darzustellen. Nur allgemein gehaltene Ausführungen --wie im Streitfall-- genügen insoweit nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Februar 2002 XI B 39/01, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1703549 |
BFH/NV 2007, 891 |
StuB 2007, 486 |