Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bei Versäumung der Rechtsmittelfristen durch nicht vertretenen Beteiligten für ein noch einzulegendes Rechtsmittel
Leitsatz (NV)
1. Die Gewährung von Prozeßkostenhilfe setzt neben der Mittellosigkeit der Partei voraus, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet.
2. Hat die Partei nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist durch einen postulationsfähigen Vertreter Revision oder Nichtzu lassungsbeschwerde eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, daß der Partei wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
3. Unverschuldet ist die Versäumung der Rechtsmittelfristen nur dann, wenn die Partei
a) mittellos und aus diesem Grund nicht in der Lage war, das Rechtsmittel durch einen postulationsfähigen Vertreter einlegen zu lassen, und
b) alles ihr Zumutbare getan hat, um das in ihrer Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beseitigen.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114 S. 1, § 117 Abs. 2, 4
Tatbestand
Mit zwei Urteilen vom 31. August 1994 -- beide zugestellt am 22. September 1994 -- hat das Finanzgericht (FG) einmal die zugleich für A erhobene Klage des Antragstellers, gerichtet auf die Verpflichtung des Finanzamts E zur Änderung eines Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1986, und zum anderen die -- ebenfalls zugleich im Namen von A -- erhobene Restitutionsklage gegen das Urteil des FG vom 11. November 1993 (betreffend Untätigkeitsklage hinsichtlich des Wertfortschreibungsbescheids auf den 1. Januar 1986) abgewiesen. Mit dem am 24. Oktober 1994 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen, an diesen gerichteten Schriftsatz beantragt der Antragsteller die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Nichtzulassungs- sowie des Revisionsverfahrens gegen beide Urteile. Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem entsprechenden Formblatt hat er seinem Antrag nicht beigefügt.
Entscheidungsgründe
Der Antrag wird abgelehnt.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet. Die letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil gegen die finanzgerichtlichen Urteile vom 31. August 1994 nicht mehr zulässig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bzw. (zulassungsfreie) Revision eingelegt werden kann.
Innerhalb der mit Ablauf des 24. Oktober 1994 endenden Rechtsmittelfrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 und 2 bzw. § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO), über deren Dauer der Antragsteller jeweils in der Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Urteile unterrichtet wurde, hat er gegen die beiden Urteile weder Nichtzulassungsbeschwerde noch zulassungsfreie (§ 116 FGO) Revision durch einen postulationsfähigen Vertreter, d. h. einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs), eingelegt. Deshalb kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, daß dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. der Revision einzuhalten, ist der Antragsteller dann, wenn er
a) mittellos und aus diesem Grunde nicht in der Lage war, die Beschwerde bzw. Revision jeweils durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer einlegen zu lassen, und
b) alles ihm Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beseitigen.
Der Antragsteller hätte folglich bis zum Ablauf der Rechtsmittelfristen alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH schaffen müssen, wozu neben dem Antrag auf Bewilligung von PKH auch die Beifügung der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem dafür vorgeschriebenen Formblatt (§ 142 FGO i. V. m. § 117 Abs. 2 und 4 ZPO) gehört hätte (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 17. April 1984 VI ZB 1/84, Versicherungsrecht 1984, 660; Beschlüsse des BFH vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62, und vom 3. April 1987 VI B 150/85, BFHE 149, 409, BStBl II 1987, 573). Diesen Anforderungen, die dem Antragsteller auch durch den Beschluß des Senats vom 2. März 1994 bekannt waren, hat er nicht genügt.
Fundstellen
Haufe-Index 420672 |
BFH/NV 1995, 923 |