Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß mit im inländischen Schiffsregister eingetragenen Schiffen, mit denen von einem ausländischen Hafen aus Chemikalien (Abfallstoffe) auf die offene See transportiert werden, um sie dort zu verbrennen, keine Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt werden.
Normenkette
KStG a.F. § 19a; GewStG 1974 § 11 Abs. 4, § 13 Abs. 3; EStG § 34c Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Klägerin) - eine GmbH - betrieb auf Schiffen, die im inländischen Schiffsregister eingetragen waren und die deutsche Flagge führten, das Verbrennen von Chemikalien. Die Schiffe waren mit Verbrennungsanlagen ausgerüstet. Sie nahmen in ausländischen Häfen flüssige Abfallstoffe auf, um sie auf die offene See zu transportieren und dort zu verbrennen.
Die Klägerin beansprucht für ihre Einkünfte aus dem Betrieb der Verbrennungsschiffe die Steuervergünstigungen des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) für den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) war der Auffassung, die Verbrennungsschiffe hätten nach ihrem Hauptzweck nicht der Beförderung, sondern der Verbrennung der Abfallstoffe gedient. Das FA versagte die begehrten Vergünstigungen bei den endgültigen Festsetzungen der Körperschaftsteuer für die Jahre 1971 und 1972 und der Gewerbesteuermeßbeträge für die Jahre 1974, 1975 und 1976.
Das Finanzgericht (FG) wies nach erfolglosem Einspruch die Klage ab. Gegen das Urteil des FG hat die Klägerin beim Bundesfinanzhof (BFH) Revision eingelegt und zugleich beantragt, die Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1971 und 1972 sowie der Gewerbesteuermeßbescheide 1974, 1975 und 1976 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Revisionsinstanz auszusetzen. Das FA habe es abgelehnt, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide weiterhin auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zurückzuweisen.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, die es rechtfertigen könnten, ihre Vollziehung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, bestehen im Streitfall nicht.
§ 19 a KStG enthält in der für das Streitjahr 1971 geltenden Fassung in Abs. 2 und in der ab dem Streitjahr 1972 anzuwendenden Fassung in Abs. 6 für das Gebiet der Körperschaftsteuer Vorschriften über Tarifvergünstigungen bei Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Diese Einkünfte unterlagen in den genannten Streitjahren einem Steuersatz von 27,5 v. H., soweit es sich um Kapitalgesellschaften i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG (Publikumsgesellschaften) handelt, und einem Steuersatz von 26,5 v. H., soweit personenbezogene Kapitalgesellschaften solche Einkünfte hatten. Diese Steuersätze waren für die Jahre 1971 und 1972 auf 50 v. H. der Einkünfte aus dem Betrieb der Handelsschiffe im internationalen Verkehr anzuwenden. Für die Einkommensteuer sind in § 34 c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ähnliche Vergünstigungen angeordnet. Für die Gewerbesteuer galt hinsichtlich der Streitjahre 1974 bis 1976 die Regelung, daß bei Unternehmen, soweit sie den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr zum Gegenstand haben, sich die Steuermeßzahl für den Gewerbeertrag auf 2,5 v. H. (§ 11 Abs. 4 GewStG 1974) und die Steuermeßzahl für das Gewerbekapital auf 1 v. T. (§ 13 Abs. 3 GewStG 1974) ermäßigt. Die angeführten Vergünstigungen waren geschaffen worden, um die Position der Deutschen Seeschiffahrt im internationalen Wettbewerb (Konkurrenz durch "billige Flaggen") zu stärken. Hieraus folgt, daß nur Schiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und unter der Flagge der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) fahren, begünstigt sein können (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1977 IV R 85/76, BFHE 123, 568, BStBl II 1978, 113).
Die drei Verbrennungsschiffe der Klägerin sind zwar nach den Feststellungen des FG in einem inländischen Schiffsregister eingetragen und führen die Flagge der Bundesrepublik; die Klägerin hat jedoch mit diesen Schiffen keine Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt.
Eine Bestimmung des Begriffs "Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr" ist durch das Zweite Steueränderungsgesetz vom 18. Juli 1974 - 2. StÄndG 1973 - (BGBl I, 1489, BStBl I, 521) aus Gründen der Rechtssicherheit aus einer Erlaßregelung (vgl. gleichlautenden Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30. Dezember 1969, BStBl I 1970, 131) in das Gesetz unter § 34 c Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG übernommen worden. Dieser Begriff lehnte sich eng an die hergebrachte Definition an (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 34 c EStG Rdnr. 45). In der Entscheidung in BFHE 123, 568, BStBl II 1978, 113 ist unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung ausgeführt, daß im Gewerbesteuerrecht der gleiche Kreis von Schifffahrtsunternehmern begünstigt sein soll wie im Einkommensteuerrecht. Gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch für das Gebiet der Körperschaftsteuer.
Nach der maßgeblichen Definition werden Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben, wenn diese im Wirtschaftsjahr überwiegend zur Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See eingesetzt werden. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen dieser Begriffsbestimmung die "Beförderung von Gütern" identisch ist mit dem Begriff der Beförderung nach den Vorschriften des Handels- und Seehandelsrechts für Frachtverträge. Es ist indes schon fraglich, ob im Rahmen der vertraglichen Beziehungen der Klägerin mit ihren Auftraggebern handelsrechtlich die Beförderungspflicht die Hauptpflicht darstellte oder nicht vielmehr die Abfallbeseitigung an einem von den Behörden zugewiesenen Platz (vgl. Helm in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 425 Anm. 35, 37). Jedenfalls könnten unter den Begriff "Handelsschiffe im internationalen Verkehr" nicht solche Schiffe eingeordnet werden, die anderen Zwecken als der Erbringung internationaler Beförderungsleistungen dienen. Als nicht darunter fallend werden in der Literatur genannt Bagger, Bergungsschiffe, Taucherfahrzeuge, Küstenschiffe und Fischereifahrzeuge (Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuergesetz, 4. Aufl., § 34 c EStG Anm. 217 f., mit weiteren Literaturnachweisen). Vorbehaltlich der Entscheidung in der Hauptsache ist der Senat in dem vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Auffassung, daß die Seeschiffe der Klägerin nicht zu dem Zweck eingesetzt worden sind, Güter zwischen ausländischen Häfen oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See zu befördern. Der Hauptzweck ihres Einsatzes war nicht auf eine internationale Beförderungsleistung gerichtet, sondern bestand darin, die in ausländischen Häfen geladenen Chemikalien auf offener See an einem von den Behörden zugewiesenen Platz restlos zu verbrennen. Hierfür waren die Schiffe durch besondere Vorrichtungen (Verbrennungsanlagen) eigens ausgerüstet.
Aus der Erweiterung der Vergünstigung des § 34 c Abs. 4 EStG durch Art. 2 Nr. 6 des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 (BGBl I 2597, BStBl I, 445) auf Seeschiffe, die überwiegend außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer zur Aufsuchung von Bodenschätzen oder zur Vermessung von Energielagerstätten unter dem Meeresboden eingesetzt werden, läßt sich nichts zugunsten der Klägerin herleiten. Es handelte sich, worauf das FG in seinem Urteil zutreffend hingewiesen hat, um die Ausdehnung einer Steuervergünstigung aus besonderen Gründen unter abschließender Kennzeichnung der davon berührten Fälle. Davon ist die bisherige Begriffsbestimmung "Handelsschiffe im internationalen Verkehr" unberührt geblieben.
Fundstellen
Haufe-Index 74802 |
BStBl II 1984, 566 |
BFHE 1985, 24 |