Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge eines Verfassungsverstoßes
Leitsatz (NV)
Wird mit einer Beschwerde ein Verfassungsverstoß gerügt, ist in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten, sie vielmehr in willkürlicher Weise verletzt hat.
Normenkette
AO § 239 Abs. 1 S. 2 Nr. 4; FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.07.2008; Aktenzeichen 5 K 1539/08) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt zwar, eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bzw. zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) erforderlich. Ferner macht er Verfahrensmängel durch das Finanzgericht (FG) geltend. Der angerufene Senat kann offenlassen, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.
1. Eine Rechtssache hat u.a. dann keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn sich die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die grundsätzliche Bedeutung fehlt ferner dann, wenn der Rechtsstreit maßgeblich von den tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts abhängt (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2000 V B 160/99, BFH/NV 2000, 998). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn geltend gemacht wird, die Fortbildung des Rechts erfordere i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO eine Entscheidung des BFH.
2. Der Kläger wirft die Frage auf, ob der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt habe, einen Steuerpflichtigen von der Verzinsung seiner Erstattungen allein deshalb auszuschließen, weil er mangels Kenntnis der Umstände einen rechtzeitigen Antrag versäumt habe, und ob die Vorschrift des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO) mit der Gewährleistung des Eigentums durch das Grundgesetz (GG) in Einklang stehe.
Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des BFH, weil sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat. Zutreffend hat das FG ausgeführt (S. 6 der Entscheidungsgründe), dass die Festsetzungsfrist nicht erst zu laufen begann, nachdem der Kläger von seinem Anspruch auf Festsetzung von Prozesszinsen Kenntnis erlangt hatte. § 239 AO enthalte nach seinem Wortlaut keine Anlaufhemmung, so dass es auf die Kenntnis des Klägers nicht ankomme. Die Kenntnis des Klägers sei auch kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal; ein solches wäre mit dem GG nicht vereinbar, da der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die Steuern und Nebenleistungen nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen habe. Mit diesem Grundsatz sei nicht in Einklang zu bringen, eine bestehende gesetzliche Regelung entgegen ihrem Wortlaut zu ergänzen und steuerliche Pflichten und Rechte von subjektiven Kenntnissen eines Steuerpflichtigen abhängig zu machen. Das Gesetz kenne vielmehr nur die Verzinsung auf der Grundlage genau umschriebener Tatbestände.
3. Soweit der Kläger einen Verfassungsverstoß geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.
a) Wird mit der Beschwerde ein Verfassungsverstoß geltend gemacht, so muss der Beschwerdeführer diesen zumindest inhaltlich näher begründen. Zu einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung gehört eine substantiierte, an den Vorgaben des GG sowie der dazu ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts orientierte rechtliche Auseinandersetzung (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2006 II B 13/05, BFH/NV 2006, 1299, m.w.N.).
b) Diese Anforderungen gelten auch für den hier geltend gemachten Verstoß des § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO gegen Verfassungsrecht. Insoweit hätte es eingehender Ausführungen dazu bedurft, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten, sie vielmehr in willkürlicher Weise verletzt hat. Erforderlich gewesen wäre zudem eine Auseinandersetzung mit der Systematik der Verzinsung steuerlicher Ansprüche. Daran fehlt es in der Beschwerdebegründung; der Kläger begründet die von ihm gestellte Frage, ob § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO mit der Gewährleistung des Eigentums durch das GG in Einklang steht, lediglich mit dem Hinweis, der gleichzeitig mit der Steuererstattung entstandene Anspruch auf Prozesszinsen sei Bestandteil des Eigentums, welches nach dem GG gewährleistet werde.
4. Schließlich genügt auch die vom Kläger erhobene Rüge, das FG-Urteil leide an Verfahrensmängeln, nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Der Kläger hat hierzu geltend gemacht, das FG habe die in Rede stehende Vorschrift nicht auf deren Verfassungsmäßigkeit hin überprüft und den Anspruch lediglich mit Hinweis auf den klaren Wortlaut der Vorschrift versagt. Mit diesem Vorbringen rügt der Kläger jedoch keinen Verfahrensfehler, sondern einen materiellen Fehler. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen indessen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Mängel bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Dass das angefochtene Urteil derart gravierende Mängel aufweist, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 2095906 |
BFH/NV 2009, 411 |