Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheitsantrag im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (NV)
Einem nach Beendigung der FG-Instanz erhobenen Befangenheitsantrag fehlt selbst dann das Rechtsschutzbedürfnis, wenn einer Mitwirkung des abgelehnten Richters im Abhilfeverfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten werden soll.
Normenkette
FGO §§ 51, 115 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hatte es in den Verfahren der Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) vor dem Finanzgericht (FG) betreffend Einkommensteuer 1986 bis 1988 ff. abgelehnt, die vertrauliche Mitteilung eines namentlich genannten Hinweisgebers dem FG zuzuleiten und den Klägern im Wege der Akteneinsicht zugänglich zu machen. Das FA berief sich auf das Steuergeheimnis, unbeschadet dessen, daß es dem Berichterstatter des FG anläßlich des Erörterungstermins vom 1. Juli 1993 -- versehentlich -- auch diesen Teil der Arbeitsakte überlassen und der Berichterstatter hiervon Kenntnis genommen hatte. Die finanzgerichtlichen Verfahren wurden mit Urteilen vom 22. Juli 1993 abgeschlossen; die Kläger haben Beschwerden eingelegt, mit denen die Zulassung der Revisionen erstrebt wird. Mit Beschluß vom 22. Juli 1993 wies das FG auch den Antrag der Kläger zurück, das FG möge feststellen, das FA habe nicht glaubhaft gemacht, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weigerung der Vorlage der vertraulichen Mitteilung vorlägen. In der Beschwerdeschrift -- eingegangen bei dem FG am 11. Oktober 1993 -- machten die Kläger außerdem erstmals geltend, der Berichterstatter, Richter am Finanzgericht (RiFG) P, sei befangen gewesen, weil er im Erörterungstermin dezidiert seine Meinung über die beschränkten Erfolgsaussichten der Klagen geäußert habe und die vertrauliche Mitteilung kenne. Das FG wies das Befangenheitsgesuch mit Beschluß vom 12. November 1993 zurück: Nachdem die Kläger bis zum Abschluß der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 1993 die ihnen bekannten Ablehnungsgründe nicht geltend gemacht hätten, hätten sie insoweit ihr Ablehnungsrecht verloren. Ihr Gesuch sei allerdings zulässig, soweit erreicht werden solle, daß RiFG P an den Abhilfeverfahren nach § 130 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mitwirken solle. Das Gesuch sei insoweit indessen unbegründet. RiFG P sei nicht befangen.
Mit der Beschwerde machen die Kläger geltend, RiFG P hätte weder an den Urteilen noch an dem Beschluß vom 22. Juli 1993 mitwirken dürfen. Er habe seine Befangenheit selbst zugestanden, da er in einem Schreiben vom 9. Juli 1993 an das FA eingeräumt habe, seine Kenntnis von der vertraulichen Mitteilung könne in die Urteilsfindung einfließen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Kläger leiten die Befangenheit des Berichterstatters, RiFG P, aus Umständen her, die ihnen bis zum Abschluß der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 1993 bekannt waren (Kenntnis der vertraulichen Mitteilung, vorgebliche Festlegung schon im Erörterungstermin). Mit der mündlichen Verhandlung und der Zustellung der Entscheidungen vom 22. Juli 1993 endete die FG-Instanz in allen Klageverfahren und in dem Antragsverfahren betreffend Aktenvorlage. Die Befangenheit des Richters wurde indessen erst in der Beschwerdeschrift betreffend Aktenvorlage am 11. Oktober 1993 geltend gemacht. Dem Gesuch fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil es sich -- selbst wenn es begründet wäre -- nicht mehr auf die Sachentscheidung des FG vom 22. Juli 1993 auswirken könnte (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. März 1980 I B 23/80, BFHE 130, 20, BStBl II 1980, 335; vom 12. März 1985 IV S 9/85, BFH/NV 1986, 738; vom 9. Dezember 1992 VI B 46/92, BFH/NV 1993, 318).
Entgegen der Auffassung des FG ist es ohne Bedeutung, daß unter Beteiligung des abgelehnten Richters am 26. November 1993 das FG beschloß, den Nichtzulassungsbeschwerden und der Beschwerde gegen den Beschluß betreffend Aktenvorlage nicht abzuhelfen. Die Beschwerden eröffneten eine neue Instanz. Die Nichtabhilfebeschlüsse haben lediglich dazu geführt, daß die Beschwerdeverfahren durch den BFH fortgeführt wurden. Sie sind selbst dann nicht aufhebbar, wenn das Ablehnungsgesuch sachlich begründet sein sollte (BFH-Beschlüsse vom 8. Mai 1992 III B 163/92, BFHE 167, 299, BStBl II 1992, 675; vom 30. November 1992 X B 54/92, BFH/NV 1993, 557; vom 2. Dezember 1992 X B 66/92, BFH/NV 1994, 31). Der vom FG angeführte BFH-Beschluß vom 15. April 1985 VIII S 19/81 (BFH/NV 1986, 342) betrifft einen anderen Sachverhalt.
Fundstellen
Haufe-Index 420110 |
BFH/NV 1995, 53 |