Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei Beschwerde gegen Einstellungsbeschluß
Leitsatz (NV)
Erhebt der Kläger Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluß des FG nach § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO, hat das FG zunächst zu prüfen, inwieweit der Kläger mit ihr die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend macht. Bestreitet der Kläger die Klagerücknahme, hat das FG das Verfahren fortzusetzen und durch Urteil entweder sachlich über die Klage zu entscheiden oder auszusprechen, daß die Klage wirksam zurückgenommen worden ist. Legt es stattdessen die - an sich statthafte - Beschwerde dem BFH vor, hat dieser förmlich über die Beschwerde zu entscheiden. Ist die Beschwerde als unzulässig abzuweisen, weil sie z. B. nicht durch einen nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertretungsberechtigten Prozeßbevollmächtigten eingelegt worden ist, kann von der Erhebung von Gerichtskosten nach § 8 Abs. 1 GKG abgesehen werden, weil bei richtiger Sachbehandlung durch das FG keine Kosten für das Beschwerdeverfahren entstanden wären.
Normenkette
FGO §§ 72, 128; GKG § 8
Tatbestand
Der Bruder des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) erhob gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) vom 15. Oktober 1987 im Namen des Klägers Klage und beantragte gleichzeitig wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Nachdem das FA die Einspruchsentscheidung aufgehoben hatte, nahm ein Steuerberater P unter Vorlage einer vom Bruder des Klägers unterzeichneten Vollmacht die Anfechtungsklage namens und im Auftrag des Klägers zurück.
Das Finanzgericht (FG) stellte daraufhin das Verfahren durch Beschluß ein und legte die Kosten des Verfahrens dem Bruder des Klägers auf, weil dieser keine auf sich lautende schriftliche Vollmacht vorgelegt hatte. Der Beschluß wurde Steuerberater P am 3. Oktober 1988 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit seinem am 16. Oktober 1989 beim FG eingegangenen Schreiben legte der Kläger gegen den Einstellungsbeschluß Beschwerde ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Beschwerdefrist.
Er führte aus, er habe weder seinen Bruder noch Steuerberater P beauftragt, die Klage zurückzunehmen. Insbesondere sei sein Bruder, der im Zeitpunkt der Klageerhebung nur mündlich bevollmächtigt gewesen sei, nicht berechtigt gewesen, einem Steuerberater Untervollmacht zu erteilen. Er beantrage daher, gemäß § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiederaufnahme des Verfahrens. Hilfsweise mache er als Wiedereinsetzungsgrund Erklärungsirrtum geltend.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) muß sich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; dies gilt nach Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG auch für die Einlegung der Beschwerde.
Diese Voraussetzungen hat der Kläger im Streitfall nicht erfüllt, obwohl er in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses auf den Vertretungszwang vor dem BFH zutreffend und ausreichend hingewiesen worden ist. Er hat sich nicht von einer zur Einlegung der Beschwerde befugten Person vertreten lassen und gehört auch selbst nicht zum vertretungsbefugten Personenkreis.
Der Senat läßt aus diesem Grunde unerörtert, ob die Beschwerde auch wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig ist und ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müßte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Nach § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) war jedoch von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen.
Das FG hätte auf die Beschwerde hin - statt sie dem BFH vorzulegen - zunächst prüfen müssen, inwieweit der Kläger mit ihr die Unwirksamkeit der Klagerücknahme geltend gemacht hat (z. B. BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1980 VI B 116/79, BFHE 129, 538, BStBl II 1980, 300, und vom 26. Oktober 1988 IX B 164/88, BFH/NV 1990, 168). Bejahendenfalls hätte es im Urteilsverfahren entweder sachlich über die Klage entscheiden oder aussprechen müssen, daß diese wirksam zurückgenommen ist (BFH, a. a. O.).
Dem Kläger, der sich mit der Beschwerde gegen die Wirksamkeit der Klagerücknahme wendet und eine Fortführung des Klageverfahrens erreichen will, wären bei einer solchen Sachbehandlung durch das FG keine Kosten für das Beschwerdeverfahren entstanden. Deshalb hält der Senat die Anwendung des § 8 Abs. 1 GKG für geboten.
Die Akten gehen an das FG zurück, damit dieses den in der unzulässigen ,,Beschwerde" enthaltenen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens im Sinne der angegebenen BFH-Rechtsprechung behandelt und über ihn entscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 417097 |
BFH/NV 1990, 521 |