Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Ablehnung einer Terminverlegung
Leitsatz (NV)
- Der Anspruch des Klägers auf Gehörsgewährung ist nicht verletzt, wenn er von der Ablehnung seines Antrages auf Terminverlegung deshalb nichts erfährt, weil er sich während der Zeit, in der er mit einer Verbescheidung seines Antrages rechnen musste, durch einen Postlagerungsauftrag außerstande setzt, gerichtliche Schreiben zu empfangen und die Post auch nicht bei der Aufbewahrungsstelle abholt.
- Anforderungen an die Darlegung mangelnder Sachverhaltsaufklärung als Verfahrensfehler.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 96 Abs. 2, § 91 Abs. 2, § 76 Abs. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrt die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens XY wegen "Nichtbescheidung und Amtspflichtverletzung pp".
In der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 1998 hatte der Kläger unter Hinweis auf den vorgelegten Beipackzettel erklärt, er nehme das sedierende Medikament … In dem ―vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen― Beipackzettel sind als mögliche Nebenwirkungen des Medikamentes Magen- und Darmstörungen, Kopfschmerzen, allergische Hautreaktionen und vorübergehende Kurzsichtigkeit benannt worden. Ein Hinweis auf die Möglichkeit des Eintritts vorübergehender Störung der Geistestätigkeit i.S. des § 105 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches als denkbare Nebenwirkung enthielt die Beschreibung nicht. Von der dem Kläger nahe gelegten Möglichkeit, die Unterbrechung der mündlichen Verhandlung zu beantragen, hat er nicht Gebrauch gemacht, sondern im eigenen und im Namen seiner Mutter die Rechtsstreitigkeiten in mehreren bei dem FG anhängigen Verfahren für erledigt erklärt, sofern der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ihm einen Schadensersatz von 500 DM zahle. Das FA gab eine entsprechende Erklärung unter kurzfristigem Vorbehalt des Widerrufs ab, der vom FA jedoch nicht ausgeübt wurde. Allerdings widerrief der Kläger die von ihm im Termin vom 26. Mai 1998 abgegebenen Erklärungen. Die Klage mit dem Az. XY wurde im Anschluss an den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. August 1998 wegen Erledigung der Hauptsache abgewiesen. Danach hat der Kläger zu diesem Verfahren Wiederaufnahme- sowie Nichtigkeitsklage und hilfsweise Restitutionsklage erhoben und neben Befangenheitsanträgen u.a. vorgetragen, er sei im Termin vom 17. August 1998 nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, weil er unter starken Medikamenten gestanden habe und nicht verhandlungsfähig gewesen sei. Nach Abtrennung des Wiederaufnahme- und des Restitutionsantrages hat das FG nur über die Nichtigkeitsklage mit der Begründung entschieden, dass Nichtigkeitsgründe nicht vorgelegen haben. Hierzu hat es festgestellt, der Kläger sei im Ausgangsverfahren entgegen seiner Behauptung ordnungsgemäß vertreten gewesen, denn es lägen keine nachprüfbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass er handlungs- und damit prozessunfähig gewesen sei. Die Einnahme des in Rede stehenden Medikamentes erlaube im Streitfall nicht den Schluss, der Kläger sei in den mündlichen Verhandlungen nicht prozessfähig gewesen.
Ferner führte das Gericht aus, es habe trotz Abwesenheit des Klägers im ordnungsgemäß anberaumten Termin vom 4. März 2002 entscheiden können. Dem Antrag auf Aufhebung des Termins habe nicht entsprochen werden können, weil der Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2002 die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung lediglich mit der Begründung beantragt habe, er befinde sich zur Kurvorbereitung in … und die vom Senatsvorsitzenden mit Schreiben vom 20. Februar 2002 an ihn gerichtete Aufforderung, den Hinderungsgrund näher zu erläutern und bestimmte Unterlagen vorzulegen, nicht beachtet habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision, die er auf Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der Durchführung des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 4. März 2002 in seiner Abwesenheit und auf mangelnde Sachaufklärung hinsichtlich seiner Handlungsfähigkeit in dem Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt werde, gestützt hat.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger die behaupteten Verfahrensmängel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat.
Der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO) kann durch eine unzutreffende Behandlung des Antrages auf Aufhebung eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt sein (§ 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung, Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. Juni 2001 IV B 25/00, BFH/NV 2001, 1579). Eine schlüssige Rüge dieses Verfahrensmangels setzt jedoch voraus, dass vor dem Gericht erhebliche Gründe für die Aufhebung oder Vertagung des Termins substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht worden waren und dass außerdem mit der Beschwerde dargelegt wird, aus welchem Grunde das Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Mai 1995 IV B 167/94, BFH/NV 1995, 1079). Dem Beschwerdevorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass die Ablehnung der Terminverlegung ungerechtfertigt war. Erstmals in der Beschwerdebegründung macht der Kläger Ausführungen zu Grund und Zeitraum der Verhinderung und behauptet, er habe die Aufforderung des Gerichts vom 20. Februar 2002, mit der er um nähere Erläuterungen und Vorlage einer Bestätigung für die kurbedingte Abwesenheit gebeten worden war, nicht erhalten. Er trägt dazu vor, er habe in der Zeit vom 14. Februar bis zum 5. März 2002 die Postlagerung aller an ihn gerichteten Sendungen bei der Post beantragt.
In diesem Vorbringen liegt keine schlüssige Bezeichnung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der unterbliebenen Terminverlegung. Denn daraus, dass der Kläger einen Antrag auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung wegen einer kurbedingten Abwesenheit ohne Mitteilung des genauen Abwesenheitszeitraums und lediglich mit der Angabe, er werde in der ersten oder zweiten Märzwoche zurückkehren, gestellt hat, durfte er nicht schließen, das FG werde diesem Antrag ohne weitere Nachfragen stattgeben und den Termin aufheben, obwohl es den Kläger bereits in der Ladung darauf hingewiesen hatte, dass das Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandeln und entscheiden kann (§ 91 Abs. 2 FGO). Der Kläger hätte daher vortragen müssen, warum er sich in der fraglichen Zeit, in der er damit rechnen musste, dass das Gericht auf seinen am 15. Februar 2002 gestellten Verlegungsantrag reagieren wird, bis einen Tag nach dem anberaumten Termin vom 4. März 2002 durch den Postlagerungsantrag außerstande gesetzt hat, gerichtliche Schreiben zu empfangen und warum er, nachdem er tatsächlich keine Mitteilung über die Aufhebung des Termins hätte erhalten können, nicht von sich aus beim FG nachgefragt hat, ob der Termin abgesetzt worden ist (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1998 IV B 37/98, BFH/NV 1999, 663). Im vorliegenden Verfahren hätte der Kläger vielmehr davon ausgehen müssen, dass die ihm zugestellte Ladung zum Termin vom 4. März 2002 ungeachtet seines Antrags auf Verlegung wirksam bleiben und das Gericht den Termin auch ohne ihn durchführen würde (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2000 VIII B 57/00, BFH/NV 2001, 333). Erklärungen hierzu enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) im Hinblick auf die mangelnde Prozess- und Handlungsfähigkeit des Klägers in den Terminen vom 26. Mai und 17. August 1998 wegen der Einnahme des Medikamentes … ist ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Hierzu bedarf es der Darlegung der ermittlungsbedürftigen Tatsache, der angebotenen Beweismittel und der dazugehörigen Beweisthemen sowie der genauen Fundstellen in den Akten, aus denen sich die Beweisanträge, die Beweismittel und die Beweisthemen ergeben. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Angaben. Die erstmalige Benennung der behandelnden Ärzte als Beweismittel kann im Beschwerdeverfahren über die Zulassung der Revision keine Beachtung finden. Will der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend machen, das FG hätte von Amts wegen den Sachverhalt hinsichtlich seiner Handlungsunfähigkeit wegen der Medikamenteneinnahme aufklären müssen, so sind Ausführungen dazu notwendig, aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes auch ohne entsprechenden Antrag des Klägers hätte aufdrängen müssen, und es sind Angaben zu machen, welche Beweise das Gericht von Amts wegen hätte erheben sollen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817).
Auch dazu fehlt es an einem schlüssigen Vortrag in der Beschwerdebegründung. Das FG hat die Vorentscheidung darauf gestützt, dass die Einnahme des fraglichen Medikamentes nicht den Schluss zugelassen habe, der Kläger sei in den mündlichen Verhandlungen nicht verhandlungsfähig gewesen. Im Hinblick auf diese offensichtlich auf den Eindruck vom Auftreten des Klägers in den mündlichen Verhandlungen und auf den Beipackzettel des Medikamentes gestützte Auffassung des Gerichts hätte der Kläger seine Beschwerde auf Anhaltspunkte stützen müssen, die dem Gericht ernsthaft die Möglichkeit nahe gelegt hätten, dass der Kläger in den fraglichen mündlichen Verhandlungen aufgrund der Medikamenteneinnahme dennoch verhandlungsunfähig gewesen ist. Der nicht näher erläuterte Hinweis auf ―ein vom FG nicht festgestelltes― auffälliges Verhalten des Klägers in den mündlichen Verhandlungen vom 26. Mai und 17. August 1998 rechtfertigt jedenfalls nicht den Schluss, das Gericht hätte einen Verfahrensverstoß deshalb begangen, weil es nicht von sich aus die Prozess- und Handlungsfähigkeit des Klägers in Zweifel gezogen hat.
Fundstellen