Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmeridentität für den Verlustabzug nach § 10a GewStG erforderlich
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob der gewerbesteuerrechtliche Verlustvortrag einer Personengesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters (hier durch Erbfall) gemäß § 10 a GewStG um den auf den Gesellschafter entfallenden Anteil zu kürzen und damit verloren ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
Normenkette
GewStG § 10a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die bis 1993 in der Rechtsform einer KG betrieben wurde. Der persönlich haftende Gesellschafter der KG verstarb im Streitjahr 1992. Alleinerbin wurde seine Ehefrau und bisherige alleinige Kommanditistin.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) vertrat im Rahmen der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Verlustes nach § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) die Ansicht, daß der auf den verstorbenen Gesellschafter entfallende anteilige Fehlbetrag nicht mehr vortragsfähig sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verwies in seinem Urteil auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der ein Verlustabzug nach § 10 a GewStG voraussetzt, daß Unternehmens- und Unternehmeridentität vorliegen und daß beim Tode eines Gesellschafters der Verlustabzug in Höhe des auf ihn entfallenden Anteils am Fehlbetrag verlorengeht (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1993 VIII R 160/86, BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331).
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, "ob der gewerbesteuerliche Verlustvortrag einer Personenhandelsgesellschaft bei Ausscheiden (hier durch Erbfall) eines Gesellschafters gemäß § 10 a GewStG um den Anteil zu kürzen ist, der dem ausgeschiedenen Gesellschafter zugerechnet wird".
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet; sie war deshalb zurückzuweisen.
Die Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Sie ist nicht mehr klärungsbedürftig.
1. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil in BFHE 173, 371, BStBl II 1994, 331 unter Hinweis auf eine langjährige Rechtsprechung des BFH näher ausgeführt, weshalb auch bei Gesamtrechtsnachfolge der auf den verstorbenen Gesellschafter entfallende anteilige Fehlbetrag untergeht. Die Beschwerde setzt sich mit den bei einem Gesellschafterwechsel durch Erbfall auftretenden besonderen (zusätzlichen) Fragen nicht auseinander. Der Hinweis, es leuchte nicht ein, daß bei einem Erben, der als Gesamtrechtsnachfolger vollständig in die Rechtsstellung eines verstorbenen Gesellschafters einer fortbestehenden KG einrückt, die Voraussetzungen eines Unternehmerwechsels gegeben sein sollen, während der ehemalige Gesellschafter einer nicht mehr existierenden KG als rechtsnachfolgender Einzelunternehmer partiell nicht als "anderer Unternehmer" i. S. von § 2 Abs. 5 GewStG angesehen werde (BFH-Urteil vom 11. August 1993 III R 83/89, BFH/NV 1994, 263), reicht für eine schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage nicht aus (zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer bereits entschiedenen Rechtsfrage vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnrn. 9, 62).
2. Soweit sich die Beschwerde allgemein gegen das Erfordernis der Unternehmer identität für den Verlustabzug nach § 10 a GewStG wendet, trägt sie keine so gewichtigen neuen und von der Rechtsprechung bisher nicht berücksichtigten Gesichtspunkte vor, daß eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich wären. Die Klägerin legt zu den tragenden Gründen dieser Rechtsprechung letztlich nur ihre eigene abweichende Rechtsansicht dar.
a) Der Große Senat hat in seinem Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616) mit ausführlicher Begründung dargelegt, weshalb nur derjenige Gesellschafter zum Verlustabzug nach § 10 a GewStG berechtigt ist, der den Verlust erlitten hat (Mitunternehmeridentität). Dem haben sich die Ertragsteuersenate des BFH angeschlossen (vgl. dazu die Nachweise im BFH-Beschluß vom 12. Juni 1996 IV B 133/95, BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82; zuletzt Senatsurteil vom 26. Juni 1996 VIII R 41/95, BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179). Diese Rechtsprechung hat zwar einen größeren Teil des Schrifttums nicht überzeugen können (Blümich/von Twickel, Gewerbesteuergesetz, 15. Aufl., § 10 a Rdnr. 82; Finkbeiner, Der Betrieb -- DB -- 1993, 2201; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl., § 10 a Anm. 12; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 10 a Anm. 62 und 89; Söffing, DB 1994, 747, 748); ihr kann aber nicht vorgeworfen werden, sie hätte für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte übersehen. Das gilt insbesondere für den Einwand, der Große Senat habe den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer nicht genügend beachtet, und für den Einwand, sein Beschluß stehe in Widerspruch zu anderen Entscheidungen des BFH (auch des Großen Senats), die die rechtliche Selbständigkeit der Personengesellschaft im Einkommensteuerrecht und Gewerbesteuerrecht stärker als bisher betonten. Der erkennende Senat nimmt insoweit auf die Begründung des Beschlusses des IV. Senats des BFH in BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82 Bezug.
b) Eine erneute Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb geboten, weil der Große Senat sich in seinem Beschluß nicht mit der Zulässigkeit einer richterlichen Rechtsfortbildung auseinandergesetzt hat. Ausführungen zu dieser Frage bedurfte es nicht. Der Große Senat hat insoweit keine Gesetzeslücke angenommen. Er hat vielmehr in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 unter C. III. 9. der Entscheidungsgründe ausgeführt, seine Rechtsauslegung ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in ihrem systematischen Zusammenhang und stehe auch nicht im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes. Zu den von der Klägerin dargelegten Systembrüchen muß es dabei nicht kommen. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 180, 455, BStBl II 1997, 179 (dort unter 2. b der Gründe) ausgeführt, daß der Große Senat nicht grundsätzlich entschieden habe, daß nicht die Gesellschaft (Mitunternehmerschaft), sondern der Mitunternehmer sachlich gewerbesteuerpflichtig sei; er habe dies nur für den Mitunternehmer als Träger eines Verlustes i. S. von § 10 a GewStG entschieden. Er habe deshalb auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das Gesetz im Wege der Auslegung dahin zu deuten sei, daß für Zwecke des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs der partielle Unternehmerwechsel dem totalen Unternehmerwechsel im Grundsatz gleichzustellen sei. Damit knüpft der Große Senat an die Regelungen des GewStG zum totalen Unternehmerwechsel an (§ 2 Abs. 5, Abs. 2, § 10 a Satz 3 GewStG). Diese stellen aber ihrerseits bereits Ausnahmen von der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers dar, die Gewerbesteuer als Objektsteuer auszugestalten. Der BFH hat deshalb bereits in seinem Urteil vom 19. Dezember 1957 IV 666/55 U (BFHE 66, 548, BStBl III 1958, 210) ausgeführt, daß die Berücksichtigung des Unternehmerwechsels einen "Einbruch in den Realsteuercharakter der Gewerbesteuer" darstelle, und daß auch bei § 10 a GewStG "insoweit der Objektcharakter der Gewerbesteuer zurücktreten müsse" (zur systematischen Stellung des § 2 Abs. 5 GewStG vgl. u. a. Lenski/Steinberg, a. a. O., § 2 Rdnrn. 1526 f.). Dementsprechend muß sich auch die Anwendung dieser Vorschriften auf den im Gesetz nicht geregelten Gesellschafterwechsel am Ausnahmetatbestand des Verlustabzugs bei einem Unternehmerwechsel und nicht allein am Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer orientieren.
Der Große Senat hätte allerdings unter Berücksichtigung der stärkeren Betonung der rechtlichen Selbständigkeit der Personengesellschaft in der neueren Rechtsprechung des BFH "Unternehmerwechsel" nicht notwendig im Sinne von "Mitunternehmerwechsel" verstehen müssen. Die insoweit gegen seine Entscheidung in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 bestehenden Bedenken waren ihm jedoch bewußt (vgl. dazu C. III. 6. seines Beschlusses). Neue Gesichtspunkte trägt die Beschwerde hierzu nicht vor.
3. Soweit die Beschwerde geltend macht, der Beschluß des Großen Senats verstoße gegen Verfassungsrecht, legt sie zwar ggf. die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dar (zur Darlegungspflicht bei behauptetem Verfassungsverstoß vgl. etwa BFH-Beschluß vom 27. Februar 1991 II B 27/90, BFHE 163, 495, BStBl II 1991, 465, und Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 13, m. w. N.); sie ist aber auch insoweit nicht begründet.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 7. Dezember 1993 VIII R 4/88 (BFH/NV 1994, 573) darauf hingewiesen, daß die Berücksichtigung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der "Unternehmeridentität" bei der Auslegung des § 10 a GewStG nicht gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstößt. Diese Frage ist deshalb -- für den Finanzrechtsweg -- geklärt.
Auch die von der Klägerin erhobenen weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken bedürfen keiner Klärung im Revisionsverfahren; sie sind "ohne weiteres von der Hand zu weisen" (zu der in diesem Fall fehlenden Klärungsbedürftigkeit vgl. etwa BFH-Beschluß vom 23. August 1991 VI B 44/91, BFHE 165, 172, BStBl II 1991, 885). Der Große Senat hat die Beurteilung des partiellen Unternehmerwechsels nach den für den totalen Unternehmerwechsel geltenden Grundsätzen u. a. mit dem steuerrechtlichen Gleichbehandlungsgebot von Einzelunternehmern und Personengesellschaftern begründet (a. a. O., unter Abschn. C III. 9. g der Gründe). Das GewStG gibt insoweit keine klaren Anweisungen (so zutreffend u. a. Lenski/Steinberg, a. a. O., § 10 a Anm. 89 a. E.), so daß diese Auslegung jedenfalls nicht gegen Wortsinn und -- wie ausgeführt -- das System des Gewerbesteuerrechts verstößt (zur Systemgerechtigkeit einer Regelung oder Auslegung als Differenzierungsmaßstab vgl. z. B. Schmidt- Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 8. Aufl., Art. 3 Rdnr. 22, mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Auslegung einfacher gesetzlicher Bestimmungen ist Sache der FG (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. u. a. Beschluß vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318). Die Grenzen dieser Auslegung werden mit der Gleichbehandlung von Einzel- und Mitunternehmern nicht überschritten.
Fundstellen
Haufe-Index 422380 |
BFH/NV 1997, 897 |
DStRE 1998, 315 |