Leitsatz (amtlich)

Wird in einem die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Verfahren lediglich darum gestritten, ob gegen oder ohne Sicherheitsleistung auszusetzen ist, so ist der Streitwert im Regelfall mit 10 v. H. der geforderten Sicherheitsleistung zu bemessen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Streitwerts, wenn in einem Klageverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung nur darum gestritten wurde, ob die Vollziehung gegen oder ohne Sicherheitsleistung auszusetzen ist.

Die KG hatte in ihren Bilanzen 1959 bis 1964 wegen befürchteter Regreß- und Schadensersatzansprüche Rückstellungen gebildet. Bei einer Betriebsprüfung für die Jahre 1960 bis 1963 erkannte der Betriebsprüfer diese Rückstellungen nicht an. Das FA erließ für diese Jahre entsprechende berichtigte Bescheide und für den Veranlagungszeitraum 1964 unter Auflösung der auf den 31. Dezember 1964 gebildeten Rückstellungen vorläufige Bescheide.

Mit ihren Einsprüchen beantragten die Steuerpflichtigen, die Vollziehung der angegriffenen Bescheide in Höhe eines Gesamtbetrages von 2 046 752 DM ohne Sicherheitsleistung gemäß § 242 Abs. 2 AO auszusetzen. Das FA erklärte sich zu einer Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung bereit. Auf die Beschwerde der Steuerpflichtigen setzte das FA auf Anweisung der OFD die Vollziehung hinsichtlich eines Betrages von 32 372,65 DM für die Jahre 1960 bis 1963 ohne Sicherheitsleistung bis zur Entscheidung über die Einsprüche aus. Wegen der Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1964 im Gesamtbetrage von 2 014 380 DM wies die OFD die Beschwerde mit Entscheidung vom 9. September 1966 als unbegründet zurück. Die Klage der Steuerpflichtigen, mit der sie die Aufhebung des Beschwerdebescheids der OFD und des diesem zugrunde liegenden Bescheides des FA begehrten, soweit damit Sicherheitsleistung für die Aussetzung der Vollziehung verlangt wurde, wies das FG durch rechtskräftiges Urteil vom 18. Januar 1967 als unbegründet zurück. Die Kosten des Verfahrens wurden den Steuerpflichtigen auferlegt.

Auf Antrag der Beteiligten setzte das FG durch Beschluß vom 27. Juni 1967 den Streitwert fest. Es berechnete ihn mit 15 v. H. der geforderten Sicherheitsleistung von 1,9 Mill. DM, also auf 285 000 DM. Die Steuerpflichtigen hatten beantragt, den Streitwert auf einen Betrag unter 10 v. H. der streitigen Sicherheitsleistung festzusetzen. Das FG begründete seine Entscheidung, deren Leitsatz in den EFG 1967, 627 veröffentlicht ist, wie folgt: Streitgegenstand der Klage sei nicht die Aussetzung der Vollziehung, sondern die Nichtleistung der geforderten Sicherheiten; denn die gesetzlichen Voraussetzungen der Vollziehungsaussetzung seien von der beklagten Behörde als erfüllt angesehen worden. Für die Bewertung dieses Streitgegenstandes seien die von der Rechtsprechung für den Streitwert bei der Aussetzung der Vollziehung entwickellten Grundsätze entsprechend anzuwenden, da das finanzielle Interesse in beiden Fällen grundsätzlich gleichzustellen sei. Mit Rücksicht darauf, daß die Sicherheitsleistung im Streitfalle voraussichtlich für einen sehr langen Zeitraum gestellt werden müsse, sei hier abweichend vom Regelfall nicht ein Streitwert von 10 v. H. sondern von 15 v. H. angemessen.

Mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluß des FG wiederholen die Steuerpflichtigen ihren Antrag, den Streitwert auf einen Betrag unter 10 v. H. des Betrages der geforderten Sicherheitsleistung also unter 190 000 DM festzusetzen.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Wird in einem die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Verfahren lediglich darum gestritten, ob die Vollziehung gegen oder ohne Sicherheitsleistung auszusetzen ist, so bestimmt sich der Streitwert eines solchen Verfahrens nach dem finanziellen Interesse des Steuerpflichtigen an der Nichtleistung der geforderten Sicherheit für die Zeit der Vollziehungsaussetzung. Dieses Interesse ist - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - für die Streitwertberechnung hauptsächlich aus Vereinfachungsgründen mit einem Vomhundertsatz des Wertes der streitigen Sicherheitsleistung zu bemessen, die in der Regel der Höhe nach dem Betrag entspricht, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll. Das FG ist bei der Bemessung dieses Vomhundertsatzes davon ausgegangen, daß das finanzielle Interesse des Steuerpflichtigen an der Nichtleistung eines geforderten Sicherheitsbetrages im Aussetzungsverfahren der Sache nach dem Interesse an der Aussetzung selbst entspricht, nämlich einen bestimmten Geldbetrag vorläufig nicht zahlen zu müssen. Der Senat hält diese Auffassung für richtig. Denn in einem Rechtsstreit, bei dem um die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Sicherheitsleistung bei der Vollziehungsaussetzung gestritten wird, geht es wie in dem die Aussetzung der Vollziehung selbst betreffenden Verfahren darum, ob der Steuerpflichtige aufgrund einer noch im Streit befangenen Steuerschuld, schon eine vorläufige Leistung erbringen muß, die in dem einen Fall der einstweiligen Erfüllung und im anderen Fall der einstweiligen Sicherstellung der Steuerschuld dient. Es mag zwar zutreffen, daß das Interesse des Steuerpflichtigen beim Streit um die Sicherheitsleistung gegenüber dem Streit um die Vollziehungsaussetzung häufig auch etwas geringer bewertet werden könnte. Im Rahmen des bei der Streitwertfestsetzung durch § 140 Abs. 3 FGO eingeräumten Ermessens erscheint es jedoch dem Senat aus prozeßökonomischen Gründen (Vereinfachung und Vereinheitlichung) geboten, den Streitwert in den Streitsachen, bei denen nur um die Sicherheitsleistung gestritten wird, grundsätzlich nach demselben Maßstab (Vomhundertsatz) festzusetzen wie im Aussetzungsverfahren. Da der Streitwert im Aussetzungsverfahren nach der Rechtsprechung im Regelfall mit 10 v. H. des Steuerbetrages zu bemessen ist, um dessen Aussetzung gestritten wird (vgl. Entscheidung des BFH VII B 29/66 vom 6. Februar 1967, BFH 87, 410, BStBl III 1967, 121), ist demnach der Streitwert im Aussetzungsverfahren, bei dem nur die Frage der Sicherheitsleistung streitig ist, mit 10 v. H. des streitigen Betrages der Sicherheitsleistung zu bemessen. Entspricht also die zu leistende Sicherheit dem Betrag, um dessen Aussetzung es geht, so sind die Streitwerte im Aussetzungsverfahren, bei dem nur die Sicherheitsleistung streitig ist, und im Aussetzungsverfahren, bei dem die Aussetzung der Vollziehung selbst streitig ist, gleich hoch. Diese Ansicht vertreten auch das FG Hamburg (vgl. Entscheidungen des FG Hamburg IV 1692/66 (III) vom 12. Januar 1968, EFG 1968, 174, und I 122/68 vom 14. Mai 1969, EFG 1969, 418) und des FG Düsseldorf VII 144/70 A vom 19. November 1970 (EFG 1971, 190).

Im vorliegenden Fall hat das FG abweichend vom Regelsatz von 10 v. H. den Streitwert mit 15 v. H. bemessen, weil die Sicherheitsleistung voraussichtlich für einen sehr langen Zeitraum gestellt werden müsse. Ob in derartigen Fällen die voraussichtlich lange Dauer der Sicherheitsleistung überhaupt eine höhere Streitwertbemessung rechtfertigt, kann hier dahingestellt bleiben. Denn mit Recht rügen die Steuerpflichtigen, es fehle an jeglichen Feststellungen, daß die Prozeßdauer sich in diesem Falle länger als in anderen gleich gelagerten Fällen hinziehen werde. Sie bringen unwidersprochen vor, daß infolge schwebender Einigungsverhandlungen die Prozeßdauer sogar aller Voraussicht nach wesentlich geringer sein werde als es sonst üblich sei.

Da das FG danach in Ermangelung besonderer Gründe hier den Regelsatz von 10 v. H. anwenden mußte, stellt die Festsetzung auf 15 v. H. einen fehlerhaften Gebrauch des nach § 140 Abs. 3 FGO für die Streitwertberechnung geltenden freien Ermessens dar. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden. Der Streitwert ist abweichend von der Vorentscheidung auf 10 v. H. des Betrages der geforderten Sicherheitsleistung, also auf 10 v. H. von 1 900 000 DM = 190 000 DM festzusetzen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO. Sie geht mangels einer genauen Fixierung im Beschwerdeantrag davon aus, daß die Steuerpflichtigen eine Streitwertbemessung mit etwa 5 v. H. der geforderten Sicherheitsleistung begehrten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70148

BStBl II 1973, 16

BFHE 1972, 498

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