Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge unterlassener Feststellungen zu leichtfertiger Steuerverkürzung kein Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
Hat sich ein Ehegatte darauf beschränkt, die gemeinsame Steuererklärung nur zu unterschreiben, ohne zugleich eine Steuerhinterziehung zu begehen, so hindert dies zwar seine Haftung nach § 71 AO 1977, ändert aber nichts an der Hinterziehung des Steueranspruchs.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 76; AO 1977 §§ 71, 169
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.06.2003; Aktenzeichen 13 K 92/98) |
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine genaue Angabe der Tatsachen, die den gerügten Mangel ergeben, unter gleichzeitigem schlüssigen Vortrag, inwiefern das angegriffene Urteil ohne diesen Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1999 XI B 86/98, BFH/NV 1999, 1617). Zur ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) ist vorzutragen, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das Finanzgericht (FG) ungenutzt ließ, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum sich ggf. die Notwendigkeit der Beweiserhebung dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte selbst aufdrängen müssen und inwieweit die als unterlassen gerügte Beweiserhebung zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, u.a. Senatsbeschluss vom 19. März 2002 IV B 112/01, BFH/NV 2002, 1042).
2. a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben zwar zu jeder einzelnen nach ihrer Auffassung streitigen Besteuerungsgrundlage vorgetragen, welche Tatsachen weiter aufklärungsbedürftig gewesen wären und dass sich dem FG diese Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Auch haben sie ausgeführt, dass die Feststellung geringerer Einnahmen oder höherer Aufwendungen, etwa bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ebenso wie bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, zu einer niedrigeren Einkommensteuer geführt hätte. Zu keinem der streitigen Punkte haben die Kläger jedoch ausgeführt, warum sie solche Verfahrensverstöße nicht schon --spätestens in der mündlichen Verhandlung-- vor dem FG gerügt haben, obwohl sie in diesem Termin durch einen sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten waren, oder weshalb diesem eine solche Rüge nicht möglich gewesen ist (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 3. Juni 1992 II B 192/91, BFH/NV 1993, 34). Denn auf die Geltendmachung dieser Verfahrensmängel kann verzichtet werden (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung); von einem solchen Verzicht ist auszugehen, wenn die betreffenden Verfahrensmängel nicht rechtzeitig gerügt werden (vgl. nur Senatsbeschluss vom 24. November 2003 IV B 124/01, BFH/NV 2004, 519, m.w.N.).
b) Im Übrigen haben die Kläger mit der Rüge, das FG habe angeblich notwendige Tatsachenfeststellungen, etwa zu den Mieteinnahmen oder den Einnahmen aus Kapitalvermögen und den entsprechenden Werbungskosten, aber auch zur Festsetzungsverjährung nicht getroffen, keine Verfahrensfehler geltend gemacht. Da sich das FG insoweit auf die Feststellungen der Steuerfahndung gestützt hat, wird damit der materiell-rechtliche Fehler beanstandet, dass die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 81, m.w.N.). Ein solcher Fehler wäre aber, selbst wenn er vorläge, kein Zulassungsgrund.
Materiell-rechtliche Fehler werden auch insoweit gerügt, als die Kläger meinen, das FG hätte Feststellungen zu einer möglichen leichtfertigen Steuerverkürzung durch die Klägerin treffen müssen, weil dieser dann die Exkulpationsmöglichkeit des § 169 Abs. 2 Satz 3 zweiter Halbsatz der Abgabenordnung (AO 1977) zugestanden hätte. Das FG hat dazu ausgeführt, für die Anwendung der verlängerten Festsetzungsfrist genüge es, dass einem der zusammenveranlagten Kläger eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen sei. Diese rechtliche Würdigung ist zutreffend und mit Verfahrensrügen nicht angreifbar. Denn hat sich ein Ehegatte darauf beschränkt, die gemeinsame Steuererklärung nur zu unterschreiben, ohne zugleich selbst eine Steuerhinterziehung zu begehen, so hindert dies zwar seine Haftung nach § 71 AO 1977 (BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 40/00, BFHE 198, 66, BStBl II 2002, 501), ändert aber nichts an der Hinterziehung des Steueranspruchs als solcher (s. etwa Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 169 AO 1977, Tz. 23; auch Senatsurteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BFHE 200, 495, BStBl II 2003, 385).
c) Schließlich fehlt es auch an der Bezeichnung eines Verfahrensmangels, soweit sich die Kläger darauf berufen haben, ihnen sei die Herausgabe beschlagnahmter Unterlagen zu Unrecht verweigert worden. Darin könnte eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs zu sehen sein, die aber keinen Mangel des FG-Verfahrens begründet, soweit die Kläger dem FA die Zurückhaltung der Unterlagen vorwerfen. Bezieht man diese Rüge dagegen auf das Verhalten des FG, so gelten die Ausführungen zur Darlegung der Umstände, die einen Rügeverzicht ausschließen (s.o. unter 1.) entsprechend. Denn auch bei einem Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel. Unabhängig davon ist ein solcher Verstoß im Streitfall nicht ersichtlich. Das FG hat den Klägern ausreichend Gelegenheit geboten, Akteneinsicht zu nehmen, die Unterlagen zu jedem einzelnen Streitpunkt anzufordern und sich zu jeder dieser Fragen ausführlich zu äußern.
Fundstellen