Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH; Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters
Leitsatz (NV)
- Eine Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ist grundsätzlich nicht mehr statthaft, wenn die Hauptsache nicht mehr an den BFH gelangen kann.
- Das gilt aber nicht, wenn das FA während des Beschwerdeverfahrens in Sachen PKH dem Klagebegehren durch Erlass eines Änderungs- oder Aufhebungsbescheides entspricht.
- Entspricht das FA dem Begehren des Klägers durch Erlass eines entsprechenden Änderungsbescheides und kann der Kläger beim FG noch die Hauptsache für erledigt erklären, hat die Rechtssache Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 ZPO und erscheint nicht wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses aussichtslos.
- Die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters erscheint nicht erforderlich i.S. des § 121 Abs. 2 ZPO, wenn in der Hauptsache nur Fragen tatsächlicher Art ungeklärt sind, die nach Sachlage allein vom Kläger beantwortet werden können.
Normenkette
FGO § 142; ZPO §§ 114, 121 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), Eheleute, wurden vom Beklagten (Finanzamt ―FA―) vergeblich aufgefordert, Steuererklärungen abzugeben. Nachdem sie das FA darauf hingewiesen hatten, dass es ihnen mangels finanzieller Mittel nicht möglich sei, Steuererklärungen abzugeben, erließ das FA in Sachen Einkommensteuer 1997 einen Schätzungsbescheid an beide Antragsteller und in Sachen Umsatzsteuer 1997 einen Schätzungsbescheid gegenüber dem Antragsteller. Gegen diese Bescheide legte die Prozessbevollmächtigte namens der Antragsteller jeweils Einspruch ein, legte eine "kurzfristige Erfolgsrechnung Dezember 1997" vor und teilte mit, dass die Antragsteller aufgrund ihrer finanziellen Lage keine weiteren Unterlagen mehr vorlegen könnten.
Das FA erließ in Sachen Einkommensteuer und Umsatzsteuer 1997 Einspruchsentscheidungen, die an beide Antragsteller adressiert waren.
Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte Klagen, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich beantragte sie Prozesskostenhilfe (PKH) und ihre Beiordnung.
Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf PKH statt, soweit er die Klage der Antragsteller wegen Einkommensteuer 1997 und die Klage des Antragstellers wegen Umsatzsteuer 1997 betraf. Den Antrag der Antragstellerin betreffend Umsatzsteuer 1997 lehnte es ab, weil sich der Umsatzsteuerbescheid einschließlich Einspruchsentscheidung nur an den Antragsteller richte. Es lehnte auch den Antrag auf Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ab, da sie nicht erforderlich erscheine (§ 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Die Antragsteller müssten im Klageverfahren lediglich ihre außerprozessuale Mitwirkungspflicht erfüllen, die sie auch ohne fachkundige Hilfe bewältigen könnten (Hinweis auf Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Oktober 1994 X B 156/94, BFH/NV 1995, 725).
Gegen den Beschluss des FG legte die Prozessbevollmächtigte Beschwerde ein mit dem Antrag, im vollen Umfang PKH zu gewähren. Der Klage der Antragstellerin sei stattzugeben, weil sich die Einspruchsentscheidung wegen Umsatzsteuer 1997 irrtümlicherweise auch an sie richte. Die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten sei erforderlich, da der Antragsteller ohne fachliche Unterstützung keine Gewinnermittlung für sein Gewerbe erstellen könne. Im Übrigen habe er alles getan, was zu einer zutreffenden Besteuerung notwendig sei. Die dem FA vorgelegte betriebswirtschaftliche Auswertung sei eine "Überschussrechnung", die den Zeitraum der gewerblichen Einzelunternehmertätigkeit seit November 1997 erfasse. Die tatsächlichen Umsätze ergäben sich aus der Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 1997. Bei Ermittlung der abzugsfähigen Vorsteuern müsse allerdings noch die teils unternehmerische, teils nichtunternehmerische Nutzung von Sachanlagevermögen abgegrenzt werden. Insoweit sei fachkundige Hilfe geboten.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Einspruchsentscheidung in Sachen Umsatzsteuer 1997 sei, soweit sie sich irrtümlicherweise gegen die Antragstellerin gerichtet habe, während des Beschwerdeverfahrens aufgehoben worden. Im Übrigen könne es nicht angehen, dass bei Schätzungsbescheiden im Wege der PKH Gebühren für die Erstellung von Steuererklärungen u.a. auf Kosten der Allgemeinheit erstattet würden.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Versagung von PKH für die Antragstellerin in Sachen Umsatzsteuer 1997 richtet, zulässig und begründet. Im Übrigen ist sie als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin in Sachen Umsatzsteuer ist zulässig, obgleich das FA mittlerweile die Einspruchsentscheidung, soweit sie sich unrichtigerweise auch gegen die Antragstellerin richtete, aufgehoben hat und die Hauptsache sich insoweit erledigt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zwar eine Beschwerde gegen einen ablehnenden PKH-Beschluss des FG nicht (mehr) statthaft, wenn die Hauptsache nicht mehr an den BFH gelangen kann (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 1999 VIII B 44/98, BFH/NV 1999, 1501; vom 24. Juli 1992 VI B 6/92, BFH/NV 1992, 835). Hat sich die Hauptsache vor dem FG aufgrund beiderseitiger Erledigungserklärung erledigt und das FG einen entsprechenden Kostenbeschluss erlassen, ist daher die Beschwerde grundsätzlich zu verwerfen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 8. Februar 2000 VII B 195/99, BFH/NV 2000, 1106; vom 7. November 1991 XI B 81-86/91, BFH/NV 1992, 331).
Diese Grundsätze gelten aber nicht, wenn das FA während des Beschwerdeverfahrens in Sachen PKH in vollem Umfang dem Klagebegehren durch Erlass eines Aufhebungs- oder Änderungsbescheides entspricht. Die Rechtsprechung hat schon bisher anerkannt, dass von dem Grundsatz der Unzulässigkeit der PKH-Beschwerde Ausnahmen zu machen sind. So wurde die Statthaftigkeit der Beschwerde ausnahmsweise bejaht, wenn das FG über den PKH-Antrag so spät entscheidet, dass dem Antragsteller die Einlegung der Beschwerde vor Abschluss der Instanz nicht möglich war (z.B. BFH-Beschluss vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838). Eine Ausnahme ist auch dann zu machen, wenn sich die Hauptsache dadurch erledigt, dass während des PKH-Beschwerdeverfahrens dem Antrag des Klägers durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes i.S. des § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stattgegeben wird. Es wäre mit Sinn und Zweck der PKH unvereinbar, dem mittellosen Antragsteller die Kosten eines bei Beschwerdeeinlegung zulässigen Verfahrens nur deswegen aufzuerlegen (§ 135 Abs. 2 FGO), weil das FA während des Beschwerdeverfahrens von sich aus der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides durch Aufhebung oder Änderung Rechnung trägt. In diesem Fall besteht auch nicht die Gefahr einer unterschiedlichen Einschätzung der Rechtslage durch Instanz- und Rechtsmittelgericht (vgl. BFH/NV 1992, 835).
Der erkennende Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht vom Beschluss des VII. Senats vom 5. November 1985 VII B 88/83 (BFHE 144, 407, BStBl II 1986, 71) ab. Der VII. Senat hatte über eine Hauptsacheerledigung nach § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden. Aufgrund des Erfolgs der Klage der Antragstellerin in Sachen Umsatzsteuer ist der Streitfall auch nicht mit dem einer Klagerücknahme nach Einlegung der Beschwerde vergleichbar (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 13. Juni 1996 X B 59/96, BFH/NV 1997, 58).
Die Frage, ob die Beteiligten im Hauptsacheverfahren vor dem FG mittlerweile die Hauptsache bereits für erledigt erklärt haben oder ggf. bis zum Wirksamwerden dieses Beschlusses erklären werden, ist damit nicht entscheidungserheblich.
2. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO).
a) Soweit die Einspruchsentscheidung in Sachen Umsatzsteuer 1997 auch gegenüber der Antragstellerin erging, obgleich das Einzelunternehmen nur vom Antragsteller betrieben wurde, hatte die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Vorentscheidung ist aufzuheben; dem Antrag auf PKH ist stattzugeben. Die Aussicht auf Erfolg wäre auch dann zu bejahen, wenn die Antragstellerin insoweit noch nicht die Hauptsache für erledigt erklärt haben sollte (vgl. hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1988 IV B 134/85, BFH/NV 1989, 658; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Tz. 48 ff.). Dies könnte sie auch noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachholen.
b) Soweit dem Antrag der Antragstellerin auf PKH in diesem Verfahren stattgegeben wird, ist ihr die Prozessbevollmächtigte gemäß § 142 Abs. 2 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO beizuordnen. Im Übrigen ist die Ablehnung der Beiordnung durch das FG nicht zu beanstanden.
Ist eine Vertretung durch Anwälte ―wie vor dem FG― nicht vorgeschrieben, wird einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt oder Steuerberater (§ 142 Abs. 2 FGO) ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater vertreten ist (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO). Eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erscheint erforderlich, wenn der Rechtsstreit einen größeren Umfang hat, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig oder in wirtschaftlicher oder persönlicher Hinsicht für den die Beiordnung beantragenden Beteiligten bedeutsam ist und wenn der Beteiligte selbst nicht über die zur Prozessführung erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Mai 1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460, m.w.N.). Eine Beiordnung ist jedoch zu versagen, wenn im Prozess nur nachgereicht werden soll, was schon Gegenstand außergerichtlicher Mitwirkungspflichten war, die der Steuerpflichtige ohne fachkundige Hilfe bewältigen konnte (BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 725, m.w.N.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 142 FGO Tz. 62).
aa) Danach war eine Beiordnung der Bevollmächtigten nur erforderlich, soweit es in der Hauptsache um die rechtsirrtümliche Adressierung der Einspruchsentscheidung in Sachen Umsatzsteuer 1997 geht. Die Frage, welche rechtliche Bedeutung einer falsch adressierten Einspruchsentscheidung zukommt, wenn der ihr zugrunde liegende Steuerbescheid zutreffend adressiert war, kann von einem steuerlichen Laien ohne Rat Rechtskundiger nicht beantwortet werden.
bb) Im Übrigen beschränkt sich die Mitwirkung der Antragsteller im Klageverfahren auf die Beantwortung rein tatsächlicher Fragen, die auch die Prozessbevollmächtigte ohne Auskunft der Antragsteller nicht beantworten kann. Eine Beiordnung erscheint insoweit nicht erforderlich.
Soweit die Höhe der Einkünfte des Antragstellers aus seinem Einzelunternehmen streitig sind, ergibt sich dies bereits aus dem Vortrag der Antragsteller selbst. Danach erfasst die im Einspruchsverfahren vorgelegte "kurzfristige Erfolgsrechnung Dezember 1997" den Zeitraum ab Aufnahme der Tätigkeit im November 1997. Eine ggf. nur mit fachlichem Rat zu erstellende Gewinnermittlung liegt danach bereits vor. Zwar hat das FA die betriebswirtschaftliche Auswertung nur auf den Monat Dezember bezogen. Soweit nunmehr aber vorgetragen wird, sie erfasse auch die Einnahmen des Monats der Betriebseröffnung, wäre dies leicht durch die Antragsteller persönlich durch Vorlage ihrer Aufzeichnungen zu widerlegen.
Entsprechendes gilt für die Beantwortung der Frage, wie lange der Antragsteller im Streitjahr (noch) nicht selbständig tätig war. Auch insoweit ist der Antragsteller persönlich in der Lage, die notwendigen Auskünfte in tatsächlicher Hinsicht zu erteilen.
Dasselbe gilt letztlich auch für die Bemessungsgrundlagen der Umsatzsteuer. Der Antragsteller berechnet die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 des Umsatzsteuergesetzes). Jeder Steuerpflichtige ist in der Lage, die vereinnahmten Entgelte für zwei Monate zusammenzustellen. Ebenso verhält es sich mit der Addition der Vorsteuern aus den Eingangsrechnungen. Soweit die Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend machen, die auf die Anschaffung längerfristig nutzbaren Sachanlagevermögens lastende Vorsteuer sei aufzuteilen, weil dieses teils für das Unternehmen, teils für unternehmensfremde Zwecke genutzt worden sei, erscheint eine fachkundige Beratung durch die Prozessbevollmächtigte ebenfalls entbehrlich. Sollten die Vorsteuern nach dem Umfang der jeweiligen Nutzung aufzuteilen sein, so kann letztlich wiederum nur der Antragsteller selbst Auskunft über die tatsächliche Nutzung geben.
3. Soweit dem Antrag auf PKH und Beiordnung stattzugeben ist, gilt dies ab dem Zeitpunkt, in dem der formgerechte PKH-Antrag nebst den für die Bewilligung notwendigen Unterlagen dem FG vorlag (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 142 Rdnr. 24, m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Beschwerde keinen Erfolg hat, auf § 135 Abs. 2 FGO. Soweit die Beschwerde Erfolg hat, ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen (Gräber/ Ruban, a.a.O., § 142 Rdnr. 29).
Fundstellen
Haufe-Index 585676 |
BFH/NV 2001, 919 |