Entscheidungsstichwort (Thema)
Bayerisches Reinheitsgebot
Leitsatz (NV)
Das Vorbringen, es fehle bislang an Judikatur des BFH zur Festlegung des Rahmens, inwieweit Ausnahmen vom Reinheitsgebot zugelassen werden können, verbunden mit der Behauptung, das in Bayern geltende - verschärfte - Reinheitsgebot verstoße gegen Verfassungsrecht und gegen den EWG-Vertrag, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; BierStG 1986 § 9 Abs. 1, 7; BierStDB 1952 § 3; Bekanntmachung über Biersteuer vom 29. Juni 1924 (Bayerisches Reinheitsgebot)
Tatbestand
Ein Antrag des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), ihm für den Vertrieb im Inland und ggf. auch zur Ausfuhr die Herstellung eines Getränks in einem Gär- und Sudverfahren zu genehmigen, bei dem anstelle von Hopfen Eschenblätter Verwendung finden sollten, ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt - HZA -) mit der Begründung abgelehnt worden, die Herstellung des aufgrund des Gär- und Sudverfahrens als Bier anzusehenden Getränks verstoße gegen das Bayerische Reinheitsgebot. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab und führte dazu im wesentlichen aus: Das Reinheitsgebot des § 9 Abs. 1 des Biersteuergesetzes (BierStG) lasse für die Herstellung und den Vertrieb von Bier im Inland die Verwendung anderer Grundstoffe als Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser nicht zu. Die Möglichkeit, für zur Ausfuhr bestimmtes Bier gemäß § 9 Abs. 7 BierStG Abweichungen vom Reinheitsgebot zuzulassen, sei in Bayern ausgeschlossen. Dort gelte das BierStG gemäß § 3 der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz (BierStDB) nach Maßgabe des Gesetzes vom 24. Juni 1919 (RGBl I, 599) i.d.F. des Gesetzes vom 9. April 1927 (RGBl I, 94). Aufgrund der in § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes der obersten Landesfinanzbehörde erteilten Ermächtigung habe das Bayerische Staatsministerium der Finanzen mit Bekanntmachung vom 29. Juni 1924 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl BY - 1924, 176), in der in der Bayerischen Rechtssammlung vom 1. Januar 1983 unter Nr. 612-6-1-F veröffentlichten Fassung, bestimmt, daß die Anwendung des § 9 Abs. 5 und 6 BierStG i.d.F. vom 14. März 1952 (BGBl I, 149) für Bayern ausgeschlossen bleibe. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Biersteuergesetzes vom 10. Mai 1968 (BGBl I, 349) seien die Abs. 5 und 6 des § 9 BierStG zu Abs. 7 und 8 geworden. Diese Änderung der Absatzbezeichnung sei zwar in der genannten bayerischen Bekanntmachung nicht nachvollzogen worden, ändere aber nichts am ursprünglichen rechtlichen Gehalt der Bestimmung.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Von grundsätzlicher Bedeutung sei zunächst die Rechtsfrage, ob ein Gericht eine Landesverordnung, die infolge einer Gesetzesänderung des Bundesgesetzgebers eine falsche Bezugnahme aufweise, entgegen dem wortgemäßen Inhalt der Verordnung so interpretieren dürfe, als hätte der Landesgesetzgeber die erforderliche Anpassung bereits durchgeführt. Nach Ansicht des Klägers dürfe der fehlende legislative Akt nicht durch eine Gesetzesinterpretation durch das Gericht ersetzt werden. Ferner sei die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, inwieweit eine aus dem Jahr 1924 stammende Ausführungsverordnung des Landes Bayern zum BierStG geeignet sei, Rechte eines Bürgers des Landes Bayern auf freie gewerbliche Betätigung und auf freie Herstellung von Waren sowie deren Vertrieb (Art. 2 des Grundgesetzes - GG - und Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft - EWGV -) einzuschränken. Schließlich sei von grundsätzlicher Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen nach § 9 Abs. 7 BierStG Ausnahmen bzw. Abweichungen vom Reinheitsgebot zugelassen werden können. Der Kläger ist hierzu der Ansicht, die Anwendung der Landesverordnung beschränke in unzumutbarer Weise den Ermessensrahmen, der nach § 9 Abs. 7 BierStG eine Ausnahmeregelung für die Bereitung von besonderen Bieren, Bieren zu wissenschaftlichen und medizinischen Zwecken sowie für die Ausfuhr zulasse. Die Bewilligung einer Ausnahmeregelung dürfe nicht prinzipiell und ohne ersichtlichen sachlichen Zwang versagt werden. Judikatur vom Bundesfinanzhof (BFH) zur Festlegung des Rahmens, inwieweit Ausnahmen vom Reinheitsgebot zugelassen werden könnten, sei bislang, soweit ersichtlich, nicht vorhanden.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig; das Vorbringen des Klägers erfüllt nicht die Mindestanforderungen an die gesetzlich vorgeschriebene Begründung.
Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden. Hiernach muß aufgezeigt werden, daß eine Entscheidung im angestrebten Revisionsverfahren geeignet ist, im Hinblick auf weitere Streitfälle Rechtsklarheit zu schaffen, zur Wahrung der Rechtseinheit beizutragen oder die Rechtsfortbildung zu fördern. Es muß also über den vorgelegten konkreten Fall hinaus ein Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt sein (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 7 m.w.N.).
Der Kläger hat bei keiner der aufgeworfenen Rechtsfragen dargelegt, daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. Er hat im wesentlichen die grundsätzliche Bedeutung lediglich behauptet, ohne die erforderlichen näheren Ausführungen zur Bedeutung dieser Fragen für die Allgemeinheit zu machen.
Der - bei einer der aufgeworfenen Fragen gegebene - bloße Hinweis, es fehle bislang an Judikatur des BFH zur Festlegung des Rahmens, inwieweit Ausnahmen vom Reinheitsgebot zugelassen werden können, reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (vgl. BFH-Beschluß vom 26. Juni 1992 III B 72/91, BFH/NV 1992, 722, 723). Ebensowenig behilflich ist der vom Kläger behauptete Verstoß des in Bayern geltenden Reinheitsgebots gegen Verfassungsrecht bzw. gegen den EWGV. Auch wenn die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage auf einen Verstoß gegen das GG gestützt wird - und Entsprechendes gilt im Hinblick auf den EWGV -, muß die Bedeutung der Rechtsfrage für die Allgemeinheit im einzelnen dargelegt werden (BFH-Beschlüsse vom 27. März 1992 III B 547/90,BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, und vom 14. Dezember 1987 V B 77/87, BFH/NV 1989, 27).
Schließlich ist die grundsätzliche Bedeutung nach den Ausführungen des Klägers auch nicht derart offenkundig, daß von einer näheren Darlegung derselben hätte abgesehen werden können (vgl. BFH-Beschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725). Der Senat weist in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, daß das vom Kläger bezeichnete Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nur in den Schranken der Gesetze gewährleistet ist und daß, wie bereits das FG ausgeführt hat, für im Inland nicht verkehrsfähiges Bier kein Anspruch auf Teilhabe am freien Warenverkehr der Gemeinschaft nach Art. 30 EWGV besteht.
Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 419345 |
BFH/NV 1994, 532 |