Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Hinreichende Aussicht auf Erfolg
Leitsatz (NV)
1. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, eine vertretungsberechtigte Person mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu beauftragen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
2. Eine Wiedereinsetzung setzt voraus, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde alles ihm Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit liegende Hindernis zu beheben. Hierzu gehört, dass der Beschwerdeführer beim BFH den Antrag auf PKH stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt beifügt.
Normenkette
FGO §§ 56, 62a, 116 Abs. 2 S. 1, § 142 Abs. 1, § 155; StBerG § 3; ZPO § 78 Abs. 5, § 114 S. 1, § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 4
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Kläger und Antragsteller (Kläger) wegen Kindergeld ab und ließ die Revision nicht zu. Das FG hatte die im Ausland lebenden Kläger gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Schreiben vom 24. März 2003 gebeten, bis zum 1. September 2003 einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Dieser Aufforderung waren die Kläger nicht nachgekommen. Das FG gab das Urteil den Klägern mit einfachem Brief, der am 23. Juni 2006 zur Post gegeben wurde, bekannt. Mit am 11. August 2006 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schreiben legten die Kläger persönlich Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Die Beschwerde "schließe ebenfalls die vorhergehende Festlegung zur Prozesskostenhilfe mit ein". Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse legten die Kläger nicht vor.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat legt das Rechtsschutzbegehren der Kläger als Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde aus. Denn eine von den Klägern persönlich erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wäre wegen des für Verfahren vor dem BFH geltenden Vertretungszwangs (§ 62a FGO) unzulässig. Für den beim BFH als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht hingegen kein Vertretungszwang (§ 155 FGO i.V.m. § 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
2. Der Antrag auf PKH wird abgelehnt.
a) Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten amtlichen Vordrucke zu benutzen (§ 117 Abs. 4 ZPO).
b) Das beabsichtigte Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.
Zwar ist es nicht bereits deshalb aussichtslos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine zur Vertretung vor dem BFH berechtigte Person (§ 62a FGO) erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, eine vertretungsberechtigte Person mit der Einlegung der Beschwerde zu beauftragen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Eine Wiedereinsetzung setzt jedoch voraus, dass der Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Hiervon kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur ausgegangen werden, wenn der Beschwerdeführer innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH alles ihm Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Er muss daher bis zum Ablauf der Beschwerdefrist die Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde schaffen. Dazu gehört, dass er innerhalb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH den Antrag auf PKH stellt und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt beifügt (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. April 2004 VII S 9/04, BFH/NV 2004, 1288, und vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249, jeweils m.w.N.; vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Februar 2000 2 BvR 106/00, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2000, 1409).
Für die Berechnung der Beschwerdefrist kommt es im Streitfall nicht auf den tatsächlichen Zugang des Urteils bei den Klägern an, da das Urteil gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 FGO den Klägern bereits mit der Aufgabe zur Post am 23. Juni 2006 als zugestellt gilt. Der --von den Klägern behauptete-- tatsächliche Zugang des Urteils am 12. Juli 2006 rechtfertigt auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO). Selbst wenn die Fristversäumnis darauf beruhen sollte, wäre sie jedenfalls nicht unverschuldet, da die Kläger keinen inländischen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hatten (vgl. BFH-Beschluss vom 14. November 1989 VII B 82/89, BFH/NV 1990, 584).
Überdies ist eine Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger auch deshalb ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO im Streitfall selbst bei einer summarischen Prüfung von Amts wegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 20. April 2004 III S 1/04 (PKH), juris) nicht erkennbar ist. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Auch Verfahrensfehler des FG sind aus den Akten nicht ersichtlich.
3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Nr. 3, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).
Fundstellen