Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten
Leitsatz (NV)
Zur Erhebung des Beweises durch Sachverständige genügt die Anordnung schriftlicher Begutachtung. Will ein Beteiligter dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu dem Gutachten Fragen stellen oder stellen lassen und verlangt er zu diesem Zweck die Ladung des Sachverständigen, muß der Antrag grundsätzlich so rechtzeitig vor dem Termin der mündlichen Verhandlung angebracht werden, daß das FG das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anordnen kann.
Normenkette
FGO §§ 82, 115 Abs. 2 Nr. 3; ZPO §§ 397, 402, 411 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. In dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit ihren Solarien Heilbäder i.S. des §12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1980 verabreicht hat.
In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht (FG) ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen A eingeholt; das Gutachten trägt das Datum vom 22. April 1997. In der mündlichen Verhandlung am 10. September 1997 beantragte die Klägerin, den Sachverständigen zu laden und zu seinem Gutachten zu befragen. Das FG wies die Klage ab, ohne die Verhandlung zu vertagen und den Sachverständigen zu laden. Hierzu führte es in seinem Urteil aus, die Klägerin habe ihren Antrag auf Ladung des Sachverständigen nicht rechtzeitig gestellt, in der mündlichen Verhandlung hätten sich keine Umstände ergeben, die zu weiteren Fragen an den Sachverständigen Anlaß gegeben hätten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt; sie sieht in dem geschilderten Vorgehen des FG eine Versagung ihres Rechts auf Gehör und damit einen Verfahrensmangel i.S. des §115 Abs. 2 Nr. 3, §119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor.
Zur Erhebung des Beweises durch Sachverständige genügt die Anordnung schriftlicher Begutachtung (§82 FGO, §411 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Will jedoch ein Beteiligter dem Sachverständigen Fragen stellen oder stellen lassen und verlangt er zu diesem Zweck dessen Ladung zur mündlichen Verhandlung, so muß das FG diesem Antrag entsprechen (§82 FGO, §§397, 402, 411 Abs. 3 ZPO; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. März 1970 V R 158/66, BFHE 98, 467, BStBl II 1970, 460). Der Antrag muß jedoch so rechtzeitig erfolgen, daß das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anordnen kann (vgl. §411 Abs. 3 ZPO). Der Antrag muß deshalb grundsätzlich bereits vor dem Termin der mündlichen Verhandlung angebracht werden (vgl. z.B. Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Januar 1986 4b RV 27/85, SozR 1750 §411 Nr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 56. Aufl., §411 Rz. 11).
Die Klägerin beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20. September 1961 V ZR 46/60 (BGHZ 35, 370). Nach der Rechtsprechung des BGH wird das Sachverständigengutachten erst infolge seines Vortrags durch die Parteien in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Rechtsstreits und zur Grundlage der Urteilsfindung; der BGH hat deshalb der Vorschrift des §285 Abs. 2 ZPO den Rechtsgedanken entnommen, daß der Antrag, das Erscheinen des Sachverständigen vor Gericht anzuordnen, noch in dem -- nächsten -- Verhandlungstermin gestellt werden kann, in dem das Gutachten vorgetragen wird. Ob dem für den Zivilprozeß zu folgen ist, ist umstritten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.); jedenfalls können die Grundsätze dieser Entscheidung auf das finanzgerichtliche Verfahren nicht übertragen werden, weil das FG das Ergebnis des Sachverständigengutachtens von Amts wegen zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zur Grundlage seiner Urteilsfindung macht (vgl. §92 Abs. 2 FGO).
Ein sachlicher Grund dafür, daß die Klägerin den Antrag auf Ladung des Sachverständigen erst in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, kann der Beschwerdeschrift nicht entnommen werden.
Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 302889 |
BFH/NV 1998, 1505 |