Entscheidungsstichwort (Thema)
Begründung einer Prüfungsanordnung
Leitsatz (NV)
Weichen die Angaben eines Steuerpflichtigen in seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen und in seiner Umsatzsteuer-Jahreserklärung erheblich voneinander ab, muss die nachfolgende Anordnung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht besonders begründet werden.
Normenkette
AO 1977 § 121 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 193; UStG 1993 § 18 Abs. 1, 3-4
Tatbestand
I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1994 ein Bauunternehmen. Ihre Umsatzsteuererklärung 1994 vom 15. März 1996 führte zu einer Abschlusszahlung von über 15 000 DM, weil die in dieser Jahressteuererklärung angegebenen Umsätze in Höhe von … DM um 104 960 DM über den von der Klägerin vorangemeldeten Umsätzen lagen. Deshalb und wegen ihm vorliegenden Kontrollmaterials über ausgeführte Leistungen der Klägerin ordnete der Beklagte, Revisionsbeklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) mit Bescheid vom 19. September 1997 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an. In dem Bescheid hieß es:
"… aufgrund § 193 Abs. 1 AO ordne ich an, dass bei Ihnen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vorgenommen wird.
Hierbei handelt es sich um eine abgekürzte Außenprüfung.
Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung betrifft die Überprüfung der zeitgerechten Versteuerung der Umsätze."
Der von der Klägerin ―ohne Begründung― gegen diese Prüfungsanordnung eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, der Prüfungsanordnung fehle die nach § 121 der Abgabenordnung (AO 1977) erforderliche Begründung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 1991 X R 89/89 (BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220) ab. Es führte zur Begründung u.a. aus, nur wenn es sich um eine "außerhalb des normalen allgemeinen Prüfungsrhythmus aus besonderem Anlass" durchgeführte Prüfung handle oder um eine Prüfung, die über den üblichen sachlichen und zeitlichen Umfang hinaus erstreckt werden solle, sei eine besondere Begründung erforderlich. Ein derartiger Anlass habe im Streitfall nicht vorgelegen. Er ergebe sich auch nicht aus dem Hinweis in der Prüfungsanordnung, dass die Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Überprüfung der zeitgerechten Versteuerung der Umsätze betreffe. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedeute der Hinweis nicht, dass die Prüfungsanordnung ausschließlich im steuerstrafrechtlichen Interesse ergangen sei und der förmlichen Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gleichkomme. Für eine solche Annahme seien keine Anhaltspunkte erkennbar. Vielmehr ergebe sich bei Auslegung der Prüfungsanordnung, dass gemäß § 193 AO 1977 eine reguläre ―wenn auch in bestimmter Weise eingeschränkte― Prüfung habe stattfinden sollen, bei der nach dem besonderen Hinweis ein Schwerpunkt der Ermittlungen auf der "Überprüfung der zeitgerechten Versteuerung der Umsätze" habe liegen sollen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision (V R 18/00) und gleichzeitig Nichtzulassungsbeschwerde (V B 64/00) eingelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die ―ausdrücklich nebeneinander eingelegten― Rechtsmittel der Klägerin haben keinen Erfolg. Sowohl ihre Revision als auch ihre Nichtzulassungsbeschwerde sind unzulässig.
1. Die Revision findet nur statt, wenn sie das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der BFH zugelassen hat oder wenn ein Fall der zulassungsfreien Revision gemäß § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegeben ist (Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG―). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
a) Die Revision ist nicht ohne Zulassung statthaft.
Die Klägerin macht insoweit geltend, die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen, so dass die Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO zulässig sei. Sie hat jedoch einen Begründungsmangel im Sinne dieser Vorschrift nicht schlüssig dargelegt.
Die Klägerin trägt ―wie bereits im finanzgerichtlichen Verfahren― vor, der bloße Hinweis auf § 193 AO 1977 genüge als Begründung einer Prüfungsanordnung lediglich für eine sog. Routineprüfung; für eine sog. Anlassprüfung ―wie sie im Streitfall vorliege― sei gemäß § 121 AO 1977 eine besondere Begründung erforderlich. Die Auslegung des angefochtenen Bescheids durch das FG dahin, dass gemäß § 193 AO 1977 eine reguläre ―wenn auch in bestimmter Weise eingeschränkte― Prüfung habe stattfinden sollen, sei "unzulässig". Dazu, "wie die Angelegenheit zu beurteilen ist, oder wäre, wenn dies einzig und allein Prüfungsinhalt sein soll", treffe das FG keine Feststellungen. Da dies aber "wesentlicher und zu beurteilender Inhalt des Klagebegehrens war und ist", liege hier insoweit ―und damit insgesamt― eine Entscheidung vor, die nicht mit Gründen versehen sei.
Mit diesem Vorbringen wendet sich die Klägerin lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung; einen wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO legt sie damit nicht dar (vgl. BFH-Beschluss vom 20. November 1998 V R 61/98 u.a., BFH/NV 1999, 788, m.w.N.).
b) Gründe für eine Zulassung der Revision durch den Senat sind nicht gegeben. Insbesondere liegt entgegen der Ansicht der Klägerin keine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vor.
Die Klägerin macht insoweit geltend, die Vorentscheidung weiche von den BFH-Urteilen in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220 und vom 29. Oktober 1992 IV R 47/91 (BFH/NV 1993, 149) ab. Die Divergenzrüge ist aber schon deshalb nicht schlüssig, weil es an der erforderlichen Gegenüberstellung voneinander abweichender Rechtssätze des BFH und des FG fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Januar 1996 X B 73/95, BFH/NV 1996, 593).
Im Übrigen stützt sich die Klägerin zu Unrecht auf das BFH-Urteil in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220, wonach zur Begründung der Anordnung einer Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO 1977 grundsätzlich der Hinweis auf diese Rechtsgrundlage genügt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus diesem Urteil nicht, im Falle einer sog. "Anlassprüfung" müsse in jedem Fall eine Begründung erfolgen. Vielmehr ist gemäß § 121 Abs. 1 AO 1977 eine Prüfungsanordnung als schriftlicher Verwaltungsakt (§ 196 AO 1977) ―nur dann― schriftlich zu begründen, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich ist. Einer Begründung bedarf es nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 u.a. nicht, soweit dem Inhaltsadressaten die Auffassung der Finanzbehörde bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist.
Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben ―von denen auch der BFH in BFHE 166, 105, BStBl II 1992, 220 unter 3. a der Urteilsgründe ausgegangen ist― war im Streitfall schon angesichts der erheblichen Differenzen zwischen den Angaben der Klägerin in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen einerseits und in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung andererseits eine (weitere) Begründung der angefochtenen Prüfungsanordnung nicht erforderlich.
2. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 507927 |
BFH/NV 2001, 295 |