Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechnungsberichtigung wegen eines zu hohen Umsatzsteuerausweises
Leitsatz (NV)
1. Die Rechtsfrage, ob ein Urteil vor der Beschlussfassung verkündet werden kann, ist nicht entscheidungserheblich, wenn aus der in den Akten des FG befindlichen Urteilsfassung ersichtlich ist, dass das Urteil in dem Termin verkündet wurde, in dem die mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
2. Die Berichtigung der Umsatzsteuer wegen eines zu hohen Steuerausweises (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1999) setzt voraus, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Eine Stornobuchung des leistenden Unternehmers reicht zur Rechnungsberichtigung nicht aus.
Normenkette
UStG 1999 § 14 Abs. 2 S. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 104 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen 7 K 625/06) |
Gründe
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.
Die Rechtsfrage, ob ein Urteil vor der Beschlussfassung verkündet werden kann, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht rechtserheblich. Das in der mündlichen Verhandlung vom 21. August 2008 verkündete Urteil (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 1 FGO) wurde nicht erst am 26. August 2008 gefällt. Aus der in den Akten des Finanzgerichts (FG) befindlichen Urteilsfassung ist ersichtlich, dass das Sitzungsdatum handschriftlich auf den "21.08.2008" geändert wurde. Bei der Erstellung der Ausfertigungen u.a. für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde offensichtlich diese Änderung übersehen.
2. Eine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt nicht vor.
a) Die Klägerin trägt vor, das FG habe den Rechtssatz aufgestellt, es sei vollkommen egal, ob überhaupt eine Gefährdung des Steueraufkommens möglich gewesen sei, auch wenn die Leistungsempfänger als Privatpersonen nie zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen seien und somit eine Gefährdung des Steueraufkommens niemals zustande kommen könne. Insoweit weiche das FG von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Mai 2001 V R 77/99 (BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370) ab.
Eine Divergenz ist jedoch schon wegen fehlender Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht gegeben. Denn in dem vom BFH entschiedenen Fall stand fest, dass der vom Leistungsempfänger zunächst vorgenommene Vorsteuerabzug wieder rückgängig gemacht und die Steuer an das Finanzamt abgeführt wurde. Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliege, wenn eine Berichtigung der Steuer ohne den Nachweis zugelassen würde, dass der jeweilige Rechnungsempfänger die in der streitbefangenen Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen habe bzw. dass ihm der Vorsteuerabzug (tatsächlich) versagt worden sei oder dass ein etwaiger Vorsteuerabzug durch Rückzahlung/ Verrechnung rückgängig gemacht worden sei. Die Klägerin habe insoweit nichts Konkretes vorgetragen. Es reiche nicht der bloße Hinweis, dass es sich bei den Leistungsempfängern teilweise um Privatpersonen gehandelt habe, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Daraus ist deutlich erkennbar, dass das FG --auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung―- eine Gefährdungslage wegen fehlender Nachweise bejaht hat.
b) Die angefochtene Entscheidung des FG weicht nicht von dem BFH-Urteil vom 4. Februar 2005 VII R 20/04 (BFHE 209, 13) ab. Dieses betrifft eine vom Finanzamt im Insolvenzverfahren erklärte Aufrechnung mit einer Umsatzsteuerforderung, die aufgrund eines höheren als nach dem Gesetz geschuldeten Steuerausweises entstanden ist, gegen die Umsatzsteuervergütung, die sich aufgrund einer berichtigten Rechnung ergibt. Der BFH nimmt zur Aufrechnungslage nach § 226 Abs. 1 der Abgabenordnung i.V.m. § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und insbesondere zur Fälligkeit der jeweiligen Forderungen Stellung. Hierfür bedurfte es keiner näheren Erläuterung, ob die Fälligkeit der Vergütungsforderung eine Berichtigung der Rechnung oder einen anderen Nachweis voraussetzt, dass die Steuer nicht als Vorsteuer abgezogen oder der Vorsteuerabzug rückgängig gemacht wurde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 209, 13).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung nicht dahin zu verstehen, dass die Berichtigung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 lediglich eine Stornobuchung des leistenden Unternehmers voraussetzt.
Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass die Berichtigung des Steuerbetrags gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen muss und dies voraussetzt, dass dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte, schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438, m.w.N.).
c) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe nicht berücksichtigt, dass unternehmerisch tätige Leistungsempfänger aufgrund der Rechnungen mit einem zu hohen Ausweis der Umsatzsteuer keine Mehrzahlungen geleistet hätten, rechtfertigt das nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen eines erheblichen Rechtsanwendungsfehlers i.S. einer willkürlichen Entscheidung. Denn dieser Zulassungsgrund liegt nur vor, wenn der Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Daran fehlt es, wenn sich das Gericht --wie im Streitfall―- eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 68).
d) Die Rüge, das FG könne mangels Gefährdung des Steueraufkommens nicht auf den fehlenden Zugang von berichtigten Rechnungen abstellen, führt schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision, weil das FG von einer Gefährdungslage ausgegangen ist.
e) Soweit das FG im angefochtenen Urteil den auf einen Erlass gerichteten Hilfsantrag der Klägerin mangels eines Vorverfahrens i.S. des § 44 Abs. 1 FGO als unzulässig abgelehnt hat, ist eine Divergenz nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt worden. Das FG ist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Einspruchsentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners vom 18. Januar 2006 nicht eine Ablehnung des Erlasses der Umsatzsteuer für 2002 betrifft. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Fundstellen