Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zuständigkeit der Finanzbehörden für im Wege der Amtshilfe vorzunehmende Vollstreckungsmaßnahmen
Leitsatz (NV)
Der Frage nach den gesetzlichen Grundlagen in Bezug auf die Zuständigkeiten der Finanzbehörden für im Wege der Amtshilfe durchzuführende Vollstreckungsmaßnahmen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Denn diese Zuständigkeiten sind bereits hinreichend gesetzlich geregelt.
Normenkette
GG Art. 35; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 142; ZPO § 114; AO § 258
Tatbestand
I. Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) wurde vom Studentenwerk X, dem Finanzamt X sowie der Staatsoberkasse Z im Wege der Amtshilfe um die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin ersucht. Nachdem der mit der Vollstreckung beauftragte Vollziehungsbeamte die Antragstellerin wiederholt nicht angetroffen hatte, kündigte er schriftlich das Erwirken einer richterlichen Durchsuchungsanordnung an. Mit einer Eingabe an das FA wandte sich die Antragstellerin gegen diese Vollstreckungsmaßnahme und beantragte die Einstellung der Vollstreckung. Nachdem das FA zunächst mehrere Monate untätig geblieben war und die Staatsoberkasse Z zwischenzeitlich ihr Vollstreckungsersuchen zurückgenommen hatte, suchte der zuständige Vollziehungsbeamte die Wohnung der Antragstellerin an zwei Tagen erneut auf, ohne diese jedoch anzutreffen. Daraufhin kündigte er schriftlich im Falle der Nichtzahlung eine richterliche Durchsuchungsanordnung an.
Dieses Vorgehen nahm die Antragstellerin zum Anlass, vor dem Finanzgericht (FG) Klage auf Feststellung der Unzuständigkeit des FA für die gegen sie eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen und der Rechtswidrigkeit der vom FA angedrohten Zwangsvollstreckung sowie auf Verpflichtung des FA zur Bescheidung eines Einstellungsantrages zu erheben. Trotz Ausbleibens der Antragstellerin im Termin zur mündlichen Verhandlung entschied das FG in der Sache, indem es die Klage als unbegründet abwies. Es urteilte, dass das FA zu Recht dem Studentenwerk X Amtshilfe geleistet habe. Auch die Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 251 der Abgabenordnung (AO) hätten vorgelegen. Denn die Antragstellerin habe nicht vorgetragen, dass die Vollziehung der vollstreckbaren Bescheide ausgesetzt worden oder dass diese durch Einlegung von Rechtsmitteln gehemmt sei.
Die von der Antragstellerin verlangte Aushändigung eines Abdrucks des Amtshilfeersuchens an den Schuldner sehe das Gesetz nicht vor. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei das FA auch nicht verpflichtet gewesen, gemäß § 258 AO Vollstreckungsaufschub zu gewähren.
Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Beiordnung eines postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren. Im Kern ihres Vorbringens macht sie das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und einer Gehörsverletzung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend.
In der Begründung ihres PKH-Antrages wendet sie sich gegen die vom FG vermeintlich rechtsfehlerhaft angenommene Zuständigkeit des FA für die im Auftrag des Studentenwerks X und der Staatsoberkasse Z geleistete Amtshilfe und gegen die Nichtberücksichtigung der Einwände, die sie gegen die zur Vollstreckung anstehenden Bescheide erhoben habe. Zur Durchführung der Vollstreckung hätte sich das Studentenwerk eines Gerichtsvollziehers des zuständigen Amtsgerichts oder des Hauptzollamts X bedienen müssen. Dagegen hätte die Staatsoberkasse Z als Gerichtskasse nur nach der Justizbeitreibungsordnung und der Zivilprozessordnung (ZPO) vollstrecken dürfen. Schriftsätzlich vorgebrachte Einwände gegen die Vollstreckbarkeit der den Vollstreckungsmaßnahmen zugrunde liegenden Forderungen habe das FG nicht zur Kenntnis genommen. Schließlich rügt die Antragstellerin das "rüde und nötigende Auftreten" des Vollziehungsbeamten und die Unzulässigkeit einer Taschenpfändung. Als attraktive Frau müsse sie sich nicht von irgendeinem Vollziehungsbeamten eines FA auch nur "begrapschen", geschweige denn durchsuchen lassen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf PKH hat keinen Erfolg.
Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.
Der Antragstellerin kann deshalb keine PKH bewilligt werden, weil der noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde bei der gebotenen summarischen Prüfung der Erfolg zu versagen sein müsste.
a) Der Erfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Frist für deren Einlegung bereits abgelaufen ist. Insoweit kann gemäß § 56 Abs. 1 FGO unter bestimmten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn ein Beteiligter infolge Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das Rechtsmittel fristgerecht durch einen postulationsfähigen Vertreter einlegen zu lassen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Oktober 2003 XI S 8/03 (PKH), BFH/NV 2004, 346).
Auch von einem nicht vertretenen Antragsteller muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH verlangt werden, dass er fristgerecht alle Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag erfüllt. Hierfür ist es erforderlich, zumindest in laienhafter Weise das Streitverhältnis und einen in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgrund nachvollziehbar darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 9. April 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949, und in BFH/NV 2004, 346). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Antragstellerin nicht gerecht.
b) Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, kann dem Vorbringen der Antragstellerin nicht entnommen werden und ist auch nicht ersichtlich. Die Zuständigkeiten der Finanzbehörden für im Wege der Amtshilfe durchzuführende Vollstreckungsmaßnahmen sind gesetzlich geregelt --z.B. im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch, im Branntweinmonopolgesetz und in Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder-- und bedürfen keiner gerichtlichen Klärung. Im Kern ihres Vorbringens wendet sich die Antragstellerin gegen die vermeintlich rechtsfehlerhafte Anwendung der die Zuständigkeiten regelnden Vorschriften durch das FG und gegen den vom FG vorgenommenen Rückgriff auf die in Art. 35 des Grundgesetzes (GG) festgelegte Pflicht zur Amtshilfeleistung. Vermeintliche Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen jedoch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24, m.w.N.).
Im Übrigen übersieht die Antragstellerin, dass das FG eine Aussage über die Zuständigkeit des FA nur hinsichtlich des Vollstreckungsersuchens des Studentenwerks X getroffen und dass die Staatsoberkasse Z ihr Vollstreckungsersuchen noch vor der zweiten Ankündigung einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zurückgenommen hat.
c) Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Ausführungen der Antragstellerin lassen insbesondere nicht erkennen, mit welchem Vorbringen sie nicht gehört worden sein soll. Ausweislich der Urteilsbegründung hat das FG die Einwände der Antragstellerin --Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts und Stellung eines Erlassantrages-- zur Kenntnis genommen, diese aber nicht für ausreichend erachtet, um der Vollstreckbarkeit der offenen Forderungen entgegenzustehen.
Fundstellen