Leitsatz (amtlich)
Die Verweisung an das zuständige Gericht der Finanzgerichtsbarkeit nach § 70 FGO bei örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit ist auch für andere als im Abschnitt III des Zweiten Teils der Finanzgerichtsordnung geregelte Verfahren möglich. Eine ohne Antrag ausgesprochene Verweisung ist unzulässig.
Normenkette
FGO § 70
Tatbestand
Die Antragstellerin betreibt mehrere Verfahren, die sich gegen Maßnahmen im Rahmen einer Betriebsprüfung wenden. Gegen die klagabweisenden Urteile des FG hat die Antragstellerin Revision eingelegt bzw. Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.
Mit einem an das FG gerichteten Schreiben beantragt die Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das Betriebsprüfungsverfahren bis zur Erledigung der anhängigen Revisionen ruhen zu lassen. In ihrer Begründung weist die Antragstellerin darauf hin, daß der Antragsgegner der Entscheidung des BFH über ihre Revisionen durch die Fortführung der Betriebsprüfung und den Erlaß von Berichtigungsbescheiden vorzugreifen beabsichtige und damit ihre Rechtsposition entscheidend verändern wolle.
Die Vorgänge sind dem BFH zuständigkeitshalber übersandt worden. In einem handschriftlich gefertigten Vermerk wird ausgeführt, daß der Streit in den Hauptsachen Betriebsprüfungsmaßnahmen beträfe, die nunmehr im Wege einer einstweiligen Anordnung zum Ruhen gebracht werden sollten. Für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO fehle es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, da bei Verwaltungsakten, die mit der Anfechtungsklage angefochten werden könnten, der vorläufige Rechtsschutz nur im Wege der Aussetzung der Vollziehung erfolgen könne. Um solche mit der Klage anfechtbare Verwaltungsakte handele es sich bei der Betriebsprüfungsanordnung bzw. bei einzelnen Maßnahmen der Betriebsprüfung. Der hiernach unzulässige Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung müsse jedoch in einen solchen auf Aussetzung der Vollziehung umgedeutet werden, da die Antragstellerin nur auf diesem Wege ihr Ziel erreichen könne. Für die Entscheidung über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO sei der BFH als Gericht der Hauptsache zuständig, so daß die Sache an ihn zuständigkeitshalber abzugeben sei.
Dieser Vermerk trägt neben Datum, Gerichts- und Senatsangabe drei Unterschriften.
Entscheidungsgründe
Der Beschluß des FG mußte aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.
Hält sich ein FG für örtlich oder sachlich unzuständig, so hat es sich auf Antrag des Klägers für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen, wenn das zuständige Gericht der Finanzgerichtsbarkeit bestimmt werden kann (§ 70 Abs. 1 FGO). Diese Vorschrift, die auf Grund ihrer Stellung im Abschnitt III der FGO für Verfahren im ersten Rechtsgang, also für Klagen, Gültigkeit hat, gilt entsprechend auch für sonstige Verfahren. Nach ihrem Sinn und Zweck, die Verzögerung der Sache durch unfruchtbare Streitigkeiten über Zuständigkeitsfragen zu vermeiden, ist diese Vorschrift auch in sonstigen in der FGO geregelten Verfahren anzuwenden (vgl. Beschluß des BGH vom 30. Oktober 1963 I b ARZ 243/63, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 276 Nr. 21 ZPO und die weiteren Rechtsprechungshinweise dort). Sie setzt indessen nach ihrem klaren Wortlaut voraus, daß ein dahin gehender Antrag des Klägers vorliegt. Nach den dem BFH vorliegenden Akten hat jedoch die Antragstellerin einen dahin gehenden Antrag nicht gestellt. Eine Verweisung einer Sache an ein anderes Gericht ohne Vorliegen eines Antrags ist unzulässig. Denn dies stellt einen Eingriff in das prozessuale Verfügungsrecht des Verfahrensbeteiligten dar. Nur er bestimmt durch seine Anträge den Umfang des Verfahrens. Es muß daher im Rahmen des § 70 FGO dem Kläger überlassen bleiben, ob nach seiner Rechtsauffassung eine sachliche oder örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben ist. Dies muß schon deshalb gelten, weil der Verweisungsbeschluß nicht angefochten und damit auch nicht auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden kann (§ 70 Abs. 2 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70185 |
BStBl II 1973, 457 |
BFHE 1973, 292 |