Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlicher Bedeutung; Sicherung einheitlicher Rechtsprechung; keine rückwirkende Anerkennung erst nachträglich vereinbarter Mehrarbeitsvergütung für mitarbeitende nahe Angehörige; Halbteilungsgrundsatz

 

Leitsatz (NV)

1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen sind, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen werden und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

2. Die Anforderungen an die steuerliche Anerkennung von Angehörigenverträgen stellen keine besonderen ‐ ungeschriebenen ‐ Merkmale des steuergesetzlichen Tatbestandes dar, sondern Beweiswürdigungsregeln. Insoweit bestehen auch keine festen, starren Regeln der Beweiswürdigung.

3. Rechtsgrundlage des Fremdvergleichs sind die §§ 85 und 88 AO 1977 sowie § 76 Abs. 1 FGO. Der Fremdvergleich ermöglicht aufgrund einer dem FG obliegenden Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat.

4. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung von Angehörigenverträgen sind auch vom BVerfG grundsätzlich gebilligt worden (Beschluss des BVerfG vom 7.11.1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34).

5. Verträge zwischen nahen Angehörigen sind im Vorhinein klar und eindeutig zu vereinbaren. Eine rückwirkende Vereinbarung ist steuerrechtlich grundsätzlich nicht anzuerkennen.

6. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes einer Divergenz reicht es nicht aus, lediglich ein Abweichen in der Würdigung von Tatsachen oder eine fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles oder bloße Subsumtionsfehler des FG geltend zu machen. 

 

Normenkette

AO 1977 §§ 85, 88; EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nrn. 1-2; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3-4, § 118 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 15.07.2003; Aktenzeichen 15 K 1576/98 G)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 27.06.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2930/04)

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1285664

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