Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßkostenhilfe durch Ratenzahlung
Leitsatz (NV)
Die Tabelle in Anlage 1 zu § 114 ZPO zur Ermittlung der Raten in Prozeßkostenhilfesachen erfordert als Belastbarkeitsmaßstab eine Interpolation der Ratenbeträge, zumindest aber eine Auf- oder Abrundung zur nächsten Tabellenstufe, damit ungerechte Fehlbelastungen vermieden werden.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage, mit der die Antragstellerin für ihre Einnahmen aus nebenamtlicher Unterrichtstätigkeit den Freibetrag nach § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begehrt hatte, stattgegeben. Gegen das Urteil hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die vom FG zugelassene Revision eingelegt. Unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse begehrt die Antragstellerin Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Revisionsverfahren.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf PKH ist nicht begründet und daher abzulehnen.
PKH ist nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu bewilligen, wenn eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn ferner die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 115 Abs. 1 ZPO ergibt sich die Höhe der aus dem Einkommen aufzubringenden Raten aus der Anlage 1 der der ZPO beigefügten Tabelle. PKH ist nicht zu gewähren, wenn die Kosten der Prozeßführung vier Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 6 ZPO).
Im vorliegenden Verfahren ist es zwar unerheblich, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, denn die Revision ist vom FA eingelegt worden (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 119 Satz 2 ZPO). Die Kosten der Prozeßführung sind jedoch geringer als vier Monatsraten, die sich nach der Tabelle zu § 114 ZPO aufgrund des maßgebenden Einkommens der Antragstellerin ergeben. Bei dem vorliegenden Streitwert von 648 DM ergibt sich für das Revisionsverfahren ein voraussichtliches Prozeßkostenrisiko von 380 DM (vgl. Eberl, Prozeßkostenrisiko, Betriebs-Berater, Beilage 4/1987 zu Heft 9/1987). Der Antragstellerin steht nach der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13. September 1991 und der für - einen durchschnittlichen Monat - August 1991 vorgelegten Gehaltsbescheinigung ein Netto-Monatslohn von 1976,28 DM zur Verfügung. Dazu rechnet der Senat monatlich 100 DM, die der Antragstellerin aus einmaligen Zahlungen mindestens zustehen, denn nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld, mithin auch ein 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld. Davon sind die in § 76 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes vorgesehenen Beträge abzusetzen (§ 115 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Als einkommensmindernd hat die Antragstellerin monatliche Belastungen angegeben, die im wesentlichen mit dem unentgeltlichen Erwerb ihres Wohnhauses zusammenhängen. Es sind dies monatliche Beträge von . . . DM für ein Tilgungsdarlehen der A-Bank, . . . DM für einen Zwischenkredit, , . . . DM für einen neuen Bausparvertrag und . . . DM für ein Darlehen der B-Bank sowie Beiträge für eine Gebäudeversicherung von . . . DM jährlich. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin davon ausgeht, daß sämtliche von ihr erklärten monatlichen Belastungen ihr Einkommen in voller Höhe mindern und nicht etwa eine ortsübliche fiktive Miete anzusetzen ist (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 142 FGO Tz. 23 m. w. N.), stehen ihr nach Abzug der Belastungen von 869 DM noch 1207 DM zur Verfügung.
Da die Tabelle in Anlage 1 zu § 114 ZPO nicht als Tarif, sondern als Belastbarkeitsmaßstab zu verstehen ist, bedarf ihre Anwendung der Interpolation (vgl. Zöller / Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 115 Rdnr. 72 m. w. N.), die auch das Bundesverfassungsgericht für zulässig hält (beiläufig im Beschluß vom 26. April 1988 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104, 117), zumindest aber der Auf- oder Abrundung zur nächsten Tabellenstufe, damit ungerechte Fehlbelastungen vermieden werden. Aus Vereinfachungsgründen legt der Senat daher zugunsten der Antragstellerin ein Einkommen von 1200 DM zugrunde. Für diesen Betrag ergibt sich aus der Tabelle eine Monatsrate von 120 DM. Das Vierfache dieser Rate übersteigt die Kosten des Revisionsverfahrens um 100 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 423111 |
BFH/NV 1992, 623 |