Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnschätzungen bei Gaststätten; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Verfahrensmängel
Leitsatz (NV)
- FA und FG sind nicht gehindert, bei Gaststätten die Kosten für Eigenverbrauch und Personalverköstigung abweichend von den allgemeinen Pauschalen der OFD zu schätzen, wenn sie die betriebliche Struktur für nicht vergleichbar halten.
- Ein Sachverständigengutachten über die Höhe des Schankverlustes ist jedenfalls dann nicht einzuholen, wenn das FG die Schätzung des FA im Ergebnis auch dann für zutreffend hält, wenn es den vom Kläger behaupteten Schankverlust als wahr unterstellt.
- Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine überraschende Urteilsbegründung liegt nicht vor, wenn das FG die Richtigkeit der Schätzung des FA im Ergebnis dadurch bestätigt, dass es die Besteuerungsgrundlagen, soweit es sie nicht ermitteln kann, selbst schätzt, ohne dies vorher anzukündigen; die Verpflichtung des FG zur Schätzung ergibt sich aus dem Gesetz.
- Zu einer schlüssigen Aufklärungsrüge gehört die Darlegung, warum der Beteiligte nicht von sich aus Beweisanträge gestellt hat oder warum sich die unterlassene Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen.
- Bloße Einwände gegen die Richtigkeit der Schätzung reichen für die Revisionszulassung "zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" nicht aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 05.06.2003; Aktenzeichen 8 K 5542/01 E, G, U) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Eine die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertigende Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist nicht gegeben.
a) Der Vortrag der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), das Finanzgericht (FG) habe die Feststellungen aus dem Strafurteil übernommen, ohne sich mit ihren substantiierten Einwänden gegen dieses Urteil auseinander zu setzen, und sei daher vom BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93 (BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198) und vom BFH-Beschluss vom 29. Januar 1999 V B 112/97 (BFH/NV 1999, 1103) abgewichen, trifft nicht zu. Vielmehr ist das FG auf die Einwände der Klägerin eingegangen und hat ausführlich dargelegt, weshalb es diese für nicht stichhaltig hält. So führt es insbesondere aus, weshalb es dem Ansatz der Klägerin hinsichtlich des Wareneinsatzes, des Eigenverbrauchs und der Personalverköstigung nicht folgt.
b) Auch eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 15. November 1991 III R 30/88 (BFHE 166, 159, BStBl II 1992, 179), vom 8. August 1986 VI R 195/82 (BFHE 147, 247, BStBl II 1986, 824) und vom 23. Februar 1968 VI R 260/67 (BFHE 91, 535, BStBl II 1968, 408) liegt nicht vor. Die Klägerin ist der Auffassung, das FG hätte bei der Berechnung des Eigenverbrauchs und der Personalverköstigung auf die von der Oberfinanzdirektion herausgegebenen Pauschalen für Gaststätten mit kalten Speisen zurückgreifen müssen. Dies folge aus den genannten Urteilen. Das FG hat jedoch dargelegt, dass es das von der Klägerin betriebene Bistro nicht mit derartigen Gaststätten für vergleichbar halte, was sich auch daran zeige, dass bei Zugrundelegung der von der Klägerin genannten Zahlen z.B. im Jahr 1995 nahezu der gesamte Wareneinsatz an Speisen für Eigenverbrauch und Personalverköstigung verwendet worden wäre. Dies erscheine nicht plausibel.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.
a) Die Rüge der Klägerin, das FG hätte aufgrund der Länge der Bierleitung und ihrer Führung von einem erhöhten Schankverlust von 5 % ausgehen müssen und ggf. hierüber ein Sachverständigengutachten einholen müssen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 76 Abs. 1 FGO), ist ―abgesehen von der fehlenden Darlegung, dass es nach der Schätzungsmethode des FG überhaupt hierauf ankam― nicht entscheidungserheblich. Das FG musste aus seiner Sicht schon deshalb kein Gutachten hierüber einholen, weil nach seiner Auffassung die geänderte Schätzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) vom 26. März 2003 auch dann zutreffe, wenn einzelnen Einwendungen der Klägerin gefolgt würde. Es sei nämlich die Annahme gerechtfertigt, dass die Klägerin nicht nur den Wareneinsatz und die Erlöse der Zapfprodukte verkürzt habe, sondern in gleicher Weise auch mit den anderen Waren verfahren sei. Berücksichtige man dies, verringerten sich Umsätze und Gewinne der Klägerin im Ergebnis auch dann nicht, wenn man ihrem Vorbringen folge.
Ob der Zapfverlust der Klägerin den durchschnittlichen Wert von 3 % überstieg, war daher vom Rechtsstandpunkt des FG aus nicht entscheidungserheblich.
b) Soweit die Klägerin darüber hinaus einen Verstoß des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend macht, weil es aufgrund ihres Vorbringens den Sachverhalt weiter hätte aufklären und insbesondere die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Beteiligten ―wie in ihrem Schriftsatz vom 14. April 2003 beantragt― hätte vernehmen müssen, entspricht ihr Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Es mangelt schon an der Darstellung, welche konkrete Ermittlung oder Beweiserhebung sich dem FG hätte aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 22. Juli 1999 VII B 19/99, BFH/NV 1999, 1635). Zudem trägt sie nicht vor, weshalb ihr fachkundiger Vertreter in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Dezember 2001 V B 132/00, BFH/NV 2002, 531, und vom 5. Dezember 2001 IX B 70/01, BFH/NV 2002, 528).
c) Die Klägerin hat auch die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) nicht schlüssig dargelegt. Sie hat nicht ―wie erforderlich― substantiiert vorgetragen, auf welche tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, zu denen sie sich nicht hat äußern können, das FG seine Entscheidung gestützt hat.
Eine unvorhergesehene Urteilsbegründung, die zu einer Verletzung rechtlichen Gehörs führt, liegt nur dann vor, wenn der Gesichtspunkt, auf den das FG sein Urteil gestützt hat, im bisherigen Verlauf des Verwaltungsverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens überhaupt nicht angesprochen worden ist, so dass sich die Beteiligten nicht dazu geäußert haben und nach dem bisherigen Verfahren auch keine Veranlassung hatten, sich hierzu zu äußern. Dass das FG in seiner Urteilsbegründung die Besteuerungsgrundlagen alternativ geschätzt hat und hierbei ähnliche Ergebnisse erzielte, wie die geminderte Schätzung der Steuerfahndung und die Feststellungen des Strafurteils, die auch auf dem Geständnis der Klägerin beruhen, konnte für die Klägerin keine Überraschung darstellen, weil die Verpflichtung des FG zur Schätzung sich aus dem Gesetz ergibt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 der Abgabenordnung ―AO 1977―; BFH-Urteil vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537).
3. Einwendungen gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, insbesondere gegen die Höhe der vom FG geschätzten Besteuerungsgrundlagen sowie die hierbei angewendeten Methoden reichen für die Zulassung der Revision nicht aus (BFH-Beschlüsse vom 28. Dezember 2001 V B 148/01, BFH/NV 2002, 682, und vom 18. März 2003 I B 98/02, BFH/NV 2003, 1191, jeweils m.w.N.).
Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ab.
Fundstellen