Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung bei geltend gemachtem Verfassungsverstoß/Erbschaftsteuer von Stiefeltern
Leitsatz (NV)
1. Wird zur Begründung einer NZB die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, ist zur substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache eine an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich.
2. Das gilt auch dann, wenn die Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsbesteuerung von Stiefeltern geltend gemacht wird.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; ErbStG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 25.06.2008; Aktenzeichen 3 K 129/06) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres im Jahr 2004 verstorbenen Stiefsohnes. Das Finanzgericht (FG) teilte nicht ihre Auffassung, Stiefeltern seien entgegen § 15 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nicht der Steuerklasse II, sondern wie Eltern der Steuerklasse I zuzuordnen.
Die Klägerin stützt die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf eine ihrer Ansicht nach gegebene Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.
1. Die Darlegung der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) verlangt ebenso wie die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist und deren Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom 19. Juli 2007 V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067; vom 14. September 2007 VIII B 20/07, BFH/NV 2008, 25; vom 30. Januar 2008 V B 57/07, BFH/NV 2008, 611, und vom 8. Oktober 2008 II B 42/08, BFH/NV 2009, 46). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 22. Januar 2008 X B 185/07, BFH/NV 2008, 603; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.B.1., und in BFH/NV 2009, 46).
Derartige Ausführungen sind auch dann erforderlich, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht wird. In diesem Fall ist zur substantiierten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache oder der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts eine an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte rechtliche Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschlüsse vom 11. April 2007 II B 104/06, BFH/NV 2007, 1280, und vom 4. Juli 2007 II B 95/06, BFH/NV 2007, 1829, je m.w.N.). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Vorschrift verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 4. Januar 2005 III B 1/04, BFH/NV 2005, 1080, und vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081).
2. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht diesen Anforderungen.
Die Klägerin geht in der Beschwerdebegründung nicht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der von ihr als maßgeblich angesehenen Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 GG ein; eine an dieser Rechtsprechung orientierte rechtliche Auseinandersetzung und nähere Begründung des geltend gemachten Verfassungsverstoßes fehlt.
In dem von der Klägerin angeführten Kommentar von Kapp/Ebeling (§ 15 ErbStG Rz 36.1) wird ausgeführt, die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der für Eltern und Voreltern im Erbfall geltenden Steuerklasse I auf Stiefeltern lasse sich nicht begründen. Der Erwerb von Stiefeltern bzw. eines Stiefelternteils vollziehe sich vielmehr nach § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 4 ErbStG. Nach Ansicht von Meincke (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 15 Rz 12) müsste der Gleichbehandlung von Kindern und Stiefkindern (§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG) eigentlich eine Gleichbehandlung von Eltern und Stiefeltern entsprechen. Dass eine derartige Gleichbehandlung von Verfassungs wegen zwingend geboten sei, führt er indes nicht aus.
Fundstellen