Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler: Missachtung der Vorgaben des zurückverweisenden BFH-Urteils
Leitsatz (NV)
1. Mit der Rüge, das FG sei mit seinem Urteil im zweiten Rechtsgang von den Vorgaben des zurückverweisenden BFH-Urteils abgewichen, wird ein Verfahrensfehler geltend gemacht.
2. Rügt der Beschwerdeführer eine mangelnde Sachaufklärung, muss er u.a. darlegen, weshalb sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne Beweisantrag aufdrängen musste, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich voraussichtlich bei einer Beweisaufnahme ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG eine andere Entscheidung hätte ergeben können.
3. Die Ungewissheit, ob der Kläger noch lebt, rechtfertigt nicht die Aussetzung des Verfahrens.
Normenkette
AO §§ 8-9; FGO §§ 74, 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 126 Abs. 5, § 155; ZPO § 251
Verfahrensgang
FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 29.10.2008; Aktenzeichen 8 K 3064/06 B) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einem nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung erforderlichen Antrag beider Prozessparteien fehlt; der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat dem Ruhen des Verfahrens nicht zugestimmt.
2. Es liegen auch keine beachtlichen Gründe vor, die die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO rechtfertigen könnten. Nach dieser Vorschrift kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn die in ihm zu treffende Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Der für den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) bestimmte Abwesenheitspfleger macht geltend, das Landeskriminalamt X unternehme derzeit den Versuch, zu verifizieren, ob der Kläger … verstorben sei. Selbst wenn dem so wäre, rechtfertigte dies nicht die Aussetzung des Verfahrens, da es bei der Frage, ob der Kläger noch lebt oder bereits verstorben ist, nicht um ein der Entscheidung vorgreifliches Rechtsverhältnis geht. Zudem ist mit einer alsbaldigen Klärung der Frage nicht zu rechnen.
3. a) Soweit der Kläger rügt, das Finanzgericht (FG) habe gegen § 126 Abs. 5 FGO verstoßen, da es seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats in seinem Urteil vom 19. Oktober 2005 I R 121/04 (BFH/NV 2006, 926) nicht zu Grunde gelegt hat, macht er einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. März 1994 IV B 6/93, BFHE 174, 103, BStBl II 1994, 569; vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729). Dieser Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor.
Der Senat hatte das Urteil des FG im ersten Rechtsgang aufgehoben, da dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen sei, dass es unter Einbeziehung der Besonderheiten des Falles überprüft habe, ob der Kläger im Streitjahr im Inland einen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --AO--) oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) gehabt habe. Ferner habe es nicht erörtert, ob dem Kläger eine Offenbarung seines ausländischen Wohnsitzes zuzumuten sei.
Das FG hat sich in seiner angefochtenen Entscheidung mit beiden Vorgaben des Senats befasst; es ist gleichwohl auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger zur Fahndung ausgeschrieben ist, zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger möglicherweise im Inland einen Wohnsitz innehatte.
b) Die Rüge des Klägers, das FG habe den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt (§ 76 Abs. 1 FGO), weil es keinen Beamten des Landeskriminalamtes X vernommen habe, ist nicht schlüssig erhoben. Der Kläger macht nicht geltend, weshalb sich diese Beweiserhebung auch ohne Antrag dem FG aufdrängen musste, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich über die … bereits bekannten bei weiterer Aufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können.
4. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, so u.a. Beweislastgrundsätze, fehlerhaft angewandt, legt er keinen Revisionszulassungsgrund dar, sondern rügt einen materiellen Fehler, der, selbst wenn er vorläge, die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen könnte (z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. September 2001 V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; vom 29. Dezember 2006 IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084).
Fundstellen