Entscheidungsstichwort (Thema)

NZB: Divergenz, Verfahrensfehler

 

Leitsatz (NV)

1. Die Entscheidungsgründe eines Urteils sind zur Auslegung des Tenors heranzuziehen. Setzt ein FG die Einkommensteuer niedriger als in zwei zum selben Streitjahr nacheinander erlassenen Bescheiden fest, so kann die Formulierung im Tenor "werden die Einkommensteuer-Bescheide vom ... und vom ... dahin geändert, daß ... " als Aufhebung des einen und Änderung des anderen Bescheids verstanden werden. Infolgedessen entfällt eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 178/73 (BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514).

2. Anforderungen an Divergenzrüge.

3. Zur Rüge unterlassener Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und unzureichender Sachaufklärung.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 76, 93 Abs. 3 S. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 177

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nicht begründet.

1. Die gerügte Abweichung vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 1975 I R 178/73 (BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514) liegt nicht vor. Dort hat der BFH entschieden, daß ein Berichtigungsbescheid vom Finanzgericht (FG) ersatzlos aufzuheben ist, wenn die Voraussetzungen für eine Berichtigung nicht gegeben sind. Anschließend kann das FG -- wenn das Klagebegehren über die Bescheidaufhebung hinausgeht -- die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Bescheids überprüfen. Hiervon weicht das FG nicht ab, auch wenn es aufgrund der Steuerfestsetzung im Tenor, wie folgt, ungenau formuliert " ... werden die Einkommensteuer-Bescheide 1987 vom 19. Februar 1992 und 7. Juli 1994 dahin geändert, daß ... ". Aus den zur Auslegung des Tenors heranzuziehenden Entscheidungsgründen (S. 16 1. Absatz a. E.) geht klar hervor, daß das FG mit diesem Tenor den Bescheid vom 7. Juli 1994 aufgehoben hat, um anschließend entsprechend dem Klagebegehren die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 19. Februar 1992 überprüfen zu können. Ergebnis dieser Prüfung war eine Herabsetzung der Steuer unter den Betrag des Bescheids vom 19. Februar 1992. Zur Frage, wie weit bei der Prüfung des ursprünglichen Bescheids § 177 der Abgabenordnung (AO 1977) eine Saldierung mit früheren Fehlern zuläßt, enthält das Urteil in BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514 keine Aussage.

2. Eine Abweichung von den BFH-Urteilen vom 17. November 1960 IV 102/59 U (BFHE 72, 141, BStBl III 1961, 53) und vom 7. April 1992 VIII R 86/87 (BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21) haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nicht ausreichend "bezeichnet" (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Hierzu gehört bei einer Divergenzrüge die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus einer BFH-Entscheidung und der angefochtenen Vorentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluß vom 16. September 1994 V B 14/94, BFH/NV 1995, 525).

Im Streitfall haben die Kläger lediglich die aus den BFH-Urteilen abzuleitenden Grundsätze zum gewillkürten Betriebsvermögen bei Vermietung von Gebäuden dargelegt, nicht aber eine Abweichung des FG hiervon. Indes hat das FG die Entscheidung in BFHE 72, 141, BStBl III 1961, 53 ausdrücklich zur Begründung seines Urteils zitiert (Urteil S. 26, 2. Absatz) und anschließend die tatsächlichen Voraussetzungen für gewillkürtes Betriebsvermögen verneint. Die bloße Rüge einer fehlerhaften Anwendung eines BFH-Urteils ist jedoch kein Zulassungsgrund.

3. Verfahrensmängel haben die Kläger ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Gehen Schriftsätze nach Schluß der mündlichen Verhandlung beim FG ein, so muß es von Amts wegen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO) beschließen. Das FG muß das Für und Wider der Wiedereröffnung abwägen. Die Erwägungen müssen zum Ausdruck gebracht werden, denn sonst läßt sich nicht prüfen, ob das FG sein Ermessen überhaupt und fehlerfrei ausgeübt hat. Auf diese Ausführungen haben die Prozeßbeteiligten einen Anspruch; nur so ist sichergestellt, daß das Recht auf Gehör gewährt wurde (BFH-Urteile vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187, und vom 19. Februar 1993 III R 101/89, BFH/NV 1994, 555).

Die "Bezeichnung" eines insoweit gegebenen Verfahrensmangels setzt jedoch die schlüssige Angabe von Tatsachen voraus, aus denen sich eine Verletzung dieser Grundsätze durch das FG ergibt. Hieran fehlt es. Die Beschwerdeschrift läßt nicht erkennen, aus welchen Gründen die Ausführungen des FG im Urteil (S. 14) den an eine Ermessensentscheidung zu stellenden Anforderungen nicht genügen sollen.

b) Wird eine Beschwerde auf unzureichende Sachaufklärung gestützt, so sind die nach Ansicht der Kläger ermittlungsbedürftigen Tatsachen, die Beweisthemen, die Beweismittel und der Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, in dem die Beweismittel benannt wurden, anzugeben. Ferner ist darzutun, weshalb das Urteil auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann und weshalb das Unterlassen der Beweiserhebung nicht vor dem FG gerügt wurde bzw. nicht gerügt werden konnte (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66, Ziff. II A 1 der Gründe). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdeschrift nicht.

4. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421603

BFH/NV 1997, 41

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