Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzlich keine Richterablehnung allein wegen bestimmter sachleitender Verfügungen
Leitsatz (NV)
Ein Richterablehnungsgesuch ist dann nicht begründet, wenn sich die Befangenheit nach den Gesamtumständen allenfalls aus der Art bestimmter sachleitender Verfügungen ergeben kann und bewußte Verfahrensverstöße des Richters nicht erkennbar sind.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 2; ZPO § 42 Abs. 1-2
Tatbestand
Die vor dem . . . Senat des Finanzgerichts (FG) anhängige Klage richtet sich gegen Änderungsbescheide, die auf einer Steuerfahndungsprüfung beruhen. Nach dem Prüfungsbericht soll der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Zinseinnahmen aus Festgeldkonten bei verschiedenen Banken in seinen Steuererklärungen nicht angegeben haben. Nunmehr ist streitig, ob diese Zinseinnahmen in voller Höhe dem Kläger oder (zum Teil) anderen Personen zuzurechnen sind.
Bei einem Erörterungstermin am 20. Dezember 1983 gab der Berichterstatter, Richter am FG Z, dem Kläger auf, die ladungsfähigen Anschriften der von ihm benannten Personen mitzuteilen. Mit verschiedenen Schreiben vom 23. Dezember 1983 bat der Berichterstatter die in Betracht kommenden Banken um Auskunft über die dort von dem Kläger unterhaltenen Konten, insbesondere über die Person des Kontoinhabers, die Höhe des Guthabens, die Höhe der Zinsen und über besondere, von der Kontoinhaberschaft abweichende Abreden bezüglich der Zurechnung des Kapitals oder der Zinsen.
Mit am 23. Juli 1984 eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger beim FG, den Berichterstatter als befangen abzulehnen. Er begründet seinen Antrag - soweit er das vorliegende Verfahren betrifft - wie folgt:
1. Er solle, obwohl er die von dem Ermittlungsbeamten beiseite geschaffte Akte mit den Festgeldunterlagen noch nicht zur Einsicht erhalten habe, bis zum 31. Juli 1984 Stellung nehmen.
2. Die Befangenheit des Berichterstatters ergebe sich aus den Fragen bzw. unterdrückten Fragen an die Banken. So müsse die X-Bank im Zusammenhang mit dem Zahlungsbeleg über 6 148,75 DM mit dem Vermerk ,,Adam" befragt werden, wohin die auf dem Festgeldkonto im Soll stehende Zahlung mit dem Vermerk ,,Adam" gegangen sei. Diese Frage sei unterblieben. Durch diese Untätigkeit des Berichterstatters laufe er - der Kläger - Gefahr, wichtige Beweise, die im Jahre 1983 hätten erbracht werden können, im Jahre 1984 zu verlieren. Weiter habe der Berichterstatter nach nicht einer der 58 aufgezeigten Beweismittelunterdrückungen gefragt. Er habe nicht nach der Differenz in Höhe von 200 000 DM aus Festgeldern bei der X-Bank gefragt.
Nachdem er - der Kläger - den Vorschlag des Berichterstatters, 50% der von den Ermittlungsbeamten manipulierten Beträge zu akzeptieren, abgelehnt habe, versuche der Berichterstatter, von den Banken Angaben über Beträge bestätigt zu erhalten, die noch über die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) festgestellten Beträge hinausgingen.
3. Der Berichterstatter werfe ihm vor, er sei der gerichtlichen Verfügung vom 20. Dezember 1983 nicht nachgekommen, die ladungsfähige Anschrift des Zeugen Adam anzugeben. Offensichtlich habe der Berichterstatter sein Schreiben vom 5. Januar 1984, in dem er sehr ausführlich geschrieben habe, nicht gelesen.
Der Berichterstatter hat zu dem Ablehnungsgesuch durch dienstliche Äußerung vom 26. September 1984 im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
Zu Nr. 1: Der Vertreter des Klägers habe die Akte des FG einschließlich der beiden Ordner mit Belegen am 15. Dezember 1983 eingesehen (vgl. Vermerk FG-Akte Bl. 155).
Zu Nr. 2: Die Frage, in welcher Höhe Zinsen entstanden und wem diese zuzurechnen seien, werde im Wege der Beweisaufnahme zu klären sein. Dazu seien zunächst die Banken um Auskunft gebeten worden. Nach Eingang der schriftlichen Auskünfte sei der gerichtseigene Prüfer mit weiteren Sachverhaltsfeststellungen beauftragt worden. Die von dem Kläger in der Anfrage an die X-Bank vermißte Frage, wohin die auf dem Festgeldkonto angefallenen Zinsen in Höhe von 6 148,75 DM gezahlt worden seien, sei zu dem damaligen Zeitpunkt entbehrlich gewesen. Statt dessen sei der Bank die Frage gestellt worden, wer Kontoinhaber gewesen sei und ob hinsichtlich der Zurechnung des Kapitals oder der Zinsen mit der Bank von der Kontoinhaberschaft abweichende Abreden getroffen worden seien, wenn ja, welche. Die Frage, welche internen Abreden zwischen dem Kläger und Adam getroffen worden seien, werde durch die Vernehmung des Adam als Zeugen oder aber als Beigeladenen zu ermitteln sein. Im übrigen schließe die Anfrage des Berichterstatters bei der Bank nicht aus, daß der Kläger selbst im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht die zur Aufklärung erforderlichen Beweise beibringe.
Der . . . Senat des FG hat das Ablehnungsgesuch mit Beschluß vom 19. Dezember 1984 ohne Mitwirkung des Richters Z zurückgewiesen. Er vertrat die Auffassung, daß die von Z angeordneten Maßnahmen den Grundsätzen eines geordneten Verfahrens entsprächen. Selbst wenn in einem Falle aus Versehen oder in Verkennung der Rechtslage eine zur Aufklärung des Sachverhalts gebotene Frage des Berichterstatters unterlassen worden sei und dies einen Verfahrensverstoß dargestellt haben sollte, so sei hierin kein Anhaltspunkt dafür zu sehen, daß dies auf einer Voreingenommenheit des Berichterstatters beruhen könne.
Der Kläger hat gegen den Beschluß des FG durch seinen Prozeßbevollmächtigten Beschwerde eingelegt, der das FG nicht abgeholfen hat. Ein Beschwerdeantrag sowie eine Begründung der Beschwerde wurde trotz mehrfacher Erinnerung seitens des FG und seitens der Geschäftsstelle des Senats nicht vorgelegt.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit dieses Richters zu rechtfertigen.
Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen ohne Rechtsverstoß verneint. Da das Ablehnungsgesuch nicht auf persönliche Äußerungen des abgelehnten Richters gestützt wurde, könnte sich allenfalls aus der Art bestimmter sachleitender Verfügungen der Eindruck eines Befangenseins ergeben. Die vom FG hierzu getroffenen Feststellungen lassen indes Anhaltspunkte in dieser Richtung nicht erkennen. Da der Prozeßbevollmächtigte des Klägers selbst im Beschwerdeverfahren nicht auf weitere - möglicherweise vom FG übersehene - Umstände hingewiesen hat, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, beschränkt der Senat seine rechtliche Würdigung auf den im angefochtenen Beschluß festgestellten Sachverhalt.
Fundstellen
Haufe-Index 414898 |
BFH/NV 1987, 308 |