Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Begründungsanforderungen bei grundsätzlicher Bedeutung und Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
- Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und einheitlichen Handhabung des Rechts berührt (Beschluss des BFH vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn lediglich behauptet wird, eine Rechtsfrage habe grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus und sei noch nicht entschieden. Hieraus ergibt sich nicht, dass die angeführte Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603).
- Wird gerügt, das FG habe das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist ein derartiger Mangel nur dann schlüssig dargelegt, wenn dargetan wird, dass das angegriffene Urteil ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (so BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601, sowie vom 27. Dezember 1993 VII B 82/92, BFH/NV 1995, 398, unter 2.).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; AO 1977 §§ 125, 163 Abs. 1 S. 1, § 174 Abs. 1 S. 1, § 181 Abs. 3; BewG § 24 Abs. 1 Nr. 2, § 132 Abs. 2; GrStG § 42; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, ist Eigentümerin eines Mietwohngrundstücks im Beitrittsgebiet. Für dieses Grundstück lag auf den 1. Januar 1991 keine wirksame Feststellung des Einheitswerts vor. Die Erhebung der Grundsteuer für dieses Grundstück erfolgte für die Jahre 1991 bis 1996 nach den sich aus § 42 des Grundsteuergesetzes (GrStG) ergebenden Ersatzbemessungsgrundlagen.
Durch Einheitswertbescheid vom 17. Oktober 1996 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) u.a. den Einheitswert für das Grundstück der Klägerin auf den 1. Januar 1991 im Wege der Nachfeststellung fest und erließ auf den 1. Januar 1991 einen Grundsteuermessbescheid. Auf dieser Grundlage ergingen am 30. Dezember 1996 für das Jahr 1991 und am 10. Dezember 1996 für die Jahre 1995 bis 1996 nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechende Grundsteuerbescheide. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
1998 beantragte die Klägerin beim FA, die Nichtigkeit des Einheitswertbescheides vom 17. Oktober 1996 festzustellen sowie den Grundsteuermessbescheid und die Grundsteuerfestsetzungen für 1991 bis 1996 aufzuheben, bzw. hilfsweise, den Einheitswertbescheid nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) aufzuheben. Das FA habe bei Erlass der Bescheide übersehen, dass in ihrem Fall nach § 132 Abs. 2 BewG die Feststellung des Einheitswerts zu unterbleiben habe. Denn ein Einheitswert habe auf den 1. Januar 1991 nicht vorgelegen; ferner habe der Einheitswert nur für die Grundsteuer Bedeutung gehabt.
Das FA lehnte den Antrag der Klägerin durch Bescheid vom 17. September 1998 ab. Einspruch und Klage blieben ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führt aus, der Einheitswertbescheid vom 17. Oktober 1996 sei nicht nach § 125 Abs. 1 AO 1977 nichtig. Er leide nicht an einem besonders schweren Fehler. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheides nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG, denn für das Grundstück lägen keine Befreiungsgründe vor. § 132 Abs. 2 BewG enthalte keinen Befreiungstatbestand. Schließlich unterliege die Klägerin hinsichtlich ihres Gewerbeertrages seit 1991 der Gewerbesteuerpflicht. Auch aus diesem Grunde greife § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG nicht ein.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Diese macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Dies beurteilt sich nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), wie sich aus Art. 4 dieses Gesetzes ergibt. Denn die angefochtene Entscheidung des FG ist vor dem 1. Januar 2001 verkündet worden.
Die Begründung der Beschwerde genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach muss in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt bzw. der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn über eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und einheitlichen Handhabung des Rechts berührt (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Der Beschwerdeführer muss demnach eine bestimmte Rechtsfrage herausstellen, die für den Rechtsstreit erheblich sein kann und begründen, warum sie im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 3. Februar 1987 V B 99/86, BFH/NV 1987, 312).
Die Klägerin hat zwar in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage bezeichnet, nämlich die Frage aufgeworfen, ob für die Aufhebung der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1991 möglicherweise die Vorschriften der §§ 125, 163 Abs. 1 Satz 1, 174 Abs. 1 Satz 1 bzw. 181 Abs. 3 AO 1977 in Betracht kämen, jedoch keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage gemacht. Sie hat lediglich behauptet, die Frage habe grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus und sei noch nicht entschieden. Dies reicht jedoch nicht aus. Aus den Ausführungen der Klägerin ergibt sich nicht, dass die angeführte Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 22. Februar 1994 V B 85/93, BFH/NV 1995, 603).
2. Auch einen Verfahrensfehler hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan. Wird ―wie im Streitfall― gerügt, das FG habe das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt, ist ein derartiger Mangel nur dann schlüssig dargelegt, wenn dargetan wird, dass das angegriffene Urteil ausgehend von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (so BFH-Beschlüsse vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601, sowie vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398, unter 2.).
Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, das FG habe für sie überraschend die Voraussetzungen des Unterbleibens der Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1991 nach § 132 Abs. 2 BewG verneint und dabei übersehen, dass es für sie als reines Grundstücksunternehmen einer Einheitswertfeststellung für Gewerbesteuerzwecke nicht bedurft habe (vgl. gleichlautende Ländererlasse vom 20. November 1990, BStBl I 1990, 827, 828, unter Tz. 3.1.2); sie hat aber in ihrer Beschwerdebegründung nicht dazu Stellung genommen, ob und inwieweit die Rechtsauffassung des FG für die Entscheidung über ihren Nichtigkeitsfeststellungsantrag bzw. ihren Aufhebungsantrag nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BewG hätte rechtserheblich sein können.
Fundstellen
Haufe-Index 667068 |
BFH/NV 2002, 499 |