Leitsatz (amtlich)
Nach den Grundsätzen des Kostenrechts bestimmt sich der Streitwert eines Verfahrens nach den gestellten Sachanträgen. Dies gilt auch dann, wenn die Bekanntmachung des Steuerbescheids durch das Finanzamt unwirksam ist.
Normenkette
FGO § 140 Abs. 3
Tatbestand
Dem Kläger waren in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker 1958 ein vorläufiger und 1963 ein endgültiger Erbschaftsteuerbescheid zugestellt worden. In dem endgültigen Steuerbescheid waren mehrere Erbbeteiligte, die ihnen zugefallenen Werte, die darauf entfallenden Steuerbeträge und die Gesamtsteuer (12 600 DM) angegeben. Bei der Festsetzung des Nachlaßwertes hatte das FA (Beklagter) Honorarschulden (Wiedergutmachung) von 5 000 DM, Honorarschulden für Arbeiten in Rückerstattungssachen (1 000 DM) sowie ein noch offenes restliches Testamentsvollstreckerhonorar von 1 126 DM nicht als Nachlaßverbindlichkeiten berücksichtigt und für übrige Erbbeteiligte Steuern in Höhe von 4 072 DM festgesetzt.
Seinen gegen den Steuerbescheid eingelegten Einspruch hatte der Kläger nicht begründet. Dieser Rechtsbehelf war deshalb erfolglos geblieben. Im Klageverfahren hatte der Kläger begehrt, die vorstehend genannten Honorarschulden als Nachlaßverbindlichkeiten abzusetzen und die auf die übrigen Erbbeteiligten entfallenden Steuerbeträge zu erlassen. Das Finanzgericht hatte die Klage als unbegründet abgewiesen und den Streitwert auf 5 169 DM festgesetzt. Seine gegen das zugestellte Urteil gerichtete Revision hatte der Kläger bis zum Ablauf der Begründungsfrist "nur noch insoweit erhoben, als die 1 097,40 DM ErbSt aus den Honoraransprüchen streitig sind". Das FA hatte die Zurückweisung der Revision beantragt. Mit Verfügung vom ... hatte der Vorsitzende des Senats die Beteiligten auf das Urteil vom 20. Oktober 1970 II 167/64 (BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826) hingewiesen. Der Kläger hatte daraufhin beantragt, "unabhängig von seinen früheren Anträgen den ... Steuerbescheid als ganzes aufzuheben" und dem FA "die Kosten des Vorverfahrens, des finanzgerichtlichen Klageverfahrens und des Revisionsverfahrens aufzuerlegen". Das FA hatte den endgültigen Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Die Beteiligten hatten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Senat hatte beschlossen, daß die Kosten des gesamten Verfahrens das FA zu tragen habe.
Mit Schriftsatz an das FG bat der Kläger, die zu erstattenden Kosten nach einem Streitwert von 12 600 DM festzusetzen. Das FA hielt demgegenüber einen Streitwert von 5 169 DM für das finanzgerichtliche Verfahren und einen solchen von 1 097 DM für das Revisionsverfahren für zutreffend.
Durch Beschluß setzte das FG den Streitwert für das finanzgerichtliche Verfahren auf 5 169 DM und für das Revisionsverfahren auf 1 097 DM fest.
Mit seiner Beschwerde gegen diesen Beschluß erstrebt der Kläger weiterhin einen Streitwert von 12 600 DM. Da der Bescheid von Anfang an falsch ergangen sei, habe er vollen Umfangs aufgehoben werden müssen. Deshalb entsprächen die Streitwerte für alle Verfahrensstufen den festgesetzten Steuern.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
Das FG hat die Streitwerte zutreffend festgesetzt.
1. Der nach freiem Ermessen zu bestimmende Streitwert (§ 140 Abs. 3 FGO) richtet sich grundsätzlich nach dem finanziellen Interesse des Klägers. Dieses wiederum ist bei objektiver Beurteilung für jede Instanz dem Sachantrag (§ 65 Abs. 1, § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO), d. h. dem prozessualen Begehren, zu entnehmen (vgl. auch § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG 1975). Diese Grundsätze, die der BFH in ständiger Rechtsprechung aufgestellt hat, hat das FG in dem angefochtenen Beschluß beachtet. Der Kläger hat weder im finanzgerichtlichen Verfahren noch im Revisionsverfahren innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 120 FGO) beantragt, die Steuerfestsetzung als (materiell) rechtswidrig in vollem Umfange oder den Steuerbescheid als solchen aufzuheben. Er hat vielmehr sowohl für das finanzgerichtliche Verfahren als auch (ursprünglich) für das Revisionsverfahren klare und betragsmäßig eindeutige Sachanträge gestellt. Daraus kann nur gefolgert werden, daß er die Aufhebung oder die Änderung des angefochtenen Steuerbescheids zu den maßgebenden Zeitpunkten nur hinsichtlich der sich aus seinen Sachanträgen ergebenden Steuerbeträge begehrt hat, und er sich auch nur insoweit in seinen Rechten verletzt (§ 40 Abs. 2 FGO) fühlte. Die Höhe der Streitwerte hat das Finanzgericht für die beiden Instanzen fehlerfrei errechnet. Insoweit hat der Kläger auch keine Einwendungen erhoben.
2. Die Auffassung des Klägers, ein Verfahrensverstoß hebe die Bindung an den Sachantrag auf oder lasse diese zurücktreten, mag ebenso wie seine Meinung von der Einheitlichkeit der Entscheidung verfahrensrechtlich in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung sein. Die damit zusammenhängenden Probleme können jedoch - abgesehen davon, daß sie in Rechtsprechung und Literatur lebhaft umstritten sind - den Wert des Streitgegenstandes nicht beeinflussen: Nach den Grundsätzen des Kostenrechts sind allein die gestellten Sachanträge als wertbestimmend anzusehen. Dementsprechend hat der BFH im Falle unzulässiger Rechtsmittel den für die Gebühren maßgebenden Streitwert nach dem Begehren des Rechtsmittelführers und nicht nach dem festgesetzten Steuerbetrag festgesetzt (vgl. Urteil vom 26. Januar 1970 IV 204/64, BFHE 99, 4, BStBl II 1970, 493). Etwas anderes kann nicht gelten, wenn das FA den Steuerbescheid und die außergerichtliche Rechtsbehelfsentscheidung dann aufhebt (vgl. dazu § 68 FGO), wenn es die unwirksame Bekanntmachung eines einheitlichen Steuerbescheids an einen Testamentsvollstrecker aufgrund neuerer Rechtsprechung erkennt. Obwohl der Kläger in diesen Fällen - im Ergebnis - mehr erhält, als seinem (ursprünglichen) Begehren entspricht, muß dieses Mehr doch bei der Streitwertermittlung unberücksichtigt bleiben.
Die Erweiterung des Sachantrags durch den Kläger im Revisionsverfahren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat auf den Streitwert für dieses Verfahren keinen Einfluß.
Fundstellen
Haufe-Index 71643 |
BStBl II 1976, 685 |
BFHE 1977, 405 |