Leitsatz (amtlich)
Eine Verpflichtung der Behörde zur Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung kann nicht im Weg der einstweiligen Anordnung ausgesprochen werden.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1 S. 2; StBerG § 8 Abs. 2-3; DVStBerG § 27
Tatbestand
Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD hatte den Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung abgelehnt, weil dieser erklärt habe, auch nach seiner Bestellung zum Steuerbevollmächtigten seine Angestelltentätigkeit bei einem Verband fortsetzen zu wollen. Im gerichtlichen Verfahren stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die OFD durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihn mit sofortiger Wirkung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu befreien und vorläufig zum Steuerbevollmächtigten zu bestellen. Das FG lehnte den Antrag ab, weil die einstweilige Anordnung das Ergebnis in der Hauptsache praktisch vorwegnehmen und daher diesem endgültig vorgreifen würde.
Mit der Beschwerde macht der Beschwerdeführer insbesondere geltend: Wenn auch eine vorläufige Bestellung formell im StBerG nicht vorgesehen sei, so könne doch eine Bestellung unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden, was praktisch im Ergebnis einer vorläufigen Bestellung gleichkomme. Anders als in dem Beschluß des BFH VII B 127/69 vom 9. Dezember 1969 (BFH 97, 575, BStBl II 1970, 222) gehe es in der Hauptsache nicht um die Frage der Berufsqualifikation, sondern um die Frage der Berufsausübung (Fortführung der Verbandstätigkeit), die von der OFD willkürlich zu einer Frage des Zulassungsverfahrens gemacht worden sei. Die einstweilige Anordnung würde in diesem Falle der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorgreifen, da die Zurücknahme der Bestellung nach § 14 StBerG möglich sei. Der letztlich erstrebte Verwaltungsakt werde nicht vorweggenommen, wenn eine Zwischenlösung getroffen werde. Bei der Abwägung gegen das öffentliche Interesse müsse das private Interesse, eine wesentliche Verzögerung beim Aufbau einer selbständigen beruflichen Existenz zu vermeiden, berücksichtigt werden. Das öffentliche Interesse der Behörde an der Verwirklichung des im StBerG bestimmten Berufsbildes würde durch die einstweilige Anordnung nicht beeinträchtigt, weil ihr nach wie vor alle rechtlichen Möglichkeiten erhalten blieben, die Unvereinbarkeit seiner Verbandstätigkeit feststellen zu lassen und die vorläufige Bestellung zurückzunehmen. Die Voraussetzungen des § 114 FGO seien gegeben, weil die Gefahr bestehe, daß er durch eine in Vorbereitung befindliche Rechtsänderung seines im Hauptverfahren zu erstreitenden Rechts auf prüfungsbefreite Bestellung zum Steuerbevollmächtigten verlustig gehe.
Die OFD ist der Meinung, daß die Anträge des Beschwerdeführers mit denen in der Hauptsache identisch seien, so daß das Ergebnis der Hauptsache im Falle des Obsiegens in vollem Umfange vorweggenommen wäre. Der Beschwerdeführer würde den Status eines Steuerbevollmächtigten erhalten, was weder vorläufig noch befristet geschehen und dem Beschwerdeführer auch nicht ohne weiteres genommen werden könnte. Damit würde die einstweilige Anordnung eine unabänderliche irreparable Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache darstellen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Durch eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO ist die Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis u. a. dann zulässig, wenn sie nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Würde durch eine solche Regelung das Ergebnis in der Hauptsache praktisch vorweggenommen und dieser damit vorgegriffen oder durch die Regelung mehr zugesprochen, als im Hauptsacheverfahren möglich ist, so ist eine einstweilige Anordnung nicht zulässig (Entscheidungen des BVerfG Bd. 7 S. 99 [105]; v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 5. Aufl., § 114 FGO Anm. 17, 18; Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 5. Aufl., § 123 Rdnr. 8; Schunck-De Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, § 123 Anm. 3; Redecker-von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, § 123 Anm. 11).
Im Streitfall geht der Antrag des Beschwerdeführers insoweit über den Klageantrag in der Hauptsache hinaus, als er die vorläufige Bestellung zum Steuerbevollmächtigten zum Gegenstand hat. Denn im Hauptsacheverfahren hat der Beschwerdeführer seinen Antrag darauf beschränkt, die OFD für verpflichtet zu erklären, ihn von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu befreien. Da dem Beschwerdeführer durch die einstweilige Anordnung nicht mehr zugesprochen werden kann, als im Hauptsacheverfahren möglich ist, war der Antrag insoweit unzulässig.
Durch die von ihm erstrebte Verpflichtung der OFD, ihn von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zu befreien, würde der Beschwerdeführer nicht weniger erreichen, als im Hauptverfahren möglich wäre. Dies käme einer Vorwegnahme des Ergebnisses des Hauptsacheverfahrens gleich. Eine etwa bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens befristete vorläufige Befreiung von der Prüfung aber würde den Beschwerdeführer auch nicht vor irgendwelchen wesentlichen Nachteilen schützen. Denn er könnte zum Steuerbevollmächtigten gemäß § 4 Abs. 2 StBerG nur unter den Einschränkungen des § 27 Abs. 2 und 3 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) bestellt werden. Da der Beschwerdeführer aber bereits im Antrag auf Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung erklärt hat, seine Angestelltentätigkeit bei einem Verband auch nach seiner Bestellung zum Steuerbevollmächtigten fortzusetzen, und die OFD bzw. der Zulassungsausschuß bei der OFD diese Tätigkeit als berufswidrig im Sinne von § 27 Abs. 2 Nr. 2 DVStBerG angesehen und deshalb den Antrag abgelehnt hat, würde der Beschwerdeführer erst in einem neuen Verfahren gegen die Ablehnung der Bestellung gegebenenfalls durch eine einstweilige Anordnung erwirken können, vor wesentlichen Nachteilen in Gestalt einer Verzögerung durch eine lange Prozeßdauer geschützt zu werden.
Die Befreiung von der Prüfung bildet nur eine der Voraussetzungen für die Bestellung zum Steuerbevollmächtigten. Sie gibt dem Bewerber zwar bereits damit eine bestimmte Rechtsposition. Da der Beschwerdeführer diese aber erstmals gewinnen will und eine Zwischenregelung wie ausgeführt, zur Abwendung wesentlicher Nachteile gegenüber dem bestehenden Zustande nicht nötig erscheint, fehlt es an einer im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernden Rechtsposition.
Für den Beschwerdeführer besteht auch nicht die Gefahr einer Schlechterstellung bei einer künftigen Gesetzesänderung, weil für die Beurteilung der Rechtslage der Zeitpunkt des angegriffenen Verwaltungsaktes maßgebend bleibt.
Fundstellen
Haufe-Index 69240 |
BStBl II 1971, 635 |
BFHE 1971, 360 |