Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteilsberichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit
Leitsatz (NV)
Eine Änderung des gewollten und richtig erklärten Inhalts des Urteils kann nicht mit einem Antrag auf Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, sondern nur mit dem gegen das Urteil zulässigen Rechtsmittel erreicht werden.
Normenkette
FGO §§ 107, 109
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin war früher Gesellschafterin einer OHG. Nach ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft kam es zu einem Rechtsstreit zwischen ihr und dem Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) darüber, ob und in welcher Höhe die Beschwerdeführerin bei ihrem Ausscheiden einen Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat. Streitig war dabei auch, ob die Beschwerdeführerin, wie von ihr geltend gemacht wurde, am 31. Dezember 1972 oder erst am 29. Juni 1973 aus der OHG ausgeschieden war. In seinem Urteil vom 8. November 1984 stellte das Finanzgericht (FG), das im übrigen die Entstehung eines der Beschwerdeführerin zuzurechnenden Veräußerungsgewinns im Veranlagungszeitraum 1973 im wesentlichen auch der Höhe nach bestätigte und entsprechend feststellte, als Veräußerungszeitpunkt den 29. Juni 1973 fest. Das FG begründete diese Feststellung im wesentlichen mit der Erwägung, die Vereinbarungen über das Ausscheiden der Beschwerdeführerin seien am 29. Juni 1973 zustande gekommen und es spreche nichts dafür, daß die Beschwerdeführerin ihren Anteil bereits zu einem früheren Zeitpunkt übertragen habe. Die Revision gegen das Urteil des FG wurde vom erkennenden Senat mit Beschluß vom 16. Juli 1987 im Verfahren nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1987 beantragte die Beschwerdeführerin, den Tenor des FG-Urteils insoweit nach § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen, als Zeitpunkt der Veräußerung der 29. Juli 1973 angenommen werde. Die Beschwerdeführerin ging dabei, wie schon im Klageverfahren, davon aus, sie sei bereits am 31. Dezember 1972 aus der OHG ausgeschieden.
Das FG wies den Berichtigungsantrag zurück. Das FG ließ dahingestellt, ob der Antrag bereits deshalb als unzulässig abgewiesen werden müsse, weil die Antragsschrift in grober Weise gegen das Erfordernis der sachlichen Form verstoße. Jedenfalls sei dem Antrag der Erfolg zu versagen, da die von der Beschwerdeführerin gerügte Fassung der Urteilsformel keinen Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeit darstelle, sondern - wie den Ausführungen in den Entscheidungsgründen entnommen werden könne - einen Teil der gerichtlichen Entscheidung, der den Erklärungswillen des Gerichts fehlerfrei zum Ausdruck bringe. In derartigen Fällen sei eine Berichtigung nach § 107 FGO nicht zulässig.
Dagegen richtet sich die Beschwerde. Zur Begründung wird vorgetragen, der angefochtene Beschluß werde dem Sinn des § 107 FGO und dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. April 1987 VIII R 201/83 (BFH / NV 1987, 667) nicht gerecht. Entgegen der Auffassung des FG könne auch ein ,,Sachlichkeitsgebot" den Antrag nicht als unzulässig erscheinen lassen. Denn das Bundesverfassungsgericht habe das Sachlichkeitsgebot wegen Verstoßes gegen die Grundrechte auf Berufs- und Meinungsfreiheit für grundgesetzwidrig erklärt.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet und mußte deshalb zurückgewiesen werden (§ 128 i. V. m. § 126 Abs. 2 FGO).
Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit, auch noch nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils, zu berichtigen. Ein die Berichtigung ablehnender Beschluß des FG kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 128 Abs. 1 FGO).
Die von der Beschwerdeführerin begehrte Berichtigung kann im Verfahren nach § 107 FGO nicht erreicht werden. Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 107 Abs. 1 FGO ist, daß das Urteil im Rubrum, im Tenor, im Tatbestand oder in den Gründen (BFH-Beschluß vom 27. Februar 1970 III B 3/69, BFHE 99, 94, BStBl II 1970, 546) einen Schreib- oder Rechenfehler oder eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit enthält. Ein Schreibfehler liegt nicht vor, da, wie sich aus den Gründen des FG-Urteils ergibt, der 29. Juni 1973 als Tag des Ausscheidens festgestellt werden sollte, weil erst an diesem Tage und nicht bereits am 31. Dezember 1972 die Beschwerdeführerin aus der OHG ausgeschieden sei. Eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit i. S. des § 107 FGO liegt nur vor, wenn es sich um ein Versehen handelt, durch das es, wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler, dazu kommt, daß das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt. Ziel der Berichtigung nach § 107 FGO kann es deshalb nur sein, den erklärten mit dem gewollten Inhalt des Urteils in Einklang zu bringen. Eine Änderung des gewollten und richtig erklärten Inhalts des Urteils kann nicht mit einem Berichtigungsantrag nach § 107 FGO, sondern nur mit dem gegen das Urteil zulässigen Rechtsmittel erreicht werden (BFH-Beschluß vom 14. Oktober 1976 V B 16/76, BFHE 120, 145, BStBl II 1977, 38). Das FG hat, wie dargelegt, den 29. Juni 1973 als Tag des Ausscheidens feststellen wollen und so auch festgestellt; Erklärungswille und Erklärungsinhalt stimmen somit überein, so daß eine Unrichtigkeit i. S. des § 107 Abs. 1 FGO nicht vorliegt. Aus dem Beschluß in BFH / NV 1987, 667, auf den die Beschwerdeführerin sich beruft, ergibt sich nichts anderes. Dort hat der BFH lediglich ausgeführt, daß Ergänzungen und Berichtigungen i. S. der §§ 109, 107 FGO im Urteilsergänzungsverfahren nach diesen Vorschriften, nicht im Revisionsverfahren geltend zu machen sind. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, daß materielle Rechtsfehler nicht im Revisions-, sondern im Urteilsergänzungsverfahren geltend gemacht werden können. Die Erwägungen des FG zur Frage einer möglichen Unzulässigkeit des Antrags haben auf die Entscheidung des FG keinen Einfluß gehabt. Deshalb erübrigt es sich, auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin hierzu einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 416514 |
BFH/NV 1990, 246 |