Entscheidungsstichwort (Thema)

Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung

 

Leitsatz (NV)

,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt".

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Der Antragsteller kommt ausweislich der Vollstreckungsakten und nach dem Inhalt der Steuerakten seit mehr als zehn Jahren seinen laufenden steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht nach. Das FA ist deshalb seit längerer Zeit bemüht, die Steuerforderungen im Vollstreckungswege beizutreiben. Laut Abrechnungsbescheid vom 5. April 1984 betragen die Steuerschulden derzeit rd. 239 000 DM. Über den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch hat das FA entschieden; zwischen den Beteiligten ist streitig, ob diese Entscheidung ordnungsgemäß zugestellt worden und ggf. wegen der Fristversäumung der Erhebung der Klage Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1983 beantragte der Antragsteller, dem FA im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Abrechnungsbescheid Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen und auch davon abzusehen, ihn zur Selbstauskunft über die eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufzufordern. Zur Begründung führte er aus: Aufgrund der bisher geleisteten Steuerzahlungen habe das FA keinen Anspruch mehr auf weitere Zahlungen. Da das FA durch seine Maßnahmen in sein Eigentum und sein Persönlichkeitsrecht eingreifen würde, sei dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stattzugeben, zumal aufgrund der vorstehend geschilderten Tatsachen die entsprechende Dringlichkeit für diese ihm als einzige Abwehrmaßnahme verbleibende Maßnahme gegeben sei. Das FG wies den Antrag ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der Senat läßt es unentschieden, ob der streitige Abrechnungsbescheid inzwischen bestandskräftig geworden ist und daher für die beantragte einstweilige Anordnung das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn jedenfalls hat der Antragsteller, wie das FG richtig entschieden hat, das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht ausreichend glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).

Der Antragsteller begehrt eine Regelungsanordnung i.S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO. Diese Vorschrift räumt dem Gericht keine schrankenklose Befugnis zum Erlaß einer einstweiligen Anordnung ein. Die in § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ausdrücklich genannten Gründe (,,wesentliche Nachteile" und ,,drohende Gewalt") setzen Maßstäbe auch für die ,,anderen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung. ,,Andere Gründe" rechtfertigen eine einstweilige Anordnung nur dann, wenn sie für die begehrte Regelungsanordnung ähnlich gewichtig und bedeutsam sind wie ,,wesentliche Nachteile" oder ,,drohende Gewalt" (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1983 I B 48/80, BFHE 137, 235, BStBl II 1983, 233, 236). Der befürchtete Nachteil muß also ein solcher sein, der über den allgemeinen Nachteil einer Steuerzahlung hinausgeht (BFH-Beschluß vom 21. Januar 1982 VIII B 94/79, BFHE 135, 23, BStBl II 1982, 307, 309). Das Vorliegen solcher Gründe hat der Antragsteller, wie das FA richtig entschieden hat, nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller hat vor dem FG nur allgemein darauf hingewiesen, daß Vollstreckungsmaßnahmen vor bestandskräftiger Entscheidung über den streitigen Abrechnungsbescheid in sein Eigentum und sein Persönlichkeitsrecht eingreifen würden. Er hat aber nicht dargelegt, welche konkreten Nachteile er damit meint. Insbesondere fehlt der substantiierte Hinweis, daß es sich dabei um andere Nachteile handelt als jene, die mit jeder Beitreibung von Steuern aufgrund nicht ausgesetzter Steuerbescheide für den Betroffenen verbunden sind. Der Antragsteller hat auch in der Beschwerdebegründung insoweit nichts weiter vorgetragen. Das Vorbringen des Antragstellers reicht daher nicht aus, um das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als glaubhaft gemacht ansehen zu können. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es auch an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs fehlt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414161

BFH/NV 1986, 342

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