Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen wiederholter gerichtlicher Aussetzungsanträge; Auslegung als Beschwerde; generelle Unstatthaftigkeit außerordentlicher Beschwerden
Leitsatz (NV)
1. Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung eines vom Gericht der Hauptsache in einem Aussetzungsverfahren ergangenen Beschlusses nur wegen veränderter oder in ursprüngliche Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
2. Dadurch soll verhindert werden, dass sich das Gericht wiederholt mit denselben Aussetzungsbegehren befassen muss. Die Einschränkungen gelten erst recht in der Revisionsinstanz; denn andernfalls könnte durch wiederholte Aussetzungsanträge die Regelung des § 128 FGO unterlaufen werden.
3. Derartige Umstände liegen dann vor, wenn entweder nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten den Fall in tatsächlicher Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen oder wenn eine Gesetzesänderung oder eine zwischenzeitlich ergangene gerichtliche Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können.
4. Die Voraussetzungen für einen erneuten Aussetzungsantrag an das Gericht liegen hingegen nicht bei unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage vor, wenn der Antragsteller lediglich neue rechtliche Überlegungen vorträgt oder seine bisherige Argumentation wiederholt.
5. Dies gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 Sätze 1-2, § 128 Abs. 1, 3
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat den am 13. Juni 2007 bei ihm gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines geänderten Gewinnfeststellungsbescheids für 2000 vom 19. Dezember 2006 mit Beschluss vom 23. Juli 2007 zu Az. 7 V 95/07 abgelehnt, da die AdV eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes nicht möglich sei. Der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 vom 19. Dezember 2006 sei bestandskräftig geworden, da der dagegen eingelegte Einspruch vom 23. April 2007 verspätet erhoben worden sei und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorlägen. Die mehrfach an das FG gestellten Änderungsanträge gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat das FG durchweg abgewiesen, zuletzt mit Beschluss vom 19. Dezember 2007 7 V 95/07, ohne jeweils eine Beschwerde zuzulassen.
Die Klage gegen den geänderten gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 vom 19. Dezember 2006 und die den dagegen eingelegten Einspruch als unzulässig verwerfende Einspruchsentscheidung hat das FG mit Urteil vom 18. Dezember 2007 7 K 137/07 als unbegründet abgewiesen.
Die vom Antragsteller hiergegen eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat mit Beschluss vom heutigen Tag unter dem Az. VIII B 23/08 als unzulässig verworfen.
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2008 hat der Antragsteller beantragt, der Bundesfinanzhof (BFH) möge den ablehnenden Beschluss des FG vom 19. Dezember 2007 7 V 95/07 aufheben und den Vollzug des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids für 2000 vom 19. Dezember 2006 aussetzen.
Der Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unzulässig. Nachdem das FG über den Aussetzungsantrag des Antragstellers bereits ablehnend entschieden und mehrfach Änderungsanträge wegen Fehlens der in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO aufgeführten zusätzlichen Voraussetzungen ebenfalls abgelehnt hat, wäre auch ein Antrag an den BFH nur unter den Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine Änderung der ergangenen Entscheidung des FG verlangt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall indes nicht vor.
1. Ist ein Steuerverwaltungsakt Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO dessen Vollzug unter bestimmten Umständen aussetzen. Gericht der Hauptsache ist der BFH dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt Gegenstand eines bei ihm anhängigen Verfahrens geworden ist.
Das Gericht der Hauptsache kann einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit aufheben oder ändern (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Dies gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig und der erneute Antrag deshalb beim BFH zu stellen ist (grundlegend BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 1999 I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86; vom 8. Mai 2008 IX S 30/07, BFH/NV 2008, 1499, jeweils m.w.N.).
Derartige Umstände liegen dann vor, wenn entweder nachträglich eingetretene oder bekannt gewordene Gegebenheiten den Fall in tatsächlicher Hinsicht in einem neuen Licht erscheinen lassen oder wenn eine Gesetzesänderung oder eine zwischenzeitlich ergangene gerichtliche Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage führen können.
Bei unveränderter tatsächlicher und rechtlicher Ausgangslage erfüllen lediglich neue rechtliche Überlegungen des Antragstellers ebenso wie die bloße Wiederholung der bisherigen Argumentation den Tatbestand des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO indes nicht. Sie sind deshalb nicht geeignet, die Statthaftigkeit eines wiederholten Antrags auf gerichtliche AdV zu begründen.
Durch § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO soll verhindert werden, dass sich das Gericht wiederholt mit denselben Aussetzungsbegehren befassen muss. Diese Einschränkung gilt erst recht in der Revisionsinstanz; denn anderenfalls könnte durch wiederholte Aussetzungsanträge die Regelung des § 128 Abs. 3 FGO unterlaufen werden, nach welcher die Beschwerde gegen den eine AdV ablehnenden Beschluss des FG nur statthaft ist, wenn das FG sie zugelassen hat.
2. Die hiernach zu erfüllenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines wiederholten Antrags auf AdV gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO liegen im Streitfall nicht vor. Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch ist es den Akten zu entnehmen, dass im Anschluss an die Aussetzungsentscheidung des FG Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die eine Änderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts oder der maßgeblichen Rechtslage bewirken könnten. Ebenso wenig hat der Antragsteller geltend gemacht, vor dem FG bestimmte Umstände ohne Verschulden nicht vorgebracht zu haben. Vielmehr beruft er sich letztlich auf dieselben Tatsachen und Erwägungen wie in den bereits abgeschlossenen Verfahren wegen AdV. Somit handelt es sich um schlichte Wiederholungen eines bereits negativ verbeschiedenen Antrags, die gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO indes nicht zur Statthaftigkeit eines erneuten Antrags führen können. Der Antrag ist deshalb abzulehnen, ohne dass in diesem Verfahren auf die sachliche Berechtigung des Begehrens des Antragstellers einzugehen ist.
3. Das Begehren des Antragstellers kann auch nicht als Beschwerde i.S. von § 128 Abs. 1 FGO ausgelegt werden, da das FG in dem zuletzt ergangenen ablehnenden Beschluss vom 19. Dezember 2007 7 V 95/07 die Beschwerde ausdrücklich nicht zugelassen hat. Eine Beschwerde ist indes nach § 128 Abs. 3 FGO kraft Gesetzes nur dann statthaft, wenn sie vom FG ausdrücklich zugelassen worden ist. Die Nichtzulassung der Beschwerde kann auch nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Mai 2008 VIII B 66/08, juris).
4. Eine außerordentliche Beschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung generell unstatthaft (grundlegend BFH-Beschluss vom 30. November 2005 VIII B 181/05, BFHE 211, 37, BStBl II 2006, 188).
Fundstellen