Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der NZB
Leitsatz (NV)
1. Der Prozessbevollmächtigte hat bei einem behaupteten Büroversehen die Tatsachen zur Begründung des Antrags, z. B. die vorschriftsgemäße Führung eines Fristenkontrollbuchs, die Kontrolle der Fristen durch ihn sowie die näheren Einzelheiten des Versehens des Büroangestellten substantiiert darzulegen.
2. Zur Glaubhaftmachung muss eine Kopie der Eintragung im Fristenkontrollbuch und eine eidesstattliche Versicherung des Büroangestellten eingereicht werden.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 10.02.2005; Aktenzeichen 8 K 41/02 Kg) |
Tatbestand
I. Das vorinstanzliche Urteil wurde am 3. März 2005 zugestellt, die Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2005 beim Bundesfinanzhof (BFH) ohne Begründung eingelegt. Auf Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) verlängerte die Vorsitzende des III. Senats des BFH die Frist zur Begründung bis zum 3. Juni 2005. Mit Telefax vom 14. Juni 2005 beantragte der Kläger eine weitere Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 30. Juni 2005. Mit am 21. Juni 2005 zugegangenem Schreiben vom 16. Juni 2005 wurde der Kläger auf den Ablauf der Begründungsfrist am 3. Juni 2005 und auf die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.
Daraufhin beantragte der Kläger mit Telefax vom 24. Juni 2005 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Büroangestellte des Prozessbevollmächtigten, Frau X, die sonst sehr zuverlässig sei, habe als Fristablauf den 3. Juli 2005 in das Fristenbuch eingetragen. Durch dieses Büroversehen sei es zur Fristüberschreitung gekommen. Wörtlich führt der Prozessbevollmächtigte aus: "Als wir diesen Irrtum bemerkt hatten, haben wir unverzüglich am 14.6.2005 eine Fristverlängerung zur Begründung der Beschwerde bis zum 30. Juni 2005 gestellt." Ursprünglich habe die Beschwerdebegründung im Mai 2005 an den BFH gesandt werden sollen. Durch die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) habe die Begründung noch einmal grundlegend umgestellt werden müssen. Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen habe mit Erlass vom 3. Juni 2005 darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des BVerfG unmittelbare Auswirkungen auf die Festsetzung von Kindergeld bzw. Kinderfreibeträgen habe. Die Beschwerdebegründung ging am 29. Juni 2005 beim BFH ein.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der gemäß § 116 Abs. 3 FGO gebotenen Frist begründet worden. Eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist nach § 56 FGO kommt nicht in Betracht.
1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann vom Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag hin um einen weiteren Monat verlängert werden (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO). Im Streitfall wurde aufgrund der Entscheidung der Vorsitzenden des III. Senats des BFH die Begründungfrist bis zum 3. Juni 2005 verlängert. Die Beschwerdebegründung ist erst am 29. Juni 2005 beim BFH eingegangen und war damit verspätet. Die Beschwerde ist damit unzulässig (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rz. 15), es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO vor.
2. Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden des Bevollmächtigten dem Vertretenen zuzurechnen. Der Antrag ist bei Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, wobei die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen sind (§ 56 Abs. 2 Sätze 1, 2. Halbsatz, und 2 FGO). Außerdem ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
Im Streitfall ist das Hindernis, d.h. das Erkennen des behaupteten Büroversehens nicht erst durch das am 21. Juni 2005 beim Bevollmächtigten eingegangene Schreiben des stellvertretenden Vorsitzenden des III. Senats des BFH mit dem Hinweis auf den Ablauf der Begründungsfrist sowie auf § 56 FGO weggefallen, sondern --spätestens-- am 14. Juni 2005, wie der Prozessbevollmächtigte mit Telefax vom 24. Juni 2005 mitgeteilt hat. Damit ist zwar der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist rechtzeitig gestellt und die versäumte Rechtshandlung (im Streitfall die Begründung) innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden.
Jedoch sind die sonstigen Voraussetzungen für einen wirksamen Wiedereinsetzungsantrag nicht erfüllt. Der Prozessbevollmächtigte hat weder die Tatsachen zur Begründung des Antrags, z.B. die vorschriftsgemäße Führung eines Fristenkontrollbuchs, die Kontrolle der Fristen durch ihn sowie die näheren Einzelheiten des Versehens der Büroangestellten substantiiert dargelegt (s. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 56 Rz. 20 "Büroorganisation" und "Büroversehen"). Es fehlt z.B. auch eine Begründung, warum als Fristablauf ausgerechnet ein Sonntag (3. Juli 2005) vermerkt sein soll. Schließlich hätte zur Glaubhaftmachung eine Kopie der Eintragung im Fristenkontrollbuch und eine eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten eingereicht werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 1497790 |
BFH/NV 2006, 1130 |