Entscheidungsstichwort (Thema)
Befangenheit eines Richters als Zulassungsgrund
Leitsatz (NV)
Behauptete Rechtsfehler, die in einem früheren Verfahren unterlaufen sein sollen, sind keine Befangenheitsgrund, es sei denn, dass ganz besondere Umstände dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der Richter gegenüber der ablehnenden Partei beruht.
Normenkette
FGO § 119 Nrn. 1-2
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller) wegen Ablehnung eines Antrags auf Festsetzung der Umsatzsteuer 1984 bis 1990 durch den Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt --FA--) mit der Begründung abgewiesen, bei Eingang seines Antrags auf Erteilung von Umsatzsteuerbescheiden für 1984 bis 1990, am 19. Mai 2000, sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Festsetzungsfrist sei nicht nach § 169 Abs. 2 Sätze 2 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) verlängert; denn die Verlängerung gelte nur, soweit eine Steuer hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sei; sie diene nicht dazu, es dem Steuerverkürzer/-hinterzieher zu ermöglichen, Änderungen zu seinen Gunsten zu erwirken. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen möchte sich der Antragsteller mit der noch einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde wenden. Für deren Durchführung beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf PKH für die noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der PKH-Antrag konnte vom Antragsteller auch persönlich gestellt werden, da der Vertretungszwang nach § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) für Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle wahrgenommen werden können, und damit auch für den Antrag auf PKH, nicht gilt (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. April 1996 V S 5/96, V R 8/96, BFH/NV 1996, 847).
2. Der PKH-Antrag ist jedoch unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
a) Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist --wie nach § 62a Abs. 1 FGO-- eine Vertretung durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (bestimmte rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende Berufe und entsprechende Berufsgesellschaften) als Bevollmächtigten erforderlich, wird dem Beteiligten eine zur Vertretung bereite Person seiner Wahl beigeordnet (§ 142 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO).
b) Der Antragsteller begehrt die PKH für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder
3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss auch von dem zunächst auf sich gestellten Kläger, der für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde PKH begehrt, u.a. verlangt werden, dass er das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel zumindest laienhaft darstellt (vgl. § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 ZPO; ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 9. April 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 142 Rz. 12, m.w.N.).
Aus dem Vorbringen des Antragstellers sind Anhaltspunkte dafür, dass ein Zulassungsgrund vorliegen könnte, nicht erkennbar.
Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, weshalb seiner Meinung nach das FG in seinem Fall zu Unrecht eine Fristhemmung sowie die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Sätze 2 ff. AO 1977 verneint habe. Er meint, die "Festsetzungsfrist kann erst dann beginnen, wenn eine rechtskräftige Steuer entstanden ist oder Steuererklärungen von mir erstattet worden wären. Das ist nicht der Fall, weil von mir keine Steuererklärungen oder Steueranmeldungen erfolgen konnten, weil das FA mich nicht als Steuerpflichtigen anerkannte". Die verlängerte Festsetzungsfrist sei auch "dadurch gegeben, weil nicht nur die örtliche Zuständigkeit geklärt werden mußte, sondern auch dadurch, daß durch das LG Bochum festgestellt wurde, daß Steuern hinterzogen wurden". Außerdem habe der Fristablauf erst mit der Fahndungsprüfung und dem steuerstrafrechtlichen Schlussbericht beginnen können. Anhaltspunkte für eine Rechtsfrage, die wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordern könnten, sind aus diesem Vorbringen nicht erkennbar.
Der Antragsteller macht weiter geltend, das angefochtene Urteil sei rechtswidrig, "weil an diesem Urteil vom 6.7.04 Richter mitgewirkt haben, die bereits im Steuerverfahren … mitgewirkt haben, das nachweislich rechtswidrig ist". Auch insoweit fehlt ein hinreichender Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Zulassungsgrundes schon deshalb, weil behauptete Rechtsfehler, die in einem früheren Verfahren unterlaufen sein sollen, kein Befangenheitsgrund sind, es sei denn, dass ganz besondere Umstände dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der Richter gegenüber der ablehnenden Partei beruht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Mai 1986 I B 70/85, BFH/NV 1987, 653, und vom 30. September 1998 XI B 22/98, BFH/NV 1999, 348; vom 31. August 1999 V B 53/97, BFH/NV 2000, 244). Anhaltspunkte hierfür hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Im Übrigen fehlt es auch daran, dass der Antragsteller --wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 6. Juli 2004 und dem Urteil vom 6. Juli 2004 ersichtlich-- im Verfahren vor dem FG entsprechende Befangenheitsgründe nicht geltend gemacht hat. Voraussetzung für eine schlüssige Verfahrensrüge ist jedoch, dass ein Richter mit Erfolg abgelehnt worden ist (vgl. § 119 Nr. 2 FGO) oder das FG zu Unrecht einen Befangenheitsantrag abgelehnt hat (vgl. § 119 Nr. 1 FGO).
3. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen