Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten vor dem BFH; zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist bei Prozeßkostenhilfeantrag
Leitsatz (NV)
1. Ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers für ein Rechtsmittelverfahren vor dem BFH kann nur dann Erfolg haben, wenn glaubhaft gemacht wird, daß eine gewisse Zahl von benannten, zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht worden ist.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist wegen Mittellosigkeit zur Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten kann nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch zusammen mit der erforderlichen formularmäßigen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen vorgelegt hat.
Normenkette
FGO §§ 56, 142, 155; ZPO §§ 78b, 114, 117 Abs. 2-4
Tatbestand
Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) erhob vor dem Finanzgericht (FG) Klage gegen den gegen ihn ergangenen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1987. Mit der Klage machte er geltend, daß in dem angegriffenen Einkommensteuerbescheid seine Einkünfte zu hoch geschätzt worden seien. Das FG wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.
Hiergegen erhob der Antragsteller "Einspruch" mit der Begründung, das Urteil des FG bedürfe "einer genauen anwaltlichen Prüfung". Er beantragte in der Rechtsmittelschrift zugleich, ihm einen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
Dieser Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten kann keinen Erfolg haben.
1. Der erkennende Senat wertet dabei den Antrag nicht als Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH), denn es kommt in keiner Weise zum Ausdruck, daß der Antragsteller wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Nach dem Inhalt der Rechtsmittelschrift geht es dem Antragsteller nur um die anwaltliche Überprüfung des Urteils des FG. Der Antrag ist daher als Antrag auf Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) auszulegen.
Gemäß § 78 b ZPO hat das Prozeßgericht einer Partei auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist und die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsvertei digung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift ist seit Einführung des Vertretungszwangs vor dem Bundesfinanzhof (BFH) durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH EntlG) gemäß § 155 FGO sinngemäß anzuwenden (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57) mit der Maßgabe, daß dem Antragsteller bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer beizuordnen ist.
Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Antrags ist demnach, daß der Antragsteller hinreichend darlegt und glaubhaft macht, daß ein zur Vertretung bereiter Prozeßbevollmächtigter nicht zu finden ist. Es muß glaubhaft gemacht werden, daß eine gewisse Zahl von benannten, zur Vertretung vor dem BFH befugten Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats ersucht worden ist (BFH-Beschlüsse vom 27. Januar 1988 VIII S 12/87, BFH/NV 1988, 383; vom 9. Dezember 1988 VI S 10/88, BFH/NV 1989, 381, und vom 15. Februar 1991 IV R 114/90, BFH/NV 1992, 481). Solche Darlegungen fehlen in dem Antrag des Antragstellers völlig. Der Antragsteller will offenbar nur erreichen, daß ihm die Suche nach einem Prozeßbevollmächtigten von vornherein abgenommen wird.
2. Der Antrag müßte im übrigen auch erfolglos bleiben, wenn er als Antrag auf Gewährung von PKH angesehen würde. Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO kann eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, nur PKH erhalten, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Fall des Antragstellers bietet das eingelegte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Dieses Rechtsmittel ist als Nichtzulassungsbeschwerde zu werten, da das FG die Revision nicht zugelassen hat und Gründe für eine zulassungsfreie Revision nicht ersichtlich sind. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.
Dies ergibt sich allerdings noch nicht daraus, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nicht durch den Antragsteller persönlich, sondern nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG nur durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt werden konnte. Der Antragsteller könnte vielmehr nach der Entscheidung des Senats über die PKH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, um die Nichtzulassungsbeschwerde auch noch nach Ablauf der Frist für ihre Einlegung (gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO einen Monat nach Zustellung des Urteils) durch einen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater wiederholen zu lassen.
Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wäre aber, daß der Antragsteller innerhalb dieser Frist alles Zumutbare getan hat, um das Hindernis der Mittellosigkeit zu beseitigen. Dazu hätte er innerhalb der Frist ein vollständiges PKH- Gesuch zusammen mit der nach § 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO erforderlichen formularmäßigen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen vorlegen müssen (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 56 Rdnr. 15, mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen). Dies hat der Antragsteller innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht getan. Er hat nicht einmal deutlich gemacht, daß er einen Antrag auf PKH stellen wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 420192 |
BFH/NV 1995, 257 |