Leitsatz (amtlich)
In einer Einkommensteuersache ist bei der Ermittlung des Streitwerts für die Revision eine zu gewährende Berlinpräferenz (im Streitfall nach dem Ersten Einkommensteuer-Änderungsgesetz vom 4. Juli 1955, BGBl I, 384, BStBl I, 245) zu berücksichtigen.
Normenkette
BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 5; FGO § 115 Abs. 1, § 155; ZPO § 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Jahre 1956 in Berlin (West) aus einer Betriebsveräußerung einen Gewinn von 106 509 DM erzielt, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einem Steuersatz von 20 v. H. unterwarf. Das FA kürzte den auf den Veräuerßerungsgewinn entfallenden Steuerbetrag von 21 301 DM um die Berlinpräferenz von 20 v. H. (4 260,20 DM) nach dem Ersten Einkommensteuer-Änderungsgesetz vom 4. Juli 1955 (BGBl I, 384, BStBl I, 245), so daß der Veräußerungsgewinn im Ergebnis mit 17 040,80 DM besteuert wurde.
Demgegenüber machte der Kläger geltend, wegen der besonderen Umstände seines Falles müsse auf den Veräußerungsgewinn der in § 34 Abs. 1 EStG genannte Mindeststeuersatz von 10 v. H. angewendet werden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 11. Januar 1978 zugestellte Urteil des FG legte der Kläger Revision ein mit dem Antrag, auf den Veräußerungsgewinn den Steuersatz von 10 v. H. anzuwenden. Er ist der Auffassung, daß die Wertgrenze von 10 000 DM für die Zulässigkeit der Streitwertrevision überschritten sei.
Das ergebe sich aus folgender Berechnung:
Besteuerung des Veräußerungsgewinns:
Lt. FA 20 v. H. von 106 509 DM = 21 301 DM
lt. Antrag 10 v. H. von 106 509 DM = 10 650 DM
Streitwert 10 651 DM
Der Kläger ist der Meinung, bei der Streitwertberechnung dürfe die Berlinpräferenz nicht berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Das FA ist der Auffassung, in die Streitwertberechnung müsse die Berlinpräferenz einbezogen werden, die, würde dem Revisionsbegehren entsprochen, 2 130,20 DM ausmache. Der Streitwert für die Revisionsinstanz sei demnach um diesen Betrag niedriger als der vom Kläger errechnete und betrage nur 8 520 DM. Er überschreite nicht die gesetzliche Revisionssumme von 10 000 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861) steht den Beteiligten gegen das Urteil des FG die Revision ohne Zulassung nur zu, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt (Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFH-EntlastG). Einer Zulassung bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten wesentlichen Verfahrensmängel gerügt wird. Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist vom Kläger aber nicht gerügt worden. Die Zulässigkeit seiner Revision hängt daher allein davon ab, ob der Streitwert die Grenze von 10 000 DM überschreitet. Das ist nicht der Fall.
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß § 155 FGO i. V. m. §§ 3 bis 9 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu bestimmen. Nach § 3 ZPO wird dieser Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 1977 VII R 4/77, BFHE 123, 408, BStBl II 1978, 71). Für die Streitwertfestsetzung haben sich feste Regeln ausgebildet. In Einkommensteuersachen kommt es auf die Differenz zwischen der festgesetzten und der angestrebten Steuer an. Streitwert ist somit der jeweils streitige Einkommensteuerbetrag. Sonstige Zuschläge oder Abgaben, die vom Einkommen oder von der Einkommensteuer abhängen, bleiben außer Betracht (BFH-Beschluß vom 27. Januar 1967 VI R 216/66, BFHE 88, 73, BStBl III 1967, 291; weiterhin Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 140 FGO Anm. 37 und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Bei der Ermittlung des Streitwerts kann nicht berücksichtigt werden, aus welchen Einzelbeträgen die Steuer errechnet worden ist und aus welchen Gründen das FA auf einzelne Teile des steuerpflichtigen Einkommens eine Steuerermäßigung angewandt hat. Die allgemeinen Regeln für die Streitwertfestsetzung - Maßgeblichkeit des streitigen Steuerbetrags - gelten auch für Steuerpflichtige, die die Berlinpräferenz in Anspruch nehmen. Hierin liegt keine Schlechterstellung der Steuerpflichtigen mit Berliner Einkünften. Die Berliner Steuerpräferenz kann daher bei der Ermittlung des Streitwerts nicht außer Betracht bleiben.
Der Auffassung des erkennenden Senats steht die BFH-Entscheidung vom 23. Februar 1978 IV E 2/78 (BFHE 125, 10, BStBl II 1978, 435), die sich mit der Berücksichtigung der Berlinpräferenz bei der Wertfeststellung für ein einheitliches Gewinnfeststellungsverfahren befaßt, nicht entgegen. Es wird dort gesagt, daß die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit, daß allen oder einzelnen von der einheitlichen Gewinnfeststellung betroffenen Personen die Berlinpräferenz zustehen, bei der Streitwertfestsetzung für die einheitliche Gewinnfeststellung nicht berücksichtigt werden kann. Das wird damit begründet, daß beim einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren der Streitwert nur pauschal - in Höhe eines Vomhundertsatzes des streitigen Gewinns - ermittelt werden könne, weil sich die tatsächlichen Auswirkungen auf die Einkommensteuer der an dem Gewinn Beteiligten nicht ohne Nachprüfung ihrer persönlichen Verhältnisse und nicht ohne Beiziehung ihrer Steuerakten feststellen ließen. Die Besonderheiten, die die Streitwertfestsetzung beim einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren aufweist, sind in den Fällen, in denen um die Einkommensteuer des jeweiligen Steuerpflichtigen gestritten wird, nicht gegeben. Hier läßt sich der streitige Steuerbetrag anhand der persönlichen Besteuerungsmerkmale genau ermitteln.
Da im Falle des Klägers der Streitwert nur 8 250 DM beträgt und somit die gesetzlich festgelegte Revisionssumme von 10 000 DM nicht überschritten ist, erweist sich die von ihm eingelegte Revision als unzulässig (§ 124 FGO). Sie ist durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 72576 |
BStBl II 1978, 631 |
BFHE 1979, 440 |