Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den EuGH: Anspruch auf Ausfuhrerstattung, wenn nachträgliche Prüfung ergibt, dass das angemeldete Erzeugnis nicht das in der Sendung enthaltene ist?
Leitsatz (NV)
- Besteht ein Anspruch auf Zahlung der Ausfuhrerstattung wenigstens nach dem für das tatsächlich ausgeführte Erzeugnis anwendbaren Erstattungssatz, wenn im Rahmen einer zollamtlichen Überprüfung festgestellt wird, dass die angemeldete und ausgeführte Sendung nicht vollständig aus dem angemeldeten Erzeugnis bestand, sondern zu einem bestimmten Teil ein anderes Erzeugnis enthielt, für das ein niedrigerer Erstattungssatz galt?
- Ist es entscheidungserheblich, ob es sich bei dem unzutreffend angemeldeten Erzeugnis um eine ähnliche Ware wie die tatsächlich angemeldete handelt?
- Falls die Frage 2 bejaht wird: Nach welchen Kriterien ist zu bestimmen, ob die Anmeldung auch die unzutreffend angemeldete Ware umfasst?
Normenkette
ZK Art. 65, 78; EWGV 3665/87 Art. 3-4, 11; MOG § 10
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) meldete unter dem 21. Juni 1994, 10. Oktober 1994 und 9. Juni 1995 Kochhinterschinken von Hausschweinen ohne Knochen unter der Marktordnungswarenlistennummer 1602 4110 2100 zur Ausfuhr nach Russland an und beantragte zugleich Zahlung der Ausfuhrerstattung, was der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt ―HZA―) mit Erstattungsbescheiden vom 26. August 1994, 9. März 1995 und 25. August 1995 in Höhe von insgesamt … DM gewährte. Anlässlich einer bei der Zulieferfirma der Klägerin durchgeführten Marktordnungsprüfung wurde festgestellt, dass es sich bei den von der Klägerin angemeldeten Waren zu einem in dem Schlussbericht des Zollfahndungsamts X vom 30. Januar 1998 näher bestimmten Teil um Kasseler-Fleisch (Marktordnungswarenlistennummer 1602 4911 1900) handelte. Das HZA forderte daraufhin mit Rückforderungsbescheid vom 17. März 1998 die Ausfuhrerstattung entsprechend den von der Betriebsprüfungsstelle festgestellten Kasseleranteilen in Höhe von insgesamt … DM zurück. Nach Meinung des HZA war ein Erstattungsanspruch nicht gegeben, weil die Klägerin für den Kasseleranteil keine Ausfuhranmeldung abgegeben habe, das Kasseler damit nicht unter Zollkontrolle gestellt und deshalb kein Ausfuhrnachweis erbracht worden sei.
Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, sie habe die Anmeldung durch Fachleute der Lieferfirma vornehmen lassen und keinen Einfluss darauf gehabt, was diese anmeldeten. Weiter beruft sie sich darauf, dass in verschiedenen Gutachten der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt Hamburg ein Einreihungsvorschlag (Marktordnungs-Warenlistennummer 1602 4110 2100) unterbreitet worden sei, auf die sich die Lieferfirma und die Klägerin hätten verlassen dürfen. Die Ausfuhrerstattungsbescheide könnten auch nicht mehr zurückgenommen werden, weil sie schon seit langem bestandskräftig seien. Außerdem berief sich die Klägerin auf Vertrauensschutz, weil sich die zuständige Sachbearbeiterin der Lieferfirma, die Zeugin M, beim Hauptzollamt G nach den Marktordnungs-Warenlistennummern sowohl für Kochhinterschinken als auch für Kasseler erkundigt habe. Es könne deshalb nicht ihr angelastet werden, dass die Ausfuhrpapiere auf Grund einer falschen Auskunft des Hauptzollamts G nicht korrekt ausgefüllt worden seien.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 1999). Die Klage, mit der die Klägerin erneut geltend machte, die Mitarbeiterin der Lieferfirma habe sich bei der zuständigen Zollstelle telefonisch sowohl für Hinterschinken als auch für Kasseler die Marktordnungs-Warenlistennummern geben lassen und diese in die Papiere eingetragen, hatte insoweit Erfolg als das HZA Ausfuhrerstattung in Höhe von mehr als … DM zurückgefordert hat. Denn die Klägerin habe, wie das Finanzgericht (FG) erläutert hat, für das ausgeführte Kasseler zwar keinen Anspruch auf die für den Kochhinterschinken geltende Ausfuhrerstattung, aber einen solchen auf die für das Kasseler geltende niedrigere Ausfuhrerstattung. Das FG hat die sich in Bezug auf die drei Bescheide jeweils ergebenden Unterschiedsbeträge im Einzelnen berechnet. Hinsichtlich der sich zu den Bescheiden vom 26. August 1994 und 9. März 1995 ergebenden Unterschiedsbeträge seien die beiden Bescheide nach der insoweit noch anwendbaren Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 des Marktordnungsgesetzes (MOG) zurückzunehmen und der Unterschiedsbetrag zurückzufordern. In Bezug auf den Bescheid vom 25. August 1995 ergebe sich der Rückforderungsanspruch in Höhe des errechneten Unterschiedsbetrages aus Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 351/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1384/95 der Kommission vom 19. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 134/14).
Mit der Revision macht das HZA geltend, die Auffassung des FG, wonach der Klägerin im vorliegenden Fall Ausfuhrerstattung auch für den Teil der Ausfuhrsendung zustehe, bei dem es sich um Kasseler der Marktordnungs-Warenlistennummer 1602 4911 1900 handele, sei unzutreffend. Die Rechtsprechung des FG weiche von der bindenden Auslegung der einschlägigen Normen durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 21. Januar 1999 Rs. C-54/95 (EuGHE 1999, I-35, Randnr. 75) ab. Bei Anwendung dieser Entscheidung auf den Streitfall sei eine Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen in Höhe des für Kasseler vorgesehenen (niedrigeren) Erstattungssatzes nur möglich gewesen, wenn die Klägerin die Zollanmeldungen nachträglich berichtigt hätte. Da dies aber nicht mehr geschehen sei ―und nach Auffassung des HZA auch nicht geschehen könne― sei die Gewährung des für Kasseler vorgesehenen Erstattungssatzes zu Recht abgelehnt worden. Dem Urteil sei auch nicht zu entnehmen, dass dem Ausführer eine Erstattung gewährt werden könne, wenn er das angemeldete Erzeugnis im Kern richtig bezeichnet habe. Die Falschbezeichnung sei der Klägerin auch zurechenbar. Es habe ihr als Ausführerin oblegen, die ausgeführten Erzeugnisse zutreffend einzureihen und sich zu diesem Zweck ggf. auch um eine verbindliche Zolltarifauskunft zu bemühen, um allen Zweifeln aus dem Wege zu gehen. Auf das Vorbringen, die Zeugin habe eine falsche Auskunft vom Zollamt G erhalten, komme es daher nicht an. Im Übrigen sei der Klägerin auch vorzuwerfen, dass sie nicht nur die unzutreffende Marktordnungs-Warenlistennummer, sondern das Kasseler als Ausfuhrerzeugnis gar nicht angegeben habe.
Das HZA beantragt,
die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie beruft sich weiter auf Vertrauensschutz. Im Übrigen könnten die Ausführungen des EuGH, auf die das HZA Bezug genommen habe, auf den Streitfall nicht übertragen werden. Den Ausführungen des FG sei voll zuzustimmen, dass das Erzeugnis im Kern richtig angemeldet worden sei. Die Hauptposition sei richtig beschrieben. Dieses Verständnis des FG, bestätigt durch das Urteil des EuGH vom 27. Februar 1992 Rs. C-5/90 und C-206/90 (EuGHE 1992, I-1157), trage sowohl den Belangen der Zollbehörde Rechnung als auch den anzuerkennenden Bedürfnissen der Ausführer, denen angesichts der Komplexität der Erstattungsnomenklatur auch bei äußerster Anstrengung tatsächlich ein Irrtum bei der Bezeichnung der Ausfuhrwaren unterlaufen könne. Wenn der entsprechende Irrtum dann auch der Zollbehörde unterlaufe, sei es richtig, dem Ausführer Vertrauensschutz zuzubilligen. Die Klägerin habe die Ware jedenfalls der Menge nach richtig angemeldet. Das HZA habe die Anmeldung entgegengenommen, zunächst beschieden, nachträglich aber einen Teil der angemeldeten Ware als fehlerhaft deklariert bezeichnet. Hier noch einmal im Wege der Berichtigung eine erneute Anmeldung der fehlerhaft deklarierten Ware zu fordern, sei unberechtigt. Vielmehr hätte der ursprüngliche Antrag dann entsprechend ausgelegt werden müssen, so dass das der Menge nach bekannte Kasseler-Material unter der anderen Marktordnungs-Warenlistennummer hätte berücksichtigt und beschieden werden müssen. Es bestehe kein Grund das Urteil des FG aufzuheben.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat setzt das bei ihm anhängige Revisionsverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem EuGH die unter IV. 5. genannten Fragen zur Vorabentscheidung vor.
III.
Nach Auffassung des Senats sind für die Lösung des Streitfalles die folgenden gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Rechtsvorschriften maßgebend.
1. Gemeinschaftsrecht:
a) Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1)
Artikel 65
Dem Anmelder wird auf Antrag bewilligt, eine oder mehrere Angaben in der Anmeldung zu berichtigen, nachdem diese von den Zollbehörden angenommen worden ist. Die Berichtigung darf nicht zur Folge haben, dass sich die Anmeldung auf andere als die ursprünglich angemeldeten Waren bezieht.
Eine Berichtigung wird jedoch nicht mehr zugelassen, wenn der Antrag gestellt wird, nachdem die Zollbehörden
- a) den Anmelder davon unterrichtet haben, dass sie eine Beschau der Waren vornehmen wollen,
- b) festgestellt haben, dass die betreffenden Angaben unrichtig sind oder
- c) die Waren dem Anmelder bereits überlassen haben.
Artikel 78
(1) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren von Amts wegen oder auf Antrag des Anmelders eine Überprüfung der Anmeldung vornehmen.
(2) Die Zollbehörden können nach der Überlassung der Waren die Geschäftsunterlagen und anderes Material, das im Zusammenhang mit den betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrgeschäften sowie mit späteren Geschäften mit diesen Waren steht, prüfen, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Anmeldung zu überzeugen. Diese Prüfung kann beim Anmelder, bei allen in geschäftlicher Hinsicht mittelbar oder unmittelbar beteiligten Personen oder bei allen anderen Personen durchgeführt werden, die diese Unterlagen oder dieses Material aus geschäftlichen Gründen in Besitz haben. Die Zollbehörden können auch eine Überprüfung der Waren vornehmen, sofern diese noch vorgeführt werden können.
(3) Ergibt die nachträgliche Prüfung der Anmeldung, dass bei der Anwendung der Vorschriften über das betreffende Zollverfahren von unrichtigen oder unvollständigen Grundlagen ausgegangen worden ist, so treffen die Zollbehörden unter Beachtung der gegebenenfalls erlassenen Vorschriften die erforderlichen Maßnahmen, um den Fall unter Berücksichtigung der ihnen bekannten neuen Umstände zu regeln.
b) Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987 (ABlEG Nr. L 351/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 310/57) berichtigt in ABlEG 1995 Nr. L 132/22, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1384/95 der Kommission vom 19. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 134/14):
Artikel 3
(1) Als Tag der Ausfuhr gilt der Zeitpunkt, an dem die Zollbehörden die Ausfuhranmeldung, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung beantragt wird, annehmen.
(2) Der Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung ist maßgebend für
a) den anzuwendenden Erstattungssatz, wenn die Erstattung nicht im voraus festgesetzt wurde,
b) die gegebenenfalls vorzunehmenden Berichtigungen des Erstattungssatzes, wenn die Erstattung im voraus festgesetzt wurde.
(3) Der Annahme der Ausfuhranmeldung ist jede andere Handlung gleichgestellt, die die gleiche Rechtswirkung wie diese Annahme hat.
(4) Der Tag der Ausfuhr ist maßgebend für die Feststellung von Menge, Art und Eigenschaften des ausgeführten Erzeugnisses.
(5) Das bei der Ausfuhr für die Inanspruchnahme einer Ausfuhrerstattung verwendete Dokument muss alle für die Berechnung des Ausfuhrerstattungsbetrags erforderlichen Angaben enthalten und insbesondere:
a) die Bezeichnung der Erzeugnisse nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur,
….
Handelt es sich bei dem in diesem Absatz bezeichneten Dokument um die Ausfuhranmeldung, so muss diese ebenfalls alle Angaben und den Vermerk "Erstattungscode" enthalten.
(6) Im Zeitpunkt dieser Annahme oder der Vornahme dieser Handlung werden die Erzeugnisse bis zum Verlassen des Zollgebiets der Gemeinschaft unter Zollkontrolle gestellt.
Artikel 4
(1) Unbeschadet der Artikel 5 und 16 ist die Zahlung der Ausfuhrerstattung von dem Nachweis abhängig, dass die Erzeugnisse, für welche die Ausfuhrerklärung angenommen wurde, spätestens sechzig Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft in unverändertem Zustand verlassen haben.
….
Artikel 11
(1) Wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe
a) des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung,
b) des doppelten Unterschieds zwischen der beantragten und der geltenden Erstattung, wenn der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.
Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Artikel 3 bzw. Artikel 25 Absatz 2 berechnet wird. Richtet sich die Höhe des Erstattungssatzes nach der jeweiligen Bestimmung, so ist der differenzierte Teil der Erstattung anhand der Angaben gemäß Artikel 47 zu berechnen.
….
(2) …
(3) Unbeschadet der Verpflichtung, gemäß Absatz 1 vierter Unterabsatz einen negativen Betrag zu berücksichtigen, wenn eine Erstattung unrechtmäßig gewährt wird, zahlt der Begünstigte den unrechtmäßig erhaltenen Betrag - einschließlich aller nach Absatz 1 erster Unterabsatz fälligen Sanktionen - zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurück.
….
2. Nationales Recht
§ 10 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 27. August 1986 (BGBl I, 1397):
(1) Rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist anzuwenden. Soweit Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 dies erfordern, können in Rechtsverordnungen nach den §§ 6 und 8 zur Erstattung von zu Unrecht gewährten Vergünstigungen auch Dritte verpflichtet werden, die Marktordnungswaren erzeugen, gewinnen, be- oder verarbeiten, verbringen, ein- oder ausführen, besitzen oder besessen haben oder unmittelbar oder mittelbar am Geschäftsverkehr mit solchen Waren teilnehmen oder teilgenommen haben.
(2) Rechtmäßige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 sind, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zu widerrufen, soweit eine Voraussetzung für den Erlass des Bescheides nachträglich entfallen oder nicht eingehalten worden ist, insbesondere die gewährte Vergünstigung nicht oder nicht mehr nach Maßgabe des Bescheides verwendet wird; der Bescheid ist mit Wirkung für die Vergangenheit zu widerrufen, soweit Regelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 nichts anderes zulassen. § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 7 und Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes gilt entsprechend.
(3) Zu erstattende Beträge werden durch Bescheid festgesetzt.
IV.
1. Die rechtliche Würdigung des Streitfalles ist gemeinschaftsrechtlich zweifelhaft. Die Entscheidung der Revision hängt davon ab, ob auch das in den ausgeführten Sendungen jeweils enthaltene Kasseler-Fleisch als zur Ausfuhr angemeldet angesehen werden kann und jedenfalls unter Anwendung des dafür geltenden Erstattungssatzes die Ausfuhrerstattung zu zahlen ist. Da diesbezüglich Zweifel an der Auslegung des Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und Abs. 6, Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 und Art. 78 Abs. 3 ZK bestehen, ist der Senat zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, ABlEG Nr. C 340/1; ABlEG 1999 Nr. L 114/56).
2. Keine Zweifel hat der Senat hinsichtlich der Rechtsgrundlage für einen etwaigen Erstattungsanspruch. Insoweit hat das FG zutreffend ausgeführt, dass in Bezug auf die Erstattungsbescheide vom 26. August 1994 und vom 9. März 1995 mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung die nationale Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG Anspruchsgrundlage für eine etwaige Rückforderung von für das Kasseler-Fleisch gewährter Ausfuhrerstattung war. Richtig ist auch, dass die entsprechende Anspruchsgrundlage in Bezug auf den Erstattungsbescheid vom 25. August 1995 gemeinschaftsrechtlich in dem für Ausfuhren ab dem 1. April 1995 geltenden Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 geregelt ist.
3. Streitig ist, ob für den in den Sendungen nach den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts jeweils enthaltenen Anteil an Kasseler-Fleisch ―wie das HZA meint― überhaupt kein Anspruch auf Zahlung einer Ausfuhrerstattung bestand oder ob ein solcher Anspruch wenigstens ―wie das FG ausgeführt hat― nach den für Kasseler-Fleisch geltenden Erstattungssätzen zu bemessen ist. Das hängt davon ab, ob für das Kasseler die Voraussetzungen des Art. 4 VO Nr. 3665/87 erfüllt sind. Da davon auszugehen ist, dass die streitigen Sendungen rechtzeitig i.S. von Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 ausgeführt worden sind, ist nur zu entscheiden, ob der Anteil an Kasseler-Fleisch in den jeweiligen Sendungen von der in Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 vorausgesetzten Ausfuhrerklärung umfasst ist. Dies ist nach Auffassung des Senats ―anders als das HZA meint― der Fall.
Zwar hat die Ausfuhranmeldung nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a VO Nr. 3665/87 u.a. die Bezeichnung des Erzeugnisses nach der für die Ausfuhrerstattungen verwendeten Nomenklatur zu enthalten. Das bedeutet, dass diese Bezeichnung zutreffend sein muss. Weicht die Bezeichnung aber von der richtigen ab, so hat dies nicht notwendig zur Folge, dass die angemeldete Sendung nicht von der Ausfuhrerklärung umfasst wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das tatsächlich in der Sendung enthaltene Erzeugnis nicht völlig von der in der Ausfuhranmeldung enthaltenen Bezeichnung abweicht. Das ist ―wie das FG zutreffend ausgeführt hat― hier der Fall. Denn sowohl bei dem angemeldeten Kochhinterschinken als auch bei dem Kasseler handelt es sich um Schweinefleisch, das derselben Position 1602 des Harmonisierten Systems (HS) unterfällt und sich nur hinsichtlich der Zuordnung zu den Unterpositionen des HS unterscheidet. Der Umstand, dass für den Kochhinterschinken und das Kasseler jeweils ein anderer Erstattungssatz gilt, rechtfertigt es jedenfalls nicht, anzunehmen, dass sich die Ausfuhranmeldung nicht auch auf das Kasseler bezogen hat (vgl. EuGH, Urteil in EuGHE 1992, I-1157).
Dem Umstand, dass das in der Sendung enthaltene Kasseler fälschlicherweise ebenfalls als Kochhinterschinken angemeldet worden ist, ist vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, dass die Anmeldung im Streitfall im Wege einer von Amts wegen durchgeführten Überprüfung nach Art. 78 Abs. 3 ZK berichtigt und der nach Anwendung des zutreffenden Erstattungssatzes zu Unrecht gewährte Teil der Ausfuhrerstattung zurückgefordert wird. Diese Berichtigung ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Waren der Klägerin als Anmelder bereits überlassen worden sind (Art. 65 Unterabs. 2 ZK). Denn die Überprüfung und Berichtigung der Ausfuhranmeldung durch die Zollbehörden ist nach Art. 78 Abs. 3 ZK jederzeit möglich.
4. Zweifel daran, ob die zuvor dargestellte Auffassung richtig ist, vermag der Senat im Hinblick auf das Urteil des EuGH in EuGHE 1999, I-35, auf das sich das HZA beruft, nicht ganz auszuschließen. In Randnummer 75 dieser Entscheidung hat der EuGH den Rechtssatz aufgestellt, dass von den nationalen Behörden gezahlte Ausfuhrerstattungen nicht als nach den Gemeinschaftsvorschriften gewährt angesehen werden können, wenn die tatsächlich ausgeführte Ware infolge eines dem Ausführer zurechenbaren Verhaltens nicht der angemeldeten Ware entspricht. Wird dieser Rechtssatz auf den Streitfall übertragen, so ließe sich schlussfolgern, dass auch hier ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Ausfuhrerstattung unter Zugrundelegung des für Kasseler geltenden Erstattungssatzes nicht besteht, wenn die falsche Anmeldung auf ein ihr zurechenbares Verhalten zurückgeht.
Der Senat meint allerdings, dass aus den der genannten Randnummer folgenden Ausführungen des Urteils zu entnehmen ist, dass der Rechtssatz in Randnummer 75 nur gilt, wenn die Anmeldung weder von dem Begünstigten noch von der Zollbehörde berichtigt worden ist. Da im Streitfall aber eine Überprüfung der Anmeldung durch die Zollverwaltung i.S. von Art. 78 Abs. 3 ZK stattgefunden hat und in diesem Rahmen die zutreffende Zusammensetzung der zur Ausfuhr angemeldeten Sendungen festgestellt worden ist, hat der Senat Zweifel, ob im Streitfall die vollständige Versagung der Ausfuhrerstattung für das Kasseler-Fleisch, wie sie das HZA für geboten hält, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Diese Zweifel werden bestärkt durch die in Art. 11 VO Nr. 3665/87 getroffene Regelung, nach der für Fälle, in denen die beantragte Ausfuhrerstattung höher ist als die dem Antragsteller tatsächlich zustehende, ein Sanktionssystem festgelegt ist. Diese Regelung ist geeignet, auch Fälle wie die vorliegenden, jedenfalls hinsichtlich des Erstattungsbescheides vom 25. August 1995 angemessen zu behandeln, ohne dass die Ausfuhrerstattung für das falsch angemeldete Erzeugnis ganz zu versagen ist.
5. Wegen der bestehenden Zweifel an der zutreffenden Auslegung der Art. 3 Abs. 5 Buchst. a, Art. 3 Abs. 6, Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 3665/87, Art. 78 Abs. 3 ZK hält es der Senat für erforderlich, den EuGH um die Vorabentscheidung folgender Fragen zu ersuchen:
1. Besteht ein Anspruch auf Zahlung der Ausfuhrerstattung wenigstens nach dem für das tatsächlich ausgeführte Erzeugnis anwendbaren Erstattungssatz, wenn im Rahmen einer zollamtlichen Überprüfung festgestellt wird, dass die angemeldete und ausgeführte Sendung nicht vollständig aus dem angemeldeten Erzeugnis bestand, sondern zu einem bestimmten Teil ein anderes Erzeugnis enthielt, für das ein niedrigerer Erstattungssatz galt?
2. Ist es entscheidungserheblich, ob es sich bei dem unzutreffend angemeldeten Erzeugnis um eine ähnliche Ware wie die tatsächlich angemeldete handelt?
3. Falls die Frage 2 bejaht wird: Nach welchen Kriterien ist zu bestimmen, ob die Anmeldung auch die unzutreffend angemeldete Ware umfasst?
Fundstellen
Haufe-Index 873253 |
BFH/NV 2003, 218 |
HFR 2003, 225 |