Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung von Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags
Leitsatz (NV)
Die Glaubhaftmachung von Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags verlangt die Vermittlung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Durch Vorlage eines ,,Portobuches" kann die rechtzeitige Absendung eines Schriftstücks nicht glaubhaft gemacht werden.
Normenkette
FGO § 56; ZPO § 294
Verfahrensgang
Tatbestand
Das die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) abweisende Urteil des FG vom 16. Juli 1985 ist mit Postzustellungsurkunde (PZU) am 13. August 1985 zugestellt worden. Die Kläger haben dagegen mit Schriftsatz vom 30. August 1985 am 16. September 1985 Revision eingelegt.
Der Vorsitzende des Senats hat die Kläger mit Verfügung vom 25. November 1985 auf den verspäteten Eingang ihres Rechtsmittels aufmerksam gemacht und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 3./6. Dezember 1985 hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mitgeteilt, er habe nach dem Portobuch ,,das Schreiben vom Finanzgericht am 12. 9. 80 zur Post gegeben und dies erfolgte von mir persönlich". Daher müsse das Schreiben einen Tag später bei dem FG eingegangen sein. Dem Schriftsatz waren Fotokopien von zwei Seiten des Portobuches beigefügt. Danach war unter dem 12. September u. a. eingetragen ,,Nds. Finanzgericht 1.30" und unter dem 16. September u. a. ,,FG -.80". Am 10. September sei ein Schreiben zu einem anderen Aktenzeichen abgesandt worden, am 16. September ein Schreiben in eigener Sache. Das ergebe sich aus den beigefügten Fotokopien von Seiten ,,der Ausgangsbücher".
Die Kläger haben keinen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unzulässig.
Die Kläger haben die Revisionsfrist (Ablauf: 13. September) versäumt und ihr Rechtsmittel verspätet eingelegt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die der Senat als mit dem Schriftsatz der Kläger vom 3./6. Dezember 1985 als beantragt ansieht, kann den Klägern nicht gewährt werden. Das wäre nur möglich, wenn sie ohne Verschulden verhindert waren, die gesetzliche Revisionsfrist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) einzuhalten (§ 56 FGO). Wenn auch die Kläger selbst kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft, so müssen sie sich doch das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. August 1979 IV R 41/79, BFHE 129, 232, BStBl II 1980, 154).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann eine Fristversäumnis nur dann als schuldlos angesehen werden, wenn sie auch durch ,,die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt" nicht verhindert werden konnte (vgl. Urteil vom 24. November 1977 IV R 113/75, BFHE 125, 107, BStBl II 1978, 467).
Der Senat kann im Streitfall dahinstehen lassen, ob den Prozeßbevollmächtigten der Kläger ein Verschulden in diesem Sinne an der Fristversäumnis trifft. Der Prozeßbevollmächtigte hat - trotz des besonderen Hinweises des Vorsitzenden des erkennenden Senats auf § 56 FGO - keine Tatsachen zur Begründung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht.
Glaubhaft machen (vgl. § 294 ZPO) erfordert zwar keinen vollen Beweis, wohl aber die Vermittlung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit. Dazu reichen die vorgelegten Fotokopien von Seiten des Portobuches ebensowenig aus wie das sonstige Vorbringen. In dem Portobuch sind überwiegend lediglich die Namen der Adressaten und die entsprechende Postgebühr vermerkt. Daraus läßt sich - anders als bei einem ordnungsgemäß geführten Postausgangsbuch - nicht erkennen, welchen Inhalt die jeweilige Sendung hatte; bei den Sendungen an das ,,FG" ergibt sich aus dem Eintrag nicht die genaue Bezeichnung des jeweiligen Rechtsstreits nach Beteiligten und Aktenzeichen. Auch das sonstige Vorbringen hat der Prozeßbevollmächtigte weder unter Beweis gestellt noch unter Versicherung an Eides Statt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsachen dargetan. Als Steuerberater mußte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger die seit Jahrzehnten bestehenden gesetzlichen Vorschriften bezüglich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die dazu ergangene Rechtsprechung kennen.
Fundstellen
Haufe-Index 414482 |
BFH/NV 1987, 720 |