Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis von Unterhaltsleistungen für Realsplitting - Prozeßkostenhilfe; Erfolgsaussichten nach Beweisbeschluß
Leitsatz (NV)
1. Für den Sonderausgabenabzug beim Realsplitting trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Erbringung von Unterhaltsleistungen.
2. Die Erfolgsaussichten einer Klage können auch dann negativ zu beurteilen sein, wenn das Gericht bereits einen Beweisbeschluß erlassen hat.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114; EStG § 10 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) beantragte im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1983, Unterhaltszahlungen von 3 024 DM an seine geschiedene Ehefrau nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben abzuziehen. Als Anlage fügte er dem Antrag eine schriftliche Einverständniserklärung (Anlage U) bei, die mit dem Namen seiner geschiedenen Ehefrau unterschrieben ist. Der Beklagte (das Finanzamt - FA - ) zog die Unterhaltsleistungen zunächst als Sonderausgaben ab. Das FA änderte den Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich jedoch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und versagte den Abzug, nachdem die geschiedene Ehefrau im Einspruchsverfahren gegen ihren Einkommensteuerbescheid erklärt hatte, die Unterschrift auf der Anlage U stamme nicht von ihr und sie habe im Streitjahr vom Antragsteller nur 504 DM Unterhalt erhalten. Sie hat ihn wegen Urkundenfälschung angezeigt.
Gegen den Änderungsbescheid richtet sich das Klageverfahren, für das der Antragsteller Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragte. Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH mit dem angefochtenen Beschluß ab, nachdem es zuvor beschlossen hatte, Beweis durch Vernehmung der geschiedenen Ehefrau als Zeugin darüber zu erheben, ob sie die Anlage U unterschrieben und in welcher Höhe der Antragsteller Unterhalt gezahlt habe.
Zur Begründung seines Beschlusses führte das FG aus, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, weil die geschiedene Ehefrau bereits durch ihren Anwalt erklärt habe, sie habe die Anlage U nicht unterzeichnet und nur 504 DM Unterhalt erhalten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das FG nicht abgeholfen hat. Das FG habe die Erfolgsaussichten der Klage nicht verneinen dürfen, nachdem es über die entscheidungserheblichen Fragen einen Beweisbeschluß gefaßt habe. Der Rechtsschutzversicherer des Antragstellers habe sich zwar bereit erklärt, Rechtsschutz für die Klage vor dem FG zu gewähren. Mehrkosten wegen der Ortsverschiedenheit zwischen dem Wohnort A und dem Gerichtssitz habe der Rechtsschutzversicherer aber nur bis zur Höhe einer Gebühr für einen Verkehrsanwalt (Korrespondenzgebühr) übernommen.
Der Antragsteller beantragt, Prozeßkostenhilfe in der Höhe zu gewähren, in der der Rechtsschutzversicherer gemäß seinem Schreiben vom 24. März 1987 die Kosten nicht übernommen hat, und ihm insoweit den Prozeßbevollmächtigten als Prozeßvertreter beizuordnen.
Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.
Es weist darauf hin, daß die Mehrkosten, die durch die Entfernung des Wohnorts des Antragstellers vom Gerichtssitz entstehen könnten, jedenfalls nicht höher sein würden als vier Monatsraten, so daß nach § 115 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V. m. § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) PKH nicht zu gewähren sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde schon deshalb unbegründet ist, weil der Rechtsschutzversicherer des Antragstellers sich bereit erklärt hat, die gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten für die Klage mit Ausnahme der entfernungsbedingten Mehrkosten zu übernehmen. Denn das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und deshalb PKH nicht zu gewähren ist (§ 142 FGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Gewährung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt voraus, daß der Steuerpflichtige Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten erbracht hat. Bleibt unklar, ob dies geschehen ist, hat der Steuerpflichtige den Nachteil des ungeklärten Sachverhalts, d. h. die objektive Beweislast (Feststellungslast) zu tragen.
Der Erfolg der Klage hängt hier ausschließlich davon ab, ob der Antragsteller nachweisen kann, daß er - über den während des Klageverfahrens unstreitig gewordenen Betrag von 550 DM hinaus - an seine geschiedene Ehefrau Unterhalt in der behaupteten Höhe gezahlt hat und daß er außerdem beweisen kann, daß sie die Anlage U (Einverständniserklärung) unterschrieben hat. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand wird der Antragsteller diese Nachweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erbringen können. Seine geschiedene Ehefrau hat bereits schriftlich erklärt, sie habe keinen höheren Unterhalt erhalten und die Anlage U nicht unterschrieben. Sie hat den Antragsteller außerdem wegen Urkundenfälschung angezeigt. Es ist nicht zu erwarten, daß sie als Zeugin etwas anderes bekunden wird als in ihren Schriftsätzen. Sie würde sich andernfalls dem Verdacht einer Straftat nach § 164 des Strafgesetzbuches (StGB) aussetzen. Selbst wenn es dem Antragsteller mit Hilfe des beantragten Gutachtens eines Schriftsachverständigen gelingen sollte nachzuweisen, daß seine geschiedene Ehefrau die Anlage U unterschrieben hat, könnte die Klage keinen Erfolg haben, soweit die Unterhaltsleistungen der Höhe nach noch umstritten sind. Denn der Antragsteller kann nicht nachweisen, daß er im Streitjahr mehr als 550 DM Unterhalt gezahlt hat. Er hat bereits im Einspruchsverfahren erklärt, über diese Unterhaltszahlungen keine Belege vorlegen zu können, weil ihm die Posteinzahlungsquittungen bei einem Umzug abhanden gekommen seien.
Diese Beurteilung der Erfolgaussichten der Klage stellt keine unzulässige Vorwegnahme des Beweisergebnisses dar. Zwar darf im PKH-Verfahren das Ergebnis einer Beweisaufnahme, in der Zeugen gehört werden sollen, grundsätzlich nur in eng begrenztem Rahmen vorweggenommen werden (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. September 1987 IV a ZR 76/86, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1988, 209; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., § 114 Anm. 2 Ba). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos (vgl. BGHUrteil vom 5. Oktober 1959 III ZR 111/58, Lindenmaier / Möhring - LM -, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 118 a ZPO Nr. 1; Schneider, MDR 1987, 22; derselbe in Zöller /Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., § 114 Anm. 35). Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es nicht geboten, §§ 114 Satz 1 ZPO, 142 FGO dahin auszulegen, daß ein Gericht, das eine Beweiserhebung beschließt, dem Antrag auf Bewilligung von PKH stattgeben müsse (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1986 2 BvR 25/86, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1987, 786). Der Erlaß eines Beweisbeschlusses bedeutet nicht in jedem Fall, daß die Klage erfolgversprechend ist. Erscheint es, wie im vorliegenden Fall, nahezu ausgeschlossen, daß die Beweisaufnahme die Richtigkeit der Behauptungen des beweisbelasteten Beteiligten erweisen wird, würde es dem Zweck der PKH, nur eine hinreichend aussichtsreiche Prozeßführung zu ermöglichen, widersprechen, wenn PKH nur deshalb gewährt wird, weil das Gericht einen Beweisbeschluß erlassen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 415917 |
BFH/NV 1990, 98 |