Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält daran fest, daß die Erörterung der Sache vor dem Vorsitzenden oder dem Berichterstatter nicht eine mündliche Verhandlung im Sinne des § 31 Nr. 2 BRAGebO ist.
Normenkette
FGO §§ 79, 139 Abs. 3, § 149 S. 1; BRAGO § 31 Nr. 2, § 114 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer erhob wegen des Einkommensteuerbescheides 1963, wegen des Gewerbesteuermeßbescheides 1963 und wegen des Umsatzsteuerbescheides 1963 Klage gegen das FA. Die Sach- und Rechtslage wurde am 9. Juni 1967 vor dem Senatsvorsitzenden des FG unter Teilnahme eines Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers erörtert. Entsprechend der Einigung, die während dieses Erörterungstermins zwischen den Beteiligten erzielt wurde, änderte das FA die Steuerbescheide ab. Daraufhin entschied das FG durch die Beschlüsse IV 1379, 1380 und 1381/66 vom 12. Juli 1967 u. a. , daß das FA die Kosten der Klagen wegen Einkommensteuer 1963, wegen des einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheides 1963 und wegen Umsatzsteuer 1963 zu tragen habe. Mit dem Antrag auf Festsetzung der zu erstattenden Kosten forderte der Beschwerdeführer für jedes Klageverfahren die Erstattung von drei Gebühren in Höhe von je 19 DM, 140 DM und 25 DM. Der Urkundsbeamte setzte jedoch für jedes Verfahren nur zwei Gebühren fest und lehnte die Festsetzung einer Verhandlungsgebühr jeweils mit der Begründung ab, daß eine Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden habe. Die deswegen eingelegten Erinnerungen wies das FG durch die Beschlüsse B II 123, 157 und 158/67 vom 16. Mai 1968 als unbegründet zurück. Gegen diese Entscheidungen ließ das FG jeweils die Beschwerde zu.
Der Beschwerdeführer legte mit der Begründung Beschwerde ein, daß er die Ersattung einer Verhandlungsgebühr für jedes Verfahren verlangen könne, da seinen Prozeßbevollmächtigten wegen der Teilnahme an dem Erörterungstermin eine solche Gebühr zustehe. Die Teilnahme eines Rechtsanwalts an einem Erörterungstermin komme bei sinngemäßer Anwendung der entsprechenden Vorschriften der FGO und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung gleich.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Die Beschwerden gegen die Entscheidungen des FG sind nicht begründet.
Verhandlungsgebühren sind dem Beschwerdeführer nicht zu erstatten, da mündliche Verhandlungen i. S. des § 31 Nr. 2 BRAGebO nicht stattgefunden haben und die Prozeßbevollmächtigten folglich auch nicht eine Verhandlungsgebühr fordern können. Wie der Senat bereits durch Beschluß VII B 96/67 vom 27. September 1968 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 93 S. 408 - BFH 93, 408 -, BStBl II 1968, 826) entschieden hat, erhält der Prozeßbevollmächtigte die Verhandlungsgebühr nach § 31 Nr. 2 BRAGebO nicht für die Teilnahme an einem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des FG, da eine solche Erörterung nicht eine mündliche Verhandlung i. S. der §§ 31, 114 Abs. 1 BRAGebO ist. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Auffassung abzuweichen. Sie stimmt mit den in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vertretenen Meinungen überein (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, V, 1.-5. Aufl., § 139 FGO Anm. 30; Becker-Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Bd. III, 9. Aufl., § 139 FGO Anm. 5 Abs. 6, und Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., § 139 FGO A 17 mit weiteren Hinweisen; Boeker, Kostenrecht im steuerlichen Rechtsmittelverfahren, 2. Aufl., S. 74; Klempt-Meyer: Das Kostenrecht des Steuerprozesses 1969 S. 93; Beschlüsse der Oberverwaltungsgerichte (OVG) Münster VII B 836/64 vom 19. Januar 1965, Neue Juristische Wochenschrift 1965 S. 1347 - NJW 1965, 1347 -, und Lüneburg IV OVG A 24/65 vom 11. April 1967, NJW 1967, 2175; a. M. Hessisches FG, Beschluß B II 43/68 vom 15. August 1969, Entscheidungen der Finanzgerichte 1969 S. 505 - EFG 1969, 505 -, Verwaltungsgericht - VG - Braunschweig, Beschluß II A 227/59 vom 8. Mai 1961, NJW 1961, 1939 und im Ergebnis auch Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 3. Aufl., § 31 Anm. 57).
Der Auffassung, daß die nach § 114 Abs. 1 BRAGebO im finanzgerichtlichen Verfahren gebotene sinngemäße Anwendung es erforderlich mache, den Erörterungstermin vor dem Berichterstatter (oder Vorsitzenden) im finanzgerichtlichen Verfahren der Verhandlung vor dem Einzelrichter im Zivilprozeß kostenrechtlich gleichzustellen (Beschluß des Hessischen FG B II 43/68 vom 15. August 1969, a. a. O.), kann nicht gefolgt werden. Es kommt nicht darauf an, inwieweit die Erörterung nach § 79 FGO der Verhandlung vor dem Einzelrichter nach den §§ 348 f. der ZPO gleichsteht. Die Verhandlungsgebühren können die Prozeßbevollmächtigten deshalb nicht fordern, weil die Erörterung nach § 79 FGO nicht eine mündliche Verhandlung i. S. der FGO ist und die Verhandlungsgebühr nach den §§ 31 Nr. 2, 114 Abs. 1 BRAGebO nur durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der mündlichen Verhandlung im verfahrensrechtlichen Sinne entstehen kann. Unter mündlicher Verhandlung i. S. des § 31 Nr. 2 BRAGebO ist, wie allgemein anerkannt wird, die mündliche Verhandlung i. S. der ZPO zu verstehen (vgl. Riedel-Corves-Sußbauer, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl., § 31 Rdnrn. 27 f.; Schuhmann, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 1957 S. 632 f.). Der sinngemäßen Anwendung des § 31 Nr. 2 BRAGebO für das finanzgerichtliche Verfahren gemäß § 114 Abs. 1 BRAGebO entspricht es demnach, dem Rechtsanwalt die Verhandlungsgebühr für dessen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung i. S. der FGO zu gewähren mit der Folge, daß eine Verhandlungsgebühr nach den §§ 31 Nr. 2, 114 Abs. 1 BRAGebO nicht entstanden sein kann, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Bereits aus § 79 FGO ergibt sich, daß die Erörterung des Sach- und Rechtsstandes vor einem Senatsmitglied des FG nicht eine mündliche Verhandlung i. S. der FGO ist. Aus dieser Vorschrift geht eindeutig hervor, daß diese Erörterung vor der mündlichen Verhandlung stattfindet. Darüber hinaus kann die Erörterung i. S. des § 79 FGO insbesondere wegen der Regelungen in den §§ 92, 93 FGO nicht als mündliche Verhandlung i. S. der FGO angesehen werden.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Verhandlungsgebühr kann entgegen der Auffassung des Hessischen FG in dem Beschluß B II 43/68 vom 15. August 1969 (a. a. O.) nicht gefolgert werden, daß dem Prozeßbevollmächtigten für dessen Teilnahme an der Erörterung i. S. des § 79 FGO eine solche Gebühr zu gewähren ist. Durch die Verhandlungsgebühr soll die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der mündlichen Verhandlung abgegolten werden. Da die Erörterung nach § 79 FGO nicht als mündliche Verhandlung angesehen werden kann, kann die Teilnahme des Prozeßbevollmächtigten an der Erörterung auch nicht durch die Verhandlungsgebühr abgegolten werden.
Der Senat verkennt nicht, daß es Gründe gibt, die dafür sprechen, dem Prozeßbevollmächtigten für die Teilnahme am Erörterungstermin eine besondere Gebühr zu gewähren und diese Tätigkeit dadurch der Verhandlung vor dem Einzelrichter im Zivilprozeß gleichzustellen. Nach der jetzigen Rechtslage können derartige Gründe jedoch nicht zur Zubilligung einer Verhandlungsgebühr führen.
Fundstellen
Haufe-Index 68757 |
BStBl II 1970, 432 |
BFHE 1970, 390 |