Entscheidungsstichwort (Thema)
Liebhaberei bei landwirtschaftlicher Tätigkeit in den alten Bundesländern
Leitsatz (NV)
1. Es ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, ob die von der Rechtsprechung zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht für landwirtschaftliche Betriebe herausgearbeiteten Grundsätze auch für einen in den alten Bundesländern neu gegründeten landwirtschaftlichen Betrieb gelten, wenn dieser nach Art und Betriebsführung auf Dauer keinen Totalgewinn erwirtschaften kann.
2. Für die landwirtschaftliche Tätigkeit in den alten Bundesländern gilt nicht der Beweis des ersten Anscheins für die Absicht der Gewinnerzielung.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 13
Tatbestand
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zu dem Ergebnis, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) habe die Gewinnerzielungsabsicht nicht ausreichend dargelegt. Nach objektiver Betrachtung sei nach der Art des Betriebes, der Gestaltung der Betriebsführung und der gegebenen Ertragsaussichten ein Totalgewinn nicht zu erwarten und dies auch für den Steuerpflichtigen erkennbar gewesen. Der Betrieb sei von einer durchgehenden Verlustperiode geprägt, ohne daß auch nur die Chance bestehe, jemals einen Totalgewinn zu erzielen.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Dagegen richtet sich die Beschwerde mit der Begründung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und beruhe auf einer Divergenz.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das FG hat der Beschwerde nicht abge holfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und die Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) entsprechend den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt und bezeichnet hat. Denn jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
1. Der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage kommt eine grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht zu, weil sie für den konkreten Rechtsstreit offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 9, m. w. N.). Sie ist deshalb nicht klärungsbedürftig. Ob der BFH -- wie die Klägerin meint -- tatsächlich über einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden hat, ist unerheblich. Im übrigen enthält auch das von der Klägerin für einen ererbten Betrieb angeführte Senatsurteil vom 3. März 1988 IV R 90/85 (BFH/NV 1989, 90) keine Aussage dahin, daß die dort wiedergegebenen Grundsätze zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht nur für ererbte Betriebe gültig seien. Sie werden vielmehr als allgemein gültige Grundsätze für alle landwirtschaftlichen Betriebe herausgestellt. Das trifft auch für das angeführte Senatsurteil vom 13. Dezember 1990 IV R 1/89 (BFHE 163, 418, BStBl II 1991, 452) zu, selbst wenn die dort angefallenen, aber nicht berücksichtigten Verluste den Zeitraum zwischen dem Wirtschaftsjahr 1955/56 und dem Wirtschaftsjahr 1974/75 betrafen. Wie allgemein bekannt, haben die meisten landwirtschaftlichen Betriebe trotz rückläufiger Erlöse in den letzten Jahrzehnten und Jahren Gewinne erzielt. Das gilt insbesondere für solche, die landwirtschaftliche Flächen von über 100 ha bewirtschaften. Die Rechtssache wirft daher trotz der von der Klägerin geäußerten Zweifel daran, ob die Grundsätze zur Feststellung der Gewinnerzielungsabsicht heute noch gelten können, keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis, daß die Literatur (Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 13 Anm. 8; von Schönberg, Finanz-Rundschau -- FR -- 1992, 246) den sog. Wiedereinrichter im Beitrittsgebiet eine längere Anlaufphase zubilligt. Ob das -- wie die Klägerin meint -- auch für einen Steuerpflichtigen gelten muß, der sich entschließt, in den alten Bundesländern unter schwierigen Bedingungen Haupterwerbslandwirt zu werden, ist jedoch im Streitfall nicht klärungsfähig. Denn nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß der Betrieb nach Art und Betriebsführung auch auf Dauer gesehen keinen Totalgewinn erwirtschaften konnte. Die damit zusammenhängende Frage, für welche Zeit von sog. Anlaufverlusten ausgegangen werden könne, ist im übrigen nicht generell zu beantworten. Zu Recht macht das FA in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß der Senat in seinem Urteil vom 22. Juli 1982 IV R 74/79 (BFHE 136, 459, BStBl II 1983, 2 unter 4.) bereits für den Bereich der sog. alten Bundesländer eine Anlaufphase von weit über zehn Jahren für denkbar gehalten hat.
2. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf einer Abweichung von den angeführten Entscheidungen des BFH.
a) Das angefochtene Urteil hat keine dem BFH-Urteil in BFHE 136, 459, BStbl II 1983, 3 widersprechende Grundsätze aufgestellt. Das FG hat nämlich nicht -- wie der erkennende Senat in BFHE 136, 459, BStBl II 1982, 2 -- seine Entscheidung darauf gestützt, ob der Ehemann der Klägerin den landwirtschaftlichen Betrieb deshalb gegründet und fortgeführt hat, weil ihm andere Geldmittel zur Verfügung standen, die wirtschaftlich seine Existenzgrundlage bildeten und es ihm ermöglichten, den Lieb habereibetrieb beizubehalten. Vielmehr hat es in Übereinstimmung mit dem zitierten BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83 (BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289) sowie dem Senatsurteil vom 13. Dezember 1990 IV R 1/89 (BFHE 163, 418, BStBl II 1991, 452) darauf abgestellt, daß der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten könne (FG-Urteil S. 9). Dazu hat es weiter ausgeführt, daß keine Chance bestünde, jemals einen Totalgewinn zu erzielen, und dies im einzelnen begründet, u. a. auch mit geringen Überschüssen bei einer Verpachtung; dennoch habe X den Betrieb nach der Anlaufphase fortgeführt, und zwar aus privaten Gründen.
b) Das FG ist auch nicht von dem BFH-Urteil vom 21. Januar 1993 XI R 18/92, XI R 19/92 (BFH/NV 1993, 475) abgewichen. Diesem ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu entnehmen, daß grundsätzlich immer erst nach Ablauf der Anlaufphase zu beurteilen sei, ob eine Liebhaberei anzunehmen sei oder nicht. Allerdings hat der BFH in dem dort entschiedenen Fall keine Liebhaberei angenommen, obwohl in den dreizehn Jahren seit der Gründung des Unternehmens nur Verluste angefallen waren. Das beruhte aber darauf, daß der Steuerpflichtige versucht hatte, seinen Betrieb wirtschaftlicher zu gestalten, und den Betrieb schließlich eingestellt hatte. Der BFH hatte damit den aus dem langjährigen Verlustzeitraum resultierenden Anscheinsbeweis als erschüttert angesehen. Das Urteil betraf jedoch -- wie dort ausdrücklich hervorgehoben -- einen Automatenaufsteller, während es im Streitfall um einen landwirtschaftlichen Betrieb geht. Für landwirtschaftliche Betriebe gilt indes, wie der erkennende Senat ausdrücklich betont hat (Urteil in BFH/NV 1989, 90 unter 4.), nicht der Beweis des ersten Anscheins für die Absicht der Gewinnerzielung, zumal wenn -- wie hier -- fachfremde Steuerpflichtige einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen, dabei auf vor allem fremde Arbeitskräfte angewiesen sind (vgl. BFH/NV 1989, 90) oder das angestrebte Leben auf dem Lande ein wesentliches Motiv ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1988 IV R 88/86, BFH/NV 1989, 771). Im übrigen hat auch das FG sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Ehemann der Klägerin tatsächlich eine grundlegende Umstrukturierung durchgeführt habe. Es hat das nicht angenommen, sondern die getroffenen Maßnahmen als Schritte der Schadensbegrenzung angesehen. Ob sich diese Feststellung als überzeugende oder zwingende Beweiswürdigung darstellt, ist indes für die Frage der Divergenz unerheblich (BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 421587 |
BFH/NV 1997, 21 |